Ich nickte, unsicher, was jetzt kommen würde.
"Es war mir letzte Nacht nicht mehr möglich, mich selbst darum zu kümmern und ich hatte dir versprochen, nirgendwo hinzugehen. Mein Rucksack mit all meinen Sachen steht noch immer auf deiner Dachterasse. Ich würde ihn ja selbst holen, allerdings ist das am helllichten Tage vermutlich keine besonders kluge Idee".
Mehr musste er nicht sagen. Sofort machte ich mich auf den Weg und stieg die Feuertreppe hinauf, erleichtert, dass es sich um solch einen Gefallen handelte. Oben angekommen dauerte es einen Moment, bis ich seinen Rucksack schließlich fand. Der Anblick der sich mir dort bot, ließ mich inne halten. Jakes Rucksack war nicht das Einzige, was ich fand. Dort lag außerdem ein Schlafsack, der seine besten Zeiten bereits hinter sich hatte und ein paar leere Konservendosen. Sein Lager befand sich in der hintersten Ecke der Terrasse und war hinter einem Lüftungsschacht versteckt. Wenn ich auch gedacht hatte, dass mich mittlerweile nichts mehr schockieren konnte, so hatte ich mich doch mächtig geirrt, denn Jake war nicht erst seit gestern hier gewesen. Sein Lager, welches vor mir lag, war der Beweis dafür.Zurück in meiner Wohnung fand ich Jake unschlüssig auf der Bettkante sitzend vor. Sein Blick weitete sich als er mich mitsamt seines Rucksackes und seines Schlafsackes im Türrahmen stehen sah. Demonstrativ hob ich den Schlafsack in die Höhe und zog eine Augenbraue hoch.
"Möchtest du mir das hier vielleicht erklären?". Ich war nicht sauer, bloß verwirrt. Wenn er doch schon die ganze Zeit über dort oben gewesen war, wieso hatte er sich mir nie gezeigt? Und plötzlich stellte sich mir die Frage, wie oft er mich dort oben wohl bereits gesehen hatte?
"Ich wünschte wirklich, ich könnte dir eine zufriedenstelle Erklärung dafür liefern. Aber die Wahrheit ist, dass ich selbst nicht weiß, was in mich gefahren ist. Ich wollte in deiner Nähe sein, Y/N, aber ich wollte vermeiden, dich in Gefahr zu bringen. Ich habe es damals gesagt und ich sage es nun wieder: Mein Verhalten dir gegenüber ergibt einfach keinen Sinn..". Er saß noch immer da und er war noch immer Jake. Der Jake, in den ich mich bereits vor Monaten verliebt und dem ich seitdem bedingungslos vertraut hatte und doch tat es mir weh, zu sehen, wie verloren er in diesem Augenblick wirkte. Er war bei mir und doch war ihm all das hier völlig fremd. Was auch immer in den vergangenen drei Monaten geschehen war, es hatte Jake maßgeblich beeinflusst und ihn zu einem anderen Menschen gemacht. Ich wusste, dass der alte Jake, der, der die Situation immer unter Kontrolle gehabt und mich dazu gebracht hatte, jede einzelne meiner Grenzen aus Liebe zu ihm zu überschreiten noch immer da war. Er brauchte einfach nur Zeit und die würde ich ihm geben. Langsam ging ich auf ihn zu und blieb direkt vor ihm stehen. Sein Blick fand meinen, als er zu mir hinauf sah. "Es muss keinen Sinn ergeben, wenn es sich richtig anfühlt, Jake". Ein erleichterter Ausdruck huschte über sein Gesicht, als er die Worte erkannte, die ich bereits schon einmal zu ihm gesagt hatte. Zögernd fasste er mich an den Hüften und zog mich noch näher an sich heran, bevor er seine Arme schließlich um meine Mitte schlang. Seinen Kopf schmiegte er an meinen Bauch und so verweilten wir mehrere Minuten, während ich ihm beruhigend durch seine Haare strich. Dieser Moment zeigte mir noch einmal deutlich, dass die vergangenen Monate und all der Schmerz nicht umsonst gewesen waren. Jake hier bei mir zu wissen, war all das wert gewesen. Ihm schien es ähnlich zu gehen, denn zum ersten Mal, seit er in der vergangenen Nacht aufgetaucht war, hatte ich das Gefühl, dass er sich ein allmählich entspannte. Zwar wussten wir noch immer nicht genau, wie es weitergehen würde, doch für diesen Moment waren wir zusammen und in Sicherheit.
Als wir uns voneinander lösten, trat ein verunsicherter Ausdruck auf Jakes Gesicht.
"Wäre es in Ordnung, wenn ich deine Dusche benutzen würde?". Diese Frage versetzte mir einen Stich, denn mir wurde schlagartig bewusst, dass selbst die einfachsten Dinge, wie duschen oder eine warme Mahlzeit für ihn keinesfalls eine Selbstverständlichkeit darstellten. Offenbar hatte er sich in der Vergangenheit alles hart erarbeiten oder gar erkämpfen müssen.
"Natürlich, Jake. Es tut mir leid, wenn ich das bisher nicht deutlich gemacht habe, aber was mich betrifft, ist das hier jetzt auch dein Zuhause. Also nimm dir einfach, was du brauchst, egal was es ist. Du musst mich nicht fragen". Ich lächelte ihn an, auch wenn mir eigentlich eher nach Weinen zumute gewesen wäre. Zu wissen, auf was er in den letzten Jahren alles hatte verzichten müssen und welche Opfer er gebracht haben musste, um seine eigene Sicherheit zu gewährleisten, brach mir das Herz.
Jake nickte, stand auf und begab sich in Richtung Badezimmer. "Wenn du deine Sachen vor die Tür legst, kann ich sie für dich waschen", rief ich ihm zu, bevor er die Tür hinter sich schloss.
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Duskwood - The things we lost in the fire
FanficDiese Geschichte basiert auf dem gleichnamigen Spiel "Duskwood" von Everbyte. Meine Geschichte beginnt im Anschluss an Episode 10. Mir gehören weder die Figuren noch die ursprüngliche Idee des Spiels. Es handelt sich hierbei lediglich um eine Fanfic...