Für einen kurzen Augenblick dachte ich, dass es vielleicht Jake war, der da reglos zwischen den Flammen saß, doch dann sah ich sein blondes Haar. Ohne auch nur eine weitere Sekunde zu überlegen, nutzte ich die erstbeste Gelegenheit und bahnte mir einen Weg durch eine Lücke im Feuer. Als ich ihn endlich erreichte, fiel ich vor ihm auf die Knie und packte ich an den Schultern. "Richy, Richy wach auf!", rief ich, während ich ihn schüttelte, um ihn zu Bewusstsein zu bekommen, doch er reagierte nicht. "Bitte Richy, tu mir das nicht an!", schluchzte ich und schüttelte ihn immer wieder, während mir bereits Tränen über die Wangen liefen. Er durfte einfach nicht sterben, das würde ich mir selbst niemals verzeihen können.
Endlich fing er an schwach zu blinzend und als mich ein weiterer Hustenanfall überkam, schlug er schließlich die Augen auf. "Y/N", murmelte er kraftlos. Erleichtert ließ ich die Arme sinken. "Oh Richy, Gott sei Dank. Komm wir müssen dich sofort hier rausbringen", sagte ich und griff nach seiner Hand. Er kniff die Augen zu und schüttelte bestimmt den Kopf. "Nein Y/N, lass mich hier. Du musst jetzt gehen". Entgeistert starrte ich ihn an, dann schließlich begriff ich was er mir damit sagen wollte. Richy hatte dieses Feuer gelegt. Das war seine Art die Dinge zu lösen. Aber diese Rechnung hatte er ohne mich gemacht. "Das kannst du vergessen. Ich werde diese Mine nur mit dir verlassen und jetzt steh gefälligst auf, wir haben keine Zeit mehr". Ich packte ihn unter den Armen und zog ihn nach oben. Gequält sah er mich an, doch er wehrte sich auch nicht dagegen. Er war ziemlich wackelig auf den Beinen, also legte ich seinen Arm um meine Schulter und zog ihn mit mir. Jake hatte mir erzählt, dass bei dem damaligen Minenunglück rund 800 Menschen ums Leben gekommen waren. Ich würde nicht zulassen, dass Richy und ich Teil dieser Statistik wurden.Das Feuer machte es uns unmöglich den Weg zu nehmen, der mich hergeführt hatte, also blieb uns nichts anderen übrig als in die andere Richtung zu laufen. Wobei stolpern vielleicht die bessere Bezeichnung dafür war. Richy war ziemlich mitgenommen und konnte sich kaum aufrecht halten. Ich wusste nicht, wie lange er bereits dort gesessen und den Rauch eingeatmet hatte, ich wusste nur, dass er dringend medizinische Hilfe benötigte. Je weiter wir uns vom Feuer entfernten und umso länger ich Richy stütze, desto mehr verließen mich allmählich meine Kräfte. "Richy du musst mir helfen, nur du weißt, wie wir es hier raus schaffen", keuchte ich. Meine Stimme klang belegt und ich konnte den Ruß auf meiner Zunge schmecken. "Ich zeige dir den Ausweg, aber ich werde nicht mit dir kommen Y/N. Ich kann das alles nicht mehr ertragen". Seine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern und es kostete mich eine Menge Anstrengung, ihn zu verstehen. "Vergiss es, wir werden beide hier raus gehen und du wirst leben. Hast du mich verstanden?", sagte ich mit Nachdruck. Ganz bestimmt würde ich ihn nicht hier zurücklassen, damit er seinen Selbstmord vollenden konnte. Mit leerem Blick sah er mich an. "Sie werden mich ins Gefängnis stecken. Ich habe einfach alles verloren". Ich erwiderte seinen Blick, während ich ihn weiter vorwärts zog. "Richy hör mir zu. Ich werde dich nicht anlügen, die Situation sieht wirklich nicht gut aus und du hast Fehler gemacht, für die du geradestehen musst, aber du hast mich, okay? Und ich werde für dich da sein. Ich lasse es nicht zu, dass es so endet". In diesem Augenblick hätte ich vermutlich alles gesagt, um ihn dazu zu bringen, die Mine mit mir zu verlassen, doch es war die Wahrheit. Richy war mein Freund gewesen, lange bevor ich herausfand, was er getan hatte. Und ich vermisste unsere Freundschaft. Auch wenn er mich zutiefst verletzt hatte und der Schock noch immer tief saß, hatte ich beschlossen ihm zu vergeben. Ich würde mein Wort halten. Ich blickte ihn erneut an und sah erst jetzt, dass er weinte. Prüfend sah er mir in die Augen und offenbar glaubte er mir, denn er nickte schwach.
