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Er wusste nicht, wie lange er geschlafen hatte, aber als er erwachte, hatte er den Eindruck, wieder klar denken zu können, vielleicht klarer als je zuvor. Er fühlte sich steif vom Liegen, die Haut auf seinem Rücken spannte von den vielen Blutkrusten, aber er fühlte kaum mehr Schmerzen. Er versuchte, sich aufzusetzen, was ihm mit einiger Mühe gelang. Es musste eine recht starke Medizin gewesen sein, sicherlich nicht billig. Er erinnerte sich an die Worte des Heilers und fand tatsächlich einen Krug mit Wasser, einen Becher und eine Schale mit Reis und irgendeiner Soße. Zum Glück hatte man auch eine Öllampe stehen gelassen, so dass es nicht mehr völlig finster war. Er stillte seinen Durst und Hunger – erstaunlich, dass er schon wieder so etwas wie Hunger hatte – und ließ sich dann wieder auf das Lager sinken. Warten. Viel mehr konnte er nicht tun, da sein rechter Arm immer noch mit einer Kette an der Wand angeschlossen war. Er konnte überhaupt nicht mehr einschätzen, ob es Tag oder Nacht war oder wie lange es dauern mochte, bis jemand kam um nach ihm zu sehen. Seit er ein Kind gewesen war, hatte ihn niemand mehr eingesperrt, und dieses stille Ausharren, die Notwendigkeit, sich in sein Schicksal zu ergeben, widersprach seiner Natur.


Zudem fürchtete er sich davor, dass die Bilder und Erinnerungen aus seinen Fieberträumen ihn erneut heimsuchen könnten. Götter! Was waren das für Träume gewesen! Er fuhr sich mit der Hand über die Augen, um die Erinnerungen wegzuwischen. Würde er erst nachdenken, sich erinnern, gab es noch viel mehr, dass wie ein dunkles Ungeheuer in ihm schlief und sich an die Oberfläche drängen mochte, um ihn zu verschlingen. Verdammt! Ein Mensch wie er konnte sich keine Sentimentalitäten leisten. Falls sich ihm noch eine Gelegenheit zur Flucht bot, würde er sie ergreifen, falls nicht, so wollte er seinen Henkern ins Gesicht lachen.


Als er die Riegel an der Tür hörte, richtete er sich hastig auf, unterdrückte den Schmerz, mit dem sein verheilender Rücken gegen die abrupte Bewegung protestierte, stütze sich lässig auf einen Arm und schlug die Beine übereinander. Als die Tür sich öffnete, setzte er ein amüsiertes Grinsen auf.


In der Öffnung erschien ein bewaffneter Mann im Lederwams, eine Armbrust drohend auf ihn gerichtet. An ihm vorbei schob sich der Medicus, der Armbrust einen ärgerlichen Blick zuwerfend. Dann musterte er kritisch seinen Patienten.


Der begrüßte ihn mit einem Kopfnicken und einer kleinen Handbewegung: „Ah, welche Freude, gelehrter Herr. Verzeiht bitte, dass ich mich nicht erhebe, aber leider bin ich momentan ... hm ... verhindert."


„Soso," knurrte der alte Tulamide. „Wie ich sehe, geht es euch schon viel besser."


„Aber nur dank eurer freundlichen Bemühungen von... war es gestern, ja? Ich hoffe, man zahlt euch einen angemessenen Preis für euer Heilmittel."


„Das lasst ruhig meine Sorge sein. Lasst sehen, wie euer Rücken aussieht.." Damit schlurfte der Alte näher.


„Vorsicht, Herr," rief der Wächter mit der Armbrust auf tulamidisch. „Er könnte euch packen."


„Blödsinn." knurrte der Heiler und trat an den Gefangenen heran. „Los, zeigt euren Rücken."


„Oh, er hat Recht," widersprach der Schwarze Korsar, während er sich zur Wand drehte. „Hat man euch nicht vor mir gewarnt?"


„Pah! Kokettiert nicht mit eueren Verbrechen. Das macht keinen Eindruck auf mich. Euer Rücken sieht gut aus; Hm, keine Entzündung mehr. Naja, meinetwegen trinkt das noch, es ist bezahlt." Damit reichte er ihm ein weiteres Fläschchen.


Der Gefangene nahm es lächelnd an. „Ich bin euch sehr verbunden, auch wenn es jemand anderer bezahlt hat. Wisst ihr, wann man gedenkt, mich nach Khunchom zu verschiffen?"


Der Arzt zögerte kurz, dann antwortete er: „Ach, warum soll ich's euch nicht sagen: Übermorgen früh sticht ein Schiff in See. Auf dem werdet ihr mitfahren."


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Perlenmeer Teil 2: EfferdWo Geschichten leben. Entdecke jetzt