Jessy hatte am Telefon versucht, mir noch weitere Fragen zu stellen, doch ich hatte sie abgewimmelt und ihr versprochen, ihr alles zu erklären, sobald sie bei mir war. Und dort stand ich nun, vor dem Krankenhaus und wartete. Der Weg hinaus hatte ewig gedauert, immer wieder musste ich Pausen machen, da mir das Atmen schwer fiel und ich husten musste, doch ich ließ mich davon nicht beirren. Ganz sicher würde ich nicht in diesem Krankenhaus bleiben und mich von der Ungewissheit auffressen lassen. Es dauerte nicht lange, bis ein kleiner Käfer in einem schillernden Orange um die Ecke bog und direkt vor mir zum Stehen kam. Der Motor erstarb und eine kleine, zierliche Rothaarige stieg aus. Jessy. Mit schnellen Schritten umrundete sie den Wagen und schloss mich in die Arme, sobald sie mich erreicht hatte. Ein wenig überrasch erwiderte ich ihre Umarmung zaghaft. "Was machst du denn hier, Y/N? Wir haben uns solche Sorgen um dich gemacht. Als du letzte Nacht plötzlich nicht mehr auf unsere Nachrichten reagiert hast, wussten wir sofort, dass das nichts Gutes bedeuten kann. Und dann haben wir gehört, dass ein Feuer in der Mine ausgebrochen ist und..", die Worte sprudelten nur so aus ihr heraus. "Jessy, Jessy..", unterbrach ich sie und hob beschwichtigend die Hände. "Ganz ruhig, ich werde dir alles erzählen", sagte ich und lächelte müde. Ich versuchte ein Husten zu unterdrücken, doch das machte es nur umso schlimmer und es dauerte einige Sekunden, bis ich mich wieder gefangen hatte, während Jessy mir beruhigend eine Hand auf den Rücken legte. "Okay, dann sag mir bitte zuerst, was mit dir los ist, warum warst du im Krankenhaus?", ihr Blick war besorgt, allerdings zeigte er mir auch deutlich, dass sie auf der Stelle die Wahrheit forderte. Ich konnte ihr natürlich keinen Vorwurf machen. Jessy war mir immer eine gute Freundin gewesen und sie sorgte sich beinahe genauso um mich, wie Jake..
Ich nickte in Richtung ihres Autos, um ihr zu zeigen, dass ich ihr während der Fahrt all ihre Fragen beantworten würde. Schließlich hatte ich auch nicht gerade wenige Fragen an sie. Wir stiegen ein, sie startete den Motor und fuhr los. Währenddessen begann ich zu erzählen, was alles geschehen war, nachdem Alan Hannah aus der Mine befreit hatte. Ich erzählte ihr, von meinem Entschluss, ebenfalls in die Mine zu gehen und dass ich mich bereits in der Nähe von Duskwood aufgehalten hatte. Es zu verschweigen brachte mich nicht weiter, also konnte ich auch genauso gut mit offenen Karten spielen. Als ich ihr von dem Feuer und Richy erzählte, konnte ich sehen, dass sich Tränen in ihren Augen sammelten. Ich wusste, dass sie unfassbar darunter litt, was ihr bester Freund getan hatte. Vermutlich mehr, als wir alle zusammen. Ich erzählte ihr alles, woran ich mich erinnern konnte, wobei mein Husten meinen Redefluss immer wieder unterbrach. Jedes Mal warf Jessy mir einen besorgten Seitenblick zu, sagte jedoch nichts. Nachdem ich ihr alles gesagt hatte, steuerte sie den Wagen auf einen kleinen Parkplatz am Waldrand. Das Krankenhaus lag etwas außerhalb von Duskwood, sodass wir noch ein Teil des Weges vor uns hatten. Jessy stellte den Wagen ab und stieg aus. Ich folgte ihr zu einer Holzbank, die vermutlich für Wanderer aufgestellt wurde, und gemeinsam ließen wir uns darauf nieder. Eine Weile sagte niemand etwas, ich wollte sie zu nichts drängen, immerhin hatte sie es bereits schwer genug. "Er hat mich angerufen, weißt du? Er schrieb mir, dass du mir alles erklären würdest, doch ich wollte ihm nicht glauben, also hat er mich per Videotelefonat angerufen. Ich konnte und wollte einfach nicht begreifen, was er da sagte, doch tief in mir drin wusste ich, dass er die Wahrheit sagt". Jessy war es, die das Schweigen brach. Mit tränenüberströmten Wangen sah sie mich an. "Oh Jessy..", schnell legte ich ihr einen Arm um die Schultern und zog sie an mich, während sie ihren Kopf auf meine Schulter sinken ließ. "Ich verstehe es noch immer nicht. Wie konnte er uns das nur antun?", schluchzte sie. "Weißt du.. Mich hat Richy auch angerufen. Ich glaube er wollte, dass die Wahrheit ans Licht kommt, bevor er allem ein Ende setzt..". Vorsichtig fing ich an, ihr