Gemeinsam kämpften wir uns durch die Gänge der Mine. Immer wieder gerieten wir ins Wanken, da Richy in einer wirklich schlechten Verfassung war. Auch mir fiel es immer schwerer ihn zu stützen und mich selbst auf den Beinen zu halten. Ich hatte das Gefühl, dass ich bereits seit Stunden dort unten war. Ein Hustenanfall nach dem nächsten raubte mir zunehmend meine Kräfte.
Wir kamen nur langsam voran, doch irgendwann erreichten wir endlich die Luke aus Metall, die uns von der Außenwelt trennte. Ich lehnte Richy einen Moment gegen die Wand und versuchte mit all meiner Kraft, die Luke zu entriegeln, doch es gelang mir einfach nicht. Plötzlich tauchten Richys Hände neben meinen auf und gemeinsam schafften wir es, die Riegel zu öffnen und die Klappe aufzustoßen. Kalte Nachtluft strömte uns entgegen und ich nahm einen tiefen Atemzug. Schnell schlang ich meinen Arm wieder um Richy, um ihn aus diesem Höllenloch herauszubringen. Licht blendete mich, als etliche Polizisten uns mit ihren Taschenlampen und gezogenen Waffen entgegenblickten. "Wir sind unbewaffnet, bitte, wir brauchen Hilfe", keuchte ich, als sie uns halfen hinauszuklettern. Sobald wir auf der Lichtung standen, wurden Richy und ich voneinander getrennt. Er sackte zu Boden und ich wurde zur Seite gestoßen. "Sie müssen ihm helfen, bitte!", flehte ich, während ich Hände auf meinem Körper spürte, die mich abtasteten. "Y/N", hörte ich plötzlich einen Mann meinen Namen rufen. Erschrocken fuhr ich herum und sah einen relativ jungen Polizisten auf mich zukommen. Ich hatte ihn zuvor noch nie gesehen, doch ich war mir in diesem Augenblick absolut sicher, dass es sich bei diesem Mann um Alan Bloomgate handelte. Niemand hier hätte mich sonst erkannt, geschweige denn auch nur vermutet, dass ich es war. Er bedeutete dem Polizisten, der mich durchsucht hatte, dass es in Ordnung sei und er ließ von mir ab. "Alan, ich..", stotterte ich. Mir war plötzlich unfassbar schwindelig und ich schwankte gefährlich zur Seite. "Geht es Ihnen gut? Was haben Sie sich nur dabei gedacht?", fragte er mich während er mich von oben bis unten musterte. "Ja.. es ist nur.. ich muss sofort wieder dort hinunter..", stammelte ich und machte auf dem Absatz kehrt um wieder Richtung Luke zu taumeln. "Halt", rief er und packte mich am Arm. "Sie können dort nicht wieder rein, das wäre ihr Tot!". Ich nahm kaum war was er sagte, denn alles woran ich noch denken konnte war, dass Jake vielleicht noch immer dort unten war. Ich versuchte mich loszureißen, doch mir fehlte schlichtweg die Kraft. "Ich.. muss ihn finden..", flüsterte ich. Meine Sicht verschwamm und die Lichter um mich herum verschmolzen zu einem einzigen Fleck, bevor schließlich alles Dunkel wurde. "Jake", war mein letzter Gedanke, bevor ich mit den Knien auf dem Boden aufschlug und das Bewusstsein verlor.
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Duskwood - The things we lost in the fire
FanfictionDiese Geschichte basiert auf dem gleichnamigen Spiel "Duskwood" von Everbyte. Meine Geschichte beginnt im Anschluss an Episode 10. Mir gehören weder die Figuren noch die ursprüngliche Idee des Spiels. Es handelt sich hierbei lediglich um eine Fanfic...