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„Also, langsam denk' ich, dass wir uns gestern Abend getäuscht haben," seufzte Farline. „Hier ist nirgendwo irgendwas, das auch nur entfernt an Menschen erinnert!"

Schon seit Stunden quälten sie sich nun erfolglos durch das dichte Grün. Die Insekten zerstachen ihnen die Haut, scharfe Blätter schlitzten ihnen Arme und Hände auf, die heiße, feuchte Luft hatte ihre Haut mit einem klebrigen Schweißfilm überzogen. Farline war mit dem Kopf gegen den Körper einer Schlange gestoßen, die träge, wie eine Luftwurzel von einem Baum herunter gehangen hatte und beide hatten sich tödlich erschreckt, als ein gut sechs Schritt langer Waran sich vor ihnen aus dem Dickicht geschoben hatte. Dies hatte ihnen schmerzlich bewusst gemacht, wie wenig sie sich in diesem fremden Wald mit seinen fremden Pflanzen und Tieren auskannten und wie wehrlos sie waren, ganz ohne ihre Waffen. Es war ja auch nicht möglich, sich rasch zu bewegen, zu dicht standen die Pflanzen.

Einmal waren sie an einem Wasserlauf vorbei gekommen, aber er war braun und schlammig und völlig undurchsichtig, so dass sie nicht gewagt hatten, Hand oder Fuß hineinzutauchen, aus Furcht, irgend etwas könnte aus der braunen Tiefe auftauchen und nach ihnen schnappen.

„Wir haben uns nicht getäuscht," knurrte Froboscha, und erschlug eine drei Finger breite Mücke auf ihrem Unterarm. Zurück blieb ein roter Fleck voll von Blut. „Aber wie soll man hier irgend etwas finden! Wahrscheinlich gehen wir sowieso schon zum dritten Mal im Kreis. Sag mal..." Sie blickte nach oben, wo unendlich weit über ihnen ein bisschen Himmel durch das grüne Laub schimmerte. „...Ich glaub' es wird schon wieder dunkel!"

„Was?" stöhnte Farline. „Dann lass uns bloß sehen, dass wir hier heraus kommen. Entweder, wir schlafen oben auf dem Berg, wie letzte Nacht, oder wir versuchen den Strand wieder zu finden. Hier im Wald übernachte ich jedenfalls nicht, mit all' den Schlangen und Echsen."

„Und wo bitte geht es von hier aus zum Berg? Ich kann nicht einmal erkennen, dass es irgendwo ansteigt. Außerdem brauche ich dringend etwas zu trinken." brummte Froboscha missgelaunt. Fast alle Pflanzen um sie herum überragten sie, so dass sie sich überhaupt nicht orientieren konnte.

„Ich glaube, da vorne ist so etwas wie ein Teich oder ein Flussarm. Komm Froboscha! Da können wir trinken und vielleicht noch eine von den Kokosnüssen essen. Und dann folgen wir dem Bach entweder bergauf oder bergab. So groß sah die Insel schließlich gar nicht aus."

Als sie sich nach kurzer Rast erneut auf den Weg machten, dämmerte es tatsächlich schon. Unter dem dichten Blätterdach, das ohnehin nicht viel Licht durchließ, wurde es rasch dunkel. Sie entschieden sich, dem Lauf des Baches stromabwärts zu folgen in der Hoffnung, recht bald auf den Strand zu stoßen.

In der zunehmenden Dunkelheit wurde es immer schwieriger, sich zu orientieren. Lediglich an der Stelle, wo der Bach verlief, standen die Bäume geringfügig weiter auseinander, und es drang ein wenig vom Licht des Madamals durch das Geäst und spiegelte sich silbrig auf der sich leicht kräuselnden Wasseroberfläche. An diesen schimmernden Flecken in der Dunkelheit orientierten sich die beiden Gefährtinnen, während sie sich zwischen dicken Baumstämmen und scharfkantigen Blättern vorwärts tasteten. Plötzlich stutzte Farline, die voranging, und blieb abrupt stehen, so dass Froboscha von hinten gegen sie stieß.

„He! Was ist denn los?" polterte sie verärgert.

„Ich... ich weiß nicht..." Farlines Stimme klang mit einem Mal ganz dünn und kindlich. „Hier ist etwas... etwas Komisches. Der Baum fühlt sich anders an... und... da ist etwas Feuchtes an meiner Hand..."

„Na und?" Froboscha hatte keinen Sinn mehr für komische Bäume. Sie wollte aus dem Wald heraus, und zwar so schnell wie möglich.

„Froboscha!" Farlines Stimme klang wie ein Hilferuf. Sie war näher an den Bach herangetreten, und hielt ihre Hand ins sanfte Licht des Madamals. „Kuck doch mal, bitte... ich glaube, d-d-das... das ist Blut..."

Perlenmeer Teil 2: EfferdWo Geschichten leben. Entdecke jetzt