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Jasper Pov

"Das Haus könnte ein paar Blumen vertragen, weißt du?" sprach Jules, als sie sich mit einem Handtuch die Haare trocken rubbelte.

"Ich bin nicht oft hier, die Pflanzen würden nur eingehen" konterte ich  als Jules die Küche betrat und mich musterte. Ihre blauen Augen strahlten und ich muss sagen so zufrieden hatte ich Jules noch nie gesehen.

Sie wirkte, wie eine komplett andere Person. Wenn ich mich an dieses verängstigte Mädchen im Wald erinnere.

Jules hat noch einen Mate, erinnerte mich mein Wolf. Auch wenn  dieser Gedanke zwanghaft dazu führte, dass ich meine Hände zu Fäusten bildete.

Auch erinnerte ich mich an Blake. Ich sollte aus dem Respekt zu ihr nicht solche Gedanken haben.

"Was machst du da?" Fragte Jules, während sie sich an die Küchentheke saß und jeden meiner Schritte beobachtete. "Ich wusste nicht, dass du kochst. Oder generell was anderes machst, außer zu trainieren oder andere zu trainieren."

Wenn man so darüber nachdenkt mache ich wirklich nicht mehr, doch seit dem mein Vater gestorben ist gab es auch nicht mehr. Ich hatte meinen Posten verloren. Auch wollte ich ihn nicht mehr. Meine Fehler haben dazu geführt, dass ich einen Großteil meiner Familie verloren hatte. Ich habe in jeder Linie versagt.

"Wir haben das Abendessen verpasst" antwortete ich ihr und ignorierte den zweiten Teil ihrer Aussage. "Du solltest genug essen, die Verwandlung verbraucht viel Energie."

Als hätte ich Jules an was erinnert fasste sie sich schon an den Bauch und nickte eifrig.

"Wie hat es sich angefühlt?" Fragte ich, während ich das Bild aus meinem Kopf verdrängen wollte, wie eine nackte Jules mich in ihre Arme zieht. Sie stand so unter Strom, dass sie nicht gemerkt hatte, dass sie nichts anhatte.

Jules Wangen färbten sich leicht rosa und ich könnte darauf Wetten, dass sie ebenfalls an den Moment zurück dachte.

Ich wollte nicht, dass sie sich unwohl um mich fühlte. Doch ich hatte Angst, wenn ich es nochmal ansprechen würde, dass ich es erst recht komisch Maschen würde. Also belies ich es dabei.

"Befreiend" antwortete Jules mit einem breiten Lächeln. "Ich weiß nicht wann ich mich das letzte mal so gut gefühlt habe."

"Das freut mich" erwiderte ich und bemerkte gar nicht, dass ihr Lächeln ebenfalls erwiderte. Erst als Jules mich darauf hinwies.

"Du solltest öfter lächeln." Ihre Augen hingen förmlich an meinen Lippen, doch ich konnte nicht behaupten dass es anders rum nicht auch so war.

Abstand, ich sollte für Abstand sorgen.

"Das Essen ist gleich fertig. Ich habe nie viel hier, aber es hat für einen Gemüseauflauf gereicht" sprach ich drauf los, währenddessen drehte ich meinen Rücken Jules zu.

Für einen Moment herrschte Stille, ehe Jules sich räusperte und sich verlegen durchs Gesicht fuhr.

"Wie sah mein Wolf aus?" Fragte sie und mied dabei meinen Blick.

Machte sie sich echt Gedanken darüber, wie ich ihren Wolf finde? Bei dem Gedanken musste ich mir ein Lächeln unterdrücken. Stattdessen fuhr ich mir mit der Zunge über die Lippen und dachte an ihren Wolf.

Sie war größer, als gedacht. Ihr Fell war kastanienbraun und schimmerte rötlich in der Sonne. Sie hatte zwei kahle Stellen, aufgrund von Narbengewebe. Eine am rechten Hinterbein und eine auf Schulterhöhe. Selbst ihr Wolf wurde nicht von ihm verschont. Doch irgendwie gab das ihrem Wolf etwas gefährliches.

"Wild, aber wunderschön" antwortete ich ihr abwesend. Und erinnerte mich daran, wie es sich anfühlte neben ihr, mit ihr, zu rennen. Wann habe ich mich das letzte mal so gehen gelassen?

Der Geruch vom Essen brachte mich zurück in die Realität. Fluchend öffnete ich den Ofen. Jules war auch aufgesprungen und stand plötzlich neben mir.

"Alles noch gut gegangen" informierte ich sie, während ich das Essen rausholte und auf die Kücheninsel abstellte. Dabei versuchte ich nicht daran zu denken, wie es sich angefühlt hat als Jules Arm meinen gestriffen hatte.

"Alles gut? Du wirkst so angespannt" Fragte Jules nachdenklich, ihre Augen musterten meine so eindringlich dass ich dem Drang widerstehen musste ihr die Wahrheit zu sagen.

Ich überschritt jetzt schon zu viele Regeln.

Ohne was zu sagen holte ich Teller raus und atmete tief ein und aus. Beruhig dich.

"Hey" Nahm ich Jules Stimme war, ihre Hand lag auf meinem Oberarm und für einen Moment sah ich etwas in ihren Augen aufflackern. "Jetzt schließ mich nicht wieder aus" sprach sie sanft.

Ihre Lippen bildeten ein sanftes Lächeln, welches nur ein Idiot nicht erwidern würde.

"Stimmt was nicht?" Fragte sie erneut und so langsam bildeten sich Sorgenfalten auf ihrer Stirn. Zweifel und Unsicherheiten bildeten sich in ihren Augen, doch ich war immer noch unfähig zu reden. "Hat es was mit mir zu tun? Habe ich was falsch gemacht?"

Was könnte sie je falsch gemacht haben? Sie wollte leben, nicht nur überleben. Keiner könnte ihr das böse nehmen. Sie war fast noch ein Kind, als sie das Grauen kennen gelernt hatte.

Langsam nahm Jules ihre Hand zurück.

"E-es tut mir leid, wenn i-ich was falsch gemacht-" Jules stotterte irgendwelche Worte und Tränen bildeten sich in ihren Augen.

Das war meine Schuld.

"Jules, nein. Bleib" endlich fand ich meine Stimme wieder. Vorsichtig hielt ich Jules an ihrem Handgelenk fest. Ich spürte Erhabungen auf ihrer Haut und musste mich zurückhalten. Da waren so viele Narben

"Dann sprich mit mir" sprach Jules, dieses mal festerer Stimme, ehe sie ihre Hand aus meinem Griff befreite.

"Meine Güte, Jules. Merkst du nichts? Merkst du nicht, wie sehr ich mich nach dir sehne? Merkst du nicht, wie schwer du es mir machst, wenn du mich so anguckst?" Ich konnte mir nicht helfen, die Wörter kamen einfach aus mir raus. Auch konnte ich mir nicht helfen, dass meine Stimme lauter wurde. "In jeder Sekunde, welche ich mit dir verbringe kämpfe ich um die Kontrolle. Ich weiß nicht, wie ich mich verhalten soll. Es ist ein Kampf. Ich will dich beschützen, ich will dich an meiner Seite wissen, ich will neben dir durch den Wald rennen" ich holte tief Luft "ich will dich, Jules."

Für eine halbe Ewigkeit sprach keiner.

"Ich weiß, dass dein Mate draußen frei rumläuft. Ich weiß, wozu er im stande ist. Doch ich kann mir nicht helfen."

Jules starrte mich nur an.

"Und ich weiß, dass ich meine Chance auf Glück bereits hatte. Doch vielleicht ist das die zweite Chance. Für uns beide."

So langsam besuchten mich Gefühle von Zweifel und Unsicherheit. Hatte ich was falsches gesagt? Aber ich konnte es nicht länger für mich behalten.

"Jules-" bevor ich weiterreden konnte drückte Jules schon ihre Lippen auf meine.

Run AwayWo Geschichten leben. Entdecke jetzt