1 - Die spionierende Katze

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𝔹𝕖 𝕥𝕙𝕖 𝕣𝕖𝕒𝕤𝕠𝕟 𝕤𝕠𝕞𝕖𝕠𝕟𝕖 𝕓𝕖𝕝𝕚𝕖𝕧𝕖𝕤 𝕚𝕟 𝕥𝕙𝕖 𝕘𝕠𝕠𝕕𝕟𝕖𝕤𝕤 𝕠𝕗 𝕡𝕖𝕠𝕡𝕝𝕖

Minerva McGonagall, gerade eine silbern getigerte Katze, beobachtete ganz genau, was sich da auf dem Schulhof vor ihr abspielte. Die Muggel bemerkten sie entweder nicht, oder sie gingen ganz einfach davon aus, dass Katzen niemanden beobachteten - was ja grundsätzlich auch stimmte.

Fast sofort erkannte die Teilzeitkatze das Mädchen, das sie suchte. Nicht, dass sie mit ihren langen Haaren und den stahlgrauen Augen besonders auffällig gewesen wäre, eher im Gegenteil: Obwohl es fast so wirkte, als versuche sie, sich hinter einem schokoladenbraunen Haarvorhang zu verstecken, strahlte sie eindeutig und unverkennbar etwas aus, das sie anders machte. Professor McGonagall konnte zwar nicht genau sagen, worin der Unterschied zu den Muggeln lag, aber er war auf jeden Fall da.

So, wie sie sich verhielt, wollte sie auf keinen Fall wahrgenommen werden. Sie drückte sich fast lautlos zwischen all den lärmenden Schülerinnen und Schülern herum und presste dabei ein dickes Buch an ihre Brust, als wäre es alles, was sie vor diesem ganzen Chaos bewahrte.

Plötzlich stieß jemand gegen sie, sodass sie fast hinfiel. Dieser Jemand, ein riesiger Junge, Typ geh mir aus dem Weg oder du wirst es bereuen, und dazu noch ein ganzer Haufen seiner Freunde, die vom selben Schlag zu sein schienen, wandten sich dem schüchternen Mädchen zu. Dieses machte ein Gesicht, als hätte es dummerweise die Gelegenheit verpasst, sein Testament zu schreiben.

"Morris! Kannst du nicht aufpassen?!", beschwerte sich der Gorilla von einem Jungen bei ihr.

Kurz huschte ein rebellischer Ausdruck über ihr Gesicht, zu recht, wie die Hogwarts-Professorin fand, denn sie hatte ja nichts getan, aber schon nach wenigen Wimpernschlägen verschwand dieser Mut, als wäre er nie da gewesen, und das Mädchen, Lou Morris, murmelte eine kaum verständliche Entschuldigung in Richtung Boden.

Tja, und dorthin wurde sie auch wenig später befördert. Während die wütende Horde noch lachend abzog, seufzte das Mädchen, das da im Staub saß resigniert, ihr Buch immer noch fest umklammert. Ganz klar, so etwas erlebte sie nicht zum ersten Mal. Und dennoch wagte sie nicht, etwas zu unternehmen.

Professor McGonagall überlegte, ob sie wirklich die richtige Wahl war. Ja, was ihre Kenntnisse der Bücher anging, so war sie die naheliegendste Entscheidung und auch hatte sie keine Eltern oder näheren Verwandte, die alles nur verkomplizieren würden - aber wenn sie nicht für sich einstehen konnte, wie sollte sie da die gesamte magische Welt retten können?

Noch während die Verwandlungslehrerin grübelte, stand Lou auf und klopfte sich den Dreck von ihrer Hose. Zielstrebig setzte sie sich in Bewegung, wohin, das war der Beobachterin erst nicht klar. Schnell jedoch erkannte sie, was, oder besser gesagt wer, das Ziel der 16-jährigen war:

Nicht weit weg saß noch jemand am Boden, ein Mädchen von vielleicht sieben Jahren, das weinte. Als sie das ältere Mädchen auf sich zukommen sah, blickte sie verunsichert auf, doch Lou strahlte mit ihrer ganzen Persönlichkeit nichts als Freundlichkeit aus. Sie murmelte dem Mädchen ein paar Worte zu, die Professor McGonagall aus der Entfernung nicht verstand, und, tatsächlich, die Kleine musste ein Lächeln unterdrücken.

Lou half dem Mädchen auf, überreichte ihr in einer völlig selbstverständlichen Geste die Hälfte ihres Pausenbrotes und winkte der jüngeren Schülerin im Weggehen freundlich zu.

Vielleicht, überlegte die ältere Hexe, gab es ja mehrere Arten von Stärke. Vielleicht, nur vielleicht, wurde genau diese Art von Stärke hier gebraucht. Die ruhige, hilfsbereite, freundliche Art. Mit Wasser löschte man Feuer. Möglicherweise war es in diesem Fall nicht klug, gleiche Kräfte zu vergleichen - sondern dem Bösen umso mehr Gutes zu entgegnen.

Obwohl die Hauslehrerin von Gryffindor weitergrübelte, hatte sie sich tief in ihr drin längst entschieden. Dieses Mädchen, Lou Morris, würde sie alle retten. Denn irgendetwas sagte ihr, dass es ganz schön viel Ärger und Zwietracht geben würde, die man mit Herzensgüte und Freundlichkeit unschädlich machen konnte.

Hidden ChangersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt