Kein guter Mensch

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Ihr setzt euch nebeneinander auf einen Baumstamm, den die Schüler für irgendwelche Übungen benutzen, und für eine unendliche Zeitspanne, sagen weder er noch du ein einziges Wort. Die Spannung zwischen euch ist auf eine unangenehme Weise so immens, dass sich deine Nackenhärchen aufstellen und du nur schwer Luft bekommst. Am liebsten wärst du weggelaufen. Doch egal, wie sehr der Drang an dir nagte, wichtiger ist es, zu erfahren, warum Kakashi plötzlich mit dir reden muss.

»Also ...«, beginnst du genau dann, als er sagt: »Es tut mir leid, dass ich einfach verschwunden bin.«

Verdattert siehst du ihn von der Seite an. Er ... entschuldigte sich? Bei dir? WOW! »Ähm ...«, machst du, räusperst dich aber dann. Deine Stimme klingt viel zu laut im Vergleich zu seinem dunkeln Flüstern. »Ist schon okay.«

»Nein«, gibt er zurück und wirft ebenfalls einen Blick zu dir. Nur einen Kurzen. »Nein, es ist nicht okay. Ich hätte nicht einfach verschwinden dürfen. Das war Mist und ich habe dir damit nur bewiesen, wie feige ich bin.«

»Sei nicht zu streng mit dir, Kakashi.« Du hebst die Hand, so als wolltest du sie ihm auf die Schulter legen, überlegst es dir aber wieder anders. »Ich hätte mich nach einem Gespräch mit meinem Vater auch liebend gerne des Öfteren tagelang verkrochen. Glaub mir, ich kenne eine Namikaze-Standpauke.«

»Ja«, lachte er fast, wird aber sofort wieder ernst. »Hör zu, (Y/N)«, raunt er und du atmest tief ein, weil dein Name aus seinem Mund die reine Qual ist. Deine Finger zucken wieder, in dem Bestreben, sein Silberhaar zu durchkämmen. »Was da passiert ist, ist ... Es war nicht richtig.«

Du beißt dir auf die Lippe, weil deine Vermutung und das miese Gefühl sich als richtig herausstellen. Kein gutes Gespräch fängt mit diesen Worten an. Das weißt du. Dennoch hegst du die naive Hoffnung, dass Kakashi hier keines dieses "Es-Liegt-Nicht-An-Dir-Gespräche" führen möchte.

»Was passiert ist ...«, beginnst diesmal du wiederholend, doch er mischt sich augenblicklich ein und unterbricht jedes weitere Wort deinerseits.

»Das mit uns, das führt zu nichts. Was du glaubst, da zu fühlen, kann nicht richtig sein. Was ich glaube zu fühlen ist ... es nimmt kein gutes Ende.«

Dein Herzschlag setzt aus, und eine eisige Kälte versucht sich ihren Weg in deine Adern zu schleichen. Du stoppst sie. Nein, du zwingst sie regelrecht, nicht von dir besitzt zu ergreifen. Mutig reckst du das Kinn, denn mit dem kleinen, abweisend gemeintem Satz, hat auch er schlussendlich zugegeben, das er etwas fühlt.

»Ist es das, was mein Vater dir gesagt hat? Das – was auch immer das mit uns ist –«, du deutest zwischen euch hin und her, »– keinen Sinn ergibt?« Er nickt und du schnaufst. »Nun, dann muss ich dir sagen, das dein Verhalten wohl doch feige ist, Hatake.«

»Was?« Kakashi dreht sich zu dir und du fragst dich, woher dein plötzlicher Wagemut kommt. Lieber nicht zweifeln, oder zu viel darüber nachdenken, sagst du dir still im Geiste.

»Du hast schon gehört. JETZT halt ich dich für feige.«

»Was, wieso? (Y/N), hör mal ...«

»Nein«, unterbrichst du ihn diesmal und siehst ihm tief in die Augen. Eine Sekunde gleitet dein Blick den Rand seiner Maske entlang und dir jucken die Finger, sie einfach herunterzureißen und ihn zu küssen. Wobei ... wahrscheinlich würdest du ihn erst einmal anstarren und seine Erscheinung in deinem Gedächtnis speichern. Du räusperst dich und schaust zurück in seine Augen. »Lass mich dir bitte erklären, warum ich dich für einen Feigling halte. Es ist nicht, weil du tagelang verschwunden bist, oder weil das in der Nacht letztens oder bei damals Obito passiert ist«, sagst du und legst so viel Ernsthaftigkeit in deine Stimme und Miene, wie du nur kannst.

»Ach nein? Na dann bin ich ja mal gespannt«, witzelt er und seine Maske zuckt. Genau dort, wo du seine Mundwinkel vermutest.

Dein Gesicht bleibt unbewegt, auch wenn dein Puls sich beschleunigt. »Ich halte dich für feige, weil du das, was da neuerdings ist, kampflos aufgibst, bevor wir wissen, was es wirklich ist.« Der Witz verschwindet aus seinen Augen und purer Ernst bleibt.

Er stockt und du siehst zu, wie er trocken schluckt. »Das ist so nicht.«

»Nein? Wie dann?«

»Dein Vater hat ...«

»Tu mir bitte den Gefallen und lass meinen Vater da raus. Was auch immer er gesagt hat, sollte dich nicht beeinflussen.«

»Er ist unser Sensei, (Y/N).«

Du lachst trocken auf. »Und der verdammte Hokage und mein Vater, ja und? Was hat das mit deinem Privatleben zu schaffen?«

»Ich respektiere ihn.«

»So wie ich auch. Und dennoch ist es nicht seine Aufgabe, mein Leben zu bestimmen. Selbst als mein Vater nicht«, sagst du und schaust in den Himmel. »Wenn ich das schon sagen kann, sollte es dir eigentlich nicht schwerfallen, ihn aus diesen Angelegenheiten herauszulassen.«

Kakashi bläst frustriert die Luft aus und rauft sich das Haar. »So einfach ist das nicht. Was der Sensei gesagt hat ... es stimmt.«

Du drehst dich endgültig ganz zu ihm herum und wartest, bis er das gleich macht. Es dauert einen Augenblick, doch nun sitzt ihr euch im Schneidersitz gegenüber.

»Was hat er denn genau gesagt?«, möchtest du wissen und knibbelst am Holz des Stammes herum. Kakashi schweigt und sieht dir lediglich auf die Finger. »Na gut«, machst du. »Dann sage ich dir, was er mir gesagt hat.« Du lässt das nervöse Zupfen am Holzstamm sein und richtest dich etwas auf. »Vater sagte, dass du nicht der Richtige für mich bist, und das deine Vergangenheit ... er sagte, wir passen nicht zusammen und indirekt wohl auch, dass ich mit Iruka besser aufgehoben wäre.«

Kakashi lacht einmal freudlos auf und, lehnt sich zurück und schüttelte den Kopf. »Iruka also?«

»Ja. Wobei ich insgeheim glaube, dass er mich am liebsten mit Obito sehen würde.«

Inzwischen lachte er lauter, wütender. »Schieße!«, brummt er und legt den Kopf in den Nacken. »Ich wusste ja, dass der Hokage mich nicht unbedingt mag, aber das er seine Tochter lieber mit einem Uchiha sieht, als mit mir ist ...« Er lachte erneut auf und verstummte dann. »Kein Wunder, dass der Sensei so deutlich geworden ist.«

»Er mag dich durchaus«, erwiderst du und fragst dich unweigerlich, was dein Vater genau gesagt hat. Deine Neugier steigt. »Ich denke, im Team bist du ihm sogar der liebste Schüler, Kakashi. Und das sage ich, ganz ohne sauer zu sein, und als die Tochter des Sensei. Es ist nur ... er weiß, wie du mich behandelt hast. All die Jahre, Kakashi. Und Vater glaubt, es habe mit deiner Vergangenheit zu tun. Ist das so?«, fragst du nach einer Gedankenpause leise und suchst seinen Blick. »Bist du deswegen ununterbrochen so zu mir gewesen?«

Sein Kiefer bewegt sich hin und her und bevor er antwortet. »Vielleicht.«

»Kakashi, du ...«

»Fang jetzt bitte nicht an, mich darüber zu belehren, dass ich ein guter Mensch bin und das meine Vergangenheit vergangen ist«, stoppt er dich und runzelt die Stirn. »Wir wissen beide, dass das nicht stimmt. Ich bin ein guter Shinobi, hervorragend talentiert sogar«, sagt er und du fügst gedanklich noch unheimlich arrogant hinzu, lässt ihn aber weiterreden. »Ich würde mein Leben für Konoha geben. Bei einer Mission auch, ohne zu zögern, für Obito und für ... dich.«

Dein Herz macht einen Hüpfer und du schaffst es nicht, deine roten Wangen zu verstecken. Selbst als du den Kopf senkst, bist du dir sicher, dass Kakashi es gesehen haben muss. Du siehst erst wieder hoch, als er leise sagt: »Aber ich bin kein guter Mensch und dein Vater hat recht. Wenn der Hokage sagt, ich sei nicht gut für dich, wer wäre ich, ihm zu widersprechen?«

Der Hüpfer wird zu einem schmerzenden Stechen und dein Magen verkrampft sich. »Kakashi ...«, versuchst du noch einmal, doch bevor du weiterreden kannst, steht er auf und macht Anstalten, wegzulaufen.

Schon wieder.

Kakashi x ReaderWo Geschichten leben. Entdecke jetzt