In einer heißen, schwülen Nacht zu Beginn des Rondra-Mondes schlenderten drei Gestalten, zwei Männer und eine Frau durch die Straßen der alten Stadt Selem an der Mündung des Schlangenflusses. Es hatte geregnet, und selbst um diese Stunde war es noch so warm, dass die Miasmen der Sümpfe vom anderen Ufer über den Fluss hinüberwaberten und das Atmen erschwerten. Man sah den Dreien an, dass sie keine Selemiten waren, sondern aus dem Norden stammten, aber das war in einer so bunten Stadt wie Selem, zumal im Hafenviertel nichts besonderes - unterhielten doch eine ganze Reihe nördlicher Städte Hafenmeistereien in der alten Szinto-Stadt, so dass sogar die kleinen Inseln und Halbinseln im Fluss ihre Namen nach jenen Städten erhalten hatten.
Eben verließen die drei Neu-Zorgan und wanden sich nach Norden, auf einer engen Straße zwischen hohen Lagerhäusern hindurch. Der Mann in der Mitte, der etwas größer war als die beiden anderen, war ganz in schwarz gekleidet und nicht ohne eine gewisse Eleganz: Stiefel, enge Kniehosen, ein knielanger Gehrock mit bestickten Umschlägen an den Ärmeln, den er wegen der Hitze offen trug. Nur das spitzenbesetzte Hemd war weiß und leuchtete in der Dunkelheit. Auf dem Kopf trug er einen schwarzen Dreispitz. Der Mann rechts von ihm war etwas kleiner, breiter gebaut und trug ebenfalls prächtige, wenngleich nicht ganz zusammenpassende Kleidung. Die weite tulamidische Hose hatte er in die Stiefel gesteckt, darüber trug er einen dunkelroten, goldbestickten Rock aus dem Mittelreich und einen schwarzen Federhut im brabacker Stil. Bei der Frau handelte es sich ganz offensichtlich um eine Nivesin, wie das rote Haar und die schrägen grünen Augen verrieten. Sie trug ebenfalls einen Gehrock, Hosen und Stiefel, allerdings schien sie im Gegensatz zu den zwei Männern keinen großen Wert auf ihr Äußeres zu legen.
Alle drei waren bewaffnet mit langen Säbeln, was man ihnen auch geraten haben mochte, denn der Selemer Hafen war keine Gegend, wo wohlhabende Menschen nachts unbeschadet spazierengehen mochten - obzwar: Es gab weit schlimmere Viertel in der Szinto-Stadt.
„Es wird Zeit, dass wir diese Stadt verlassen. Man kann ja kaum atmen in diesem Drecksnest." Der Schwarzgekleidete seufzte leicht.
„Recht hast du, Käptn. Aber es war deine Entscheidung, hier Proviant aufzunehmen, nicht?" Der Rotgekleidete warf beim Gehen einen Blick auf seinen Gefährten.
Der Angesprochene zuckte die Achseln: „Nun ja. Es gibt wohl kaum einen sichereren Hafen in der Gegend hier..." Er grinste und ergänzte: „... für uns."
Der Rote grinste zurück. „Wie du meinst." Die Frau warf ihm einen raschen Blick zu, sah aber dann wieder nach vorne und schwieg. Suchend glitt ihr Blick über die Lagerhäuser, die im Dunkeln lagen.
Der kleinere der Männer nahm den Faden wieder auf. „Eigentlich wär'n wir ja schon auf dem Weg nach Sylla, wenn uns nicht der dreimal verfluchte Kerl mit seinem verdorbenen Fleisch betrogen hätte. Was hast'n mit ihm gemacht Käptn? Hast du ihn sein verdorbenes Zeugs fressen lassen, oder was?"
Der Schwarzgekleidete lachte. „Alle sechs Fässer, Rorke, aber erst, nachdem er sie ersetzt hatte. Von dem Geld, was er mir übrigens unbedingt zurückzahlen wollte, habe ich euch heute abend eingeladen."
Jetzt mischte sich die Frau ein: „Du hättest ihn umbringen sollen. Wer uns betrügen will, soll keine Gelegenheit mehr krieg'n, irgendwas zu fressen." Ihre grünen Augen funkelten bedrohlich.
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Perlenmeer Teil 2: Efferd
مغامرةSoll man einem nachweislich schuldigen, zum Tode verurteilten Verbrecher das Leben retten, wenn man die Gelegenheit dazu erhält? Mit dieser Frage mussten sich einst zwei junge Rollenspielerinnen auseinandersetzen. Sie bildete den Kern eines kleinen...