Kapitel 7

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Wir erreichten den Parkplatz am Grimrock etwa zwanzig Minuten später. Im Gegensatz zur vergangenen Nacht, befand sich bis auf mein eigenes, kein einziges Fahrzeug dort. Ich stieg aus und sah mich um. Mein Blick verweilte vermutlich einen Augenblick zu lange auf den Wegweisern, welche in Richtung des Wasserfalls zeigten, denn Jessy lies ihr Fenster herunter und sah mich durchdringend an. "Hey, du machst doch aber jetzt nichts Dummes, oder? Ich denke nicht, dass es dich weiterbringen würde, dorthin zurückzukehren. Vermutlich hat die Polizei alles abgesperrt und du solltest dir wirklich keinen weiteren Ärger einhandeln, YN", meinte sie. Ertappt schüttelte ich den Kopf. Natürlich hatte ich kurz mit dem Gedanken gespielt, doch mir war mittlerweile klar, dass ich dort keine Antworten auf meine Fragen finden würde. Diese Antworten konnten nur Andere mir geben.
"Kannst du die Anderen kontaktieren, Jessy? Und ein Treffen ausmachen? Es ist wirklich wichtig. Ich würde es selbst tun, aber ich sollte mir erst einmal eine Bleibe suchen". Ich hatte mich bereits meinem Auto zugewandt.
"Du weißt, dass du auch jederzeit bei mir unterkommen kannst", entgegnete sie mit einem leicht vorwurfsvollen Unterton in ihrer Stimme. "Ich weiß, aber das wäre keine dauerhafte Lösung. Danke fürs Abholen und Herbringen, Jess", sagte ich ehrlich und lächelte sie an. Ich war wirklich froh, eine Freundin wie Jessy zu haben. "Kein Problem, Y/N. Ich lasse es dich wissen, sobald ich mit den Anderen gesprochen habe. Pass auf dich auf, ja?"
"Du auch, Jessy", antwortete ich ihr bevor ich die Tür meines Wagens öffnete und mich auf den Fahrersitz gleiten ließ. Ich sah zu, wie Jessy davon fuhr und wollte es ihr gleich tun. Den Schlüssel bereits in der Zündung konnte ich mich allerdings nicht dazu durchringen, den Motor anzulassen. Meine Hände begannen zu zittern und meine Lippen bebten als ich, wie bereits zuvor, in den Wald sah. Noch immer konnte ich nicht begreifen, was passiert war und wie alles nur so furchtbar schief gehen konnte. Meine Stirn aufs Lenkrad gelehnt, ließ ich es zu, dass meine Gefühle mich überrannten. Vor Jessy hatte ich versucht, mich so gut es eben ging zusammenzureißen, schließlich wollte ich sie nicht noch mehr beunruhigen. Sie sorgte sich vermutlich schon genug um mich, dabei ging es ihr selbst schlecht. Tiefe Schluchzer entrannen meiner Kehle und ich fühlte, wie meine Atemzüge immer flacher wurden. Ich musste mich zusammenreißen, eine Panikattacke konnte ich in meinem derzeitigen Zustand wirklich nicht gebrauchen. Das Atmen fiel mir auch so schon schwer genug. Ich versuchte mich zu beruhigen und zog mein Handy aus meiner Hosentasche. Mein Akku zeigte mittlerweile nur noch 7% an. Ich öffnete Jakes Chat, doch wie ich es bereits erwartet hatte, war keine neue Nachricht von ihm eingegangen. Auch wenn es sich sinnlos anfühlte, begann ich zu tippen.

JAKE
offline

Jake, wenn du das liest, bitte melde dich bei mir. Ich mache mir große Sorgen um dich und will einfach nur wissen, ob alles in Ordnung ist. Egal, was passiert ist, wir finden eine Lösung. Du fehlst mir..