widerzugeben, was Richy mir erzählt hatte. Ihr Körper bebte unter meiner Umarmung, während ich sprach. "Ich denke, es war niemals seine Absicht, dass alles so aus dem Ruder läuft. Er wollte das Richtige tun, was er natürlich völlig falsch angegangen ist. Und ich möchte seine Taten auch wirklich nicht rechtfertigen, aber ich glaube ihm. Dass es ihm wirklich leid tut, meine ich", sagte ich, als Jessy nicht reagierte. Sie nickte schwach und ich wusste, dass das Thema Richy vorerst beendet war. Es gab ohnehin noch genug andere Dinge, über die wir sprechen mussten. "Was ist mit euch? Was habe ich in meiner Abwesenheit verpasst?". Sie schniefte und hob den Kopf von meiner Schuler bevor sie antwortete. "Nicht besonders viel. Als ich die Kraft aufgebracht hatte, den anderen zu erzählen, was ich erfahren hatte, wollten sie sofort aufbrechen. Sie alle waren schockiert und niemand wollte viel dazu sagen, naja außer Dan, aber das kannst du dir ja wahrscheinlich denken". Ich lächelte matt, dass Dan etwas dazu zu sagen hatte, konnte ich mir vorstellen. "Cleo hat schließlich den Pannendienst gerufen, der unsere zerstochenen Reifen austauschte und wir sind abgereist. Thomas und Lilly sind direkt zur Polizei gefahren, um herauszufinden, was mit Hannah ist und wir anderen sind nach Hause, um uns von dem Schock zu erholen. Wir konnten ja schließlich nicht alle gleichzeitig die Polizeistation stürmen. Tja und seitdem habe ich noch nichts von den anderen gehört", fuhr Jessy fort. Gedankenverloren nickte ich vor mich hin. Abgesehen von den Nachrichten im Gruppenchat von letzter Nacht, als sie gefragt hatten, was los sei, hatte sich, bis auf Jessy, auch bei mir niemand gemeldet. Ich hatte wirklich gehofft, dass endlich alles gut werden würde, wenn die Wahrheit ans Licht kam, stattdessen ging alles den Bach runter.
"Und du hast noch nichts von Jake gehört?", riss sie mich aus meinen Gedanken. Mit gesenktem Blick schüttelte ich den Kopf. "Ich hatte wirklich geglaubt, ihn dort zu finden, Jessy. Ich will doch einfach nur wissen, ob es ihm gut geht. Ich weiß einfach nicht, was ich tun soll.. ich meine, was, wenn er gar nicht mehr am Leben ist?". Nun war ich diejenige, die Jessy mit tränenverschleiertem Blick ansah. Eine Mischung aus Schluchzen und Husten drang aus meiner Kehle und ich ließ den Kopf in die Hände sinken. In meiner Brust hatte sich ein schmerzhafter Druck aufgebaut, der nichts mit meiner Rauchvergiftung zutun hatte. Die Angst, Jake für immer verloren zu haben, fraß mich von innen heraus auf. Jessy griff nach meiner Hand und drückte sie sanft. "So darfst du gar nicht denken, Y/N. Ich kenne Jake nicht so gut, wie du, aber nach allem, was ich gehört habe, scheint er ein ziemlicher Überlebenskünstler zu sein. Ich bin mir sicher es geht ihm gut. Vermutlich bringt er sich gerade in Sicherheit und wird sich schon bald bei dir melden, da bin ich mir sicher", versuchte sie mich aufzuheitern. Das sah Jessy und mir ähnlich. Beide hatten wir mit unseren eigenen inneren Dämonen zu kämpfen und doch versuchten wir uns gegenseitig aufzubauen. Ich drückte ihre Hand ebenfalls und nickte. Danach saßen wir noch ein paar Minuten auf der Bank und hingen unseren Gedanken nach. "Wie geht es nun weiter, Y/N?", fragte sie schließlich. Ich hatte gehofft, diese Frage nach Hannahs Befreiung nicht mehr beantworten zu müssen, aber scheinbar war dem nicht so. "Könntest du mich vielleicht zum Grimrock fahren? Ich muss mein Auto dort wegholen und mir ein Zimmer im Motel nehmen. Wenn das erledigt ist, sollten wir uns schnellstmöglich mit den Anderen treffen. Sicher haben sie weitere Informationen über Richy, Hannah und über das, was in der Mine geschehen ist. Wir müssen herausfinden, was sie wissen".
Jessy stimmte mir zu und wir gingen zurück zum Auto, um uns auf den Weg zum Grimrock zu machen.
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Duskwood - The things we lost in the fire
FanfictionDiese Geschichte basiert auf dem gleichnamigen Spiel "Duskwood" von Everbyte. Meine Geschichte beginnt im Anschluss an Episode 10. Mir gehören weder die Figuren noch die ursprüngliche Idee des Spiels. Es handelt sich hierbei lediglich um eine Fanfic...