17 Frühjahr - Einschulung III

632 50 1
                                    

Es war fast zwei Monate her, als ich das letzte Mal den hässlichen Glaskasten betreten hatte und ich würde nicht unbedingt behaupten, dass ich ihn vermisst hatte. Besonders die Idee, in mit dem Begriff ‚Schule' in einen Topf zu werfen, machte die Sache nicht besser. Mit einem üblich neutralen Gesicht lief ich neben Momo durch die Gänge, die scheinbar bereits wusste, wo unser Klassenzimmer liegen würde. Wir kamen vor einer mindestens 4 Meter hohen Tür zum Stehen. Momo atmete einmal tief ein, setzte ihren professionellen Blick auf und öffnete die Tür, wobei ich ihr einfach hinterherschlich.

Einige Schüler waren bereits im Klassenzimmer. Ein Gelbhaariger mit schwarzem Blitz in den Haaren, ein Rotschopf mit fragwürdigem Design, ein Kleinkind mit einigen Trauben auf dem Kopf und so weiter. Mittlerweile erstaunte mich nichts mehr, zumindest, wenn es um das Aussehen ging. Viel wichtiger war es mir einen Platz am Fenster zu ergattern, aber ich schätze das gleiche galt vor Momo. Wir sahen uns gegenseitig aus dem Augenwinkel heraus an und dann auf den Tisch am Fenster, in der dritten Reihe. So schnell wie möglich, dennoch so, dass es keiner merken würde, stürzten wir uns auf den Tisch, wobei ich mit einer kleinen Teleportation etwas schneller war als sie. Der Platz gehörte also mir und sie setzte sich geschlagen an den Fensterplatz der letzten Reihe, neben einen Typen mit halb weißem, halb rotem Haar. Es schien fast, als hätte er schweigend unseren kleinen Wettkampf beobachtet.

Genüsslich war ich dabei meine Jacke über den Stuhl zu hängen und meine Tasche neben meinem Tisch abzustellen, als plötzlich vor mir jemand sein Zeug auf den Tisch warf, was mich kurz zusammenzucken ließ. Ein blonder Igelkopf machte es sich auf seinem Platz gemütlich, die Beine auf den Tisch legend. Mit etwas aufgerissenen Augen betrachtete ich die Szene, die sich vor mir abspielte, als ein quadratischer Kerl auch noch zu seinem Tisch herübereilte. Etwas perplex ließ ich mich auf meinen Stuhl fallen und sah einfach nur zu.

„Nimm deine Füße vom Tisch! Findest du das nicht respektlos gegenüber den Klassenkammeraden und dem Hersteller des Schreibtischs?" Statisches Gefuchtel und die Aussagen eines wahren Priesters...

„HAHA! In welcher Klitsche haben sie dich denn aufgelesen, Du Träne?" Aggressives Verhalten, Frisur eines geföhnten Igels...

Ich seufzte und konnte mein Glück überhaupt nicht fassen. Das waren die beiden Zeugen Jashins, die ich schon bei der Aufnahmeprüfung in die Kategorie ‚Störenfried-meiner-Umgebung' eingestuft hatte. Doch während ich mir die beiden so ansah, konnte ich mir ein Kichern kaum verkneifen.

Der Blonde war wie die stachelige Version einer Blüte, die gedeiht zu einer eckigen Blaubeere. Wie Naturverbunden die Menschen hier doch waren. Mein Gedanke wurde nur bestätigt, als ich den Brokkoli-Jungen das Klassenzimmer betreten sah. Schien fast als wäre ich erneut in eine Obst- und Gemüsekiste gelandet. Gerade hob ich die Hand, um ihm zuzuwinken – das Aufstehen schien es mir nicht wert – als gerade das braunhaarige Mädchen hinter ihm auftauchte. Die kannte ich doch auch. Sie kam Izuku plötzlich ziemlich nah, was ihn etwas verlegen zu machen schien. Der änderte sich wohl nie. „Ob heute wohl die Einführung ist oder ob eine eine Zeremonie gibt?" hörte ich das Mädchen aufgeregt sagen, allerdings...

°-°

Mein Blick fiel auf eine gelbe Raupe, die dem Mädchen klarmachte, dass sie woanders hingehen solle, wenn sie nur hier war, um einen auf Freundschaft zu machen. Im ganzen Klassenraum wurde es still. Die Raupe zog einen Tetrapack hervor. „Das hier", er schlürfte sie laut aus „ist die Heldenfakultät!" Angestrengt ließ ich meinen Kopf in die Armbeuge auf meinem Tisch fallen. „Okay, es hat exakt acht Sekunden gedauert, bis ihr still wart. Das Leben ist kurz, Kinder, euch fehlt es an Rationalität." Aus dem Augenwinkel betrachtete ich, wie sich die Raupe entpuppte und wie erwartet kein schöner Schmetterling hervortrat, sondern ein verwelkter Ereaserhead. Sollte das bedeuten, dass dieser Emo mein neuer Klassenlehrer war?

In Momenten wie diesen wollte ich gerne mein Zeug packen und dieser elenden Welt meinen Hintern zukehren. Aber aus irgendeinem Grund saß ich hier nun mal fest. Wenn ich also mein Leben in Luxus nicht aufgeben wollte, sollte ich mich an den Vertrag halten und brav zur Schule gehen. Die Schlafmöglichkeiten von diesem Tisch sollte ich allerdings noch ausführlich austesten, für den Fall, dass ich ein Kissen benötigen würde.

„Ich bin euer Klassenlehrer Aizawa Shota, freut mich." Er zog einen gestreiften Schlafanzug hervor. „Zieht die hier an und bewegt eure hintern zum Sportplatz." Ungläubig nahm ich einen von diesen Anzügen und ging in die Richtung, in die auch die ganzen anderen Schüler liefen.


———————————————
Ich denke man kann sich vorstellen, wie tiefen-erfreut Kana über das Wiedersehen war.

FlourishWo Geschichten leben. Entdecke jetzt