Eine Weile starrte ich unter Tränen auf den Bildschirm und hoffte, dass er online kam. Als Mein Handy plötzlich ausging, hatte ich auch meinen restlichen Akku verbraucht. Frustriert warf ich das Telefon auf den Beifahrersitz. 
Es war an der Zeit, dass ich zum Motel aufbrach, also sah ich in den Rückspiegel und wischte mir die Tränen mit dem Handrücken aus dem Gesicht. Mein Spiegelbild verriet mir, dass ich genauso aussah, wie ich mich fühlte. Meine Augenlider waren bereits leicht geschwollen, meine Wangen gerötet und meine Augen blutunterlaufen. Ob von den Tränen oder all dem Rauch in der vergangen Nacht, konnte ich nicht sagen. Ich atmete noch einmal tief durch, was mich erneut husten lies, und fuhr dann zurück nach Duskwood.

Am Motel angekommen, traf ich an der Rezeption auf Ms. Walter. Sie war klein, hatte kurze lockige Haare und sah mich durchdringend an, als ich in meinem mitgenommenem Zustand vor ihr stand und sie um ein Zimmer für eine Woche bat. Sie stellte keine Fragen, wofür ich ihr sehr dankbar war, und händigte mir den Schlüssel für Zimmer 14 aus. Ich zahlte bereits im Voraus und bedankte mich bei ihr. Anschließend ging ich zurück zu meinem Wagen, um meine Habseligkeiten aus dem Kofferraum zu holen. Das Wichtigste hatte ich bereits dabei, seit ich aufgebrochen war, um näher an Duskwood zu sein. Vermutlich war mir schon damals klar gewesen, dass ich für ziemlich lange Zeit nicht nach Hause zurückkehren würde.

Das Zimmer war klein, aber relativ gemütlich eingerichtet. Neben dem überraschenderweise großen Bett, gab es außerdem einen kleinen Tisch in der Nähe des Fensters, an dem sich zwei Sessel befanden. Ich stellte meine Taschen aufs Bett und suchte zuallererst mein Ladekabel heraus. Nachdem ich mein Handy zum Laden angeschlossen hatte, begann ich mich ein wenig häuslich einzurichten. Ein paar meiner Kleidungsstücke verstaute ich in der Kommode gegenüber des Bettes. Danach suchte ich mir frische Kleidung und meinen Kosmetikbeutel heraus. Im Krankenhaus hatten sie mich offenbar sauber gemacht, trotzdem konnte ich noch immer den Qualm in meinem Haaren riechen und meine Kleidung war voller Ruß. Abgesehen davon musste ich mir die Ereignisse der letzten 24 Stunden von meinem Körper waschen. Im Badezimmer entledigte ich mich meiner Kleidung und stieg unter den Wasserstrahl. Das warme Wasser war eine Wohltat für meine verspannten Muskeln. Seufzend lehnte ich mich rückwärts an die Wand, während das Wasser minutenlang auf mich einprasselte und ich meinen Gedanken nachhing.

Als ich schließlich zurück ins Zimmer kam, warf ich meine Kleidung direkt in den Mülleimer. Den Geruch würde ich vermutlich nie herauswaschen können, außerdem wollte ich es vermeiden, immer wieder an die Ergebnisse in der Mine erinnert zu werden. Schließlich sah ich auf mein Handy. Jessy hatte mir geschrieben, dass die Anderen bereit waren, sich mit uns zu treffen. Wir würden uns in einer halben Stunde bei Cleo treffen. Sie hatte mir bereits die Adresse geschickt, damit wir uns dort treffen konnten. Lilly würde nicht dabei sein können, da sie und ihre Eltern bei Hannah waren, jedoch würden Dan und Thomas kommen. Ihre Nachricht kam schneller als erwartet und eigentlich schrie mein Körper nach ein wenig Ruhe, doch je früher wir erfuhren, was geschehen war, desto besser. Ich warf einen kurzen Blick in den Spiegel. Meine Haare waren noch feucht, fielen mir aber bereits in Locken auf die Schultern. Ich hatte mich für eine schlichte Jeans und ein einfaches Sweatshirt entschieden. Für Make-Up blieb keine Zeit mehr, doch danach war mir auch nicht, weshalb ich lediglich etwas Mascara auftrug, um etwas wacher auszusehen. Zu guter Letzt zog ich meine Schuhe an, schnappte mir meinen Schlüssel und mein Handy und machte mich auf den Weg, um meine Freunde das erste Mal persönlich zu treffen.

Duskwood - The things we lost in the fire Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt