* 3 *

30 6 0
                                    

Ein schneidender Schmerz riss den Gefangenen aus seiner Ohnmacht. Er brauchte einige Augenblicke, bis er sich klar darüber geworden war, wo und in welcher Lage er sich befand. Und schon wieder traf ihn die beißende Schärfe, riss ihm die Haut seines Rückens auf. Ein tiefes Stöhnen entrang sich seiner Brust. Er realisierte, dass man ihn erneut gefesselt hatte. Diesmal hatte man metallene Schellen um seine Handgelenke geschlossen und mit einer Kette verbunden. Diese wiederum war durch einen Ring gezogen, der oben in der Wand befestigt war, an dem man seinen kraftlosen Körper quasi aufgehängt hatte. Von hinten saugte sich erneut das geschmeidige Leder einer Peitschenschnur an seinem Rücken fest, und ließ ein weiteres Stück Haut aufplatzen. Er stöhnte lauter - es war unmöglich, es zu unterdrücken.

„Ah! Bist du endlich wach, du Hund?" Er kannte die Stimme in seinem Rücken nicht, verstand auch kaum, was sie sagte, denn das Garethi hatte einen sehr starken Akzent. Aber das, was sein Peiniger tat, war nicht misszuverstehen: Schon folgte der nächste, klatschende Schlag der Peitsche.

Der Körper des Gefangenen krümmte sich unter dem Schlag. „Was wollt ihr von mir? Wer seid ihr?" stöhnte er.

„Wer ich bin? Nur ein Mann, dessen einziger Bruder bei einem Piratenangriff ermordet wurde. Ob du das warst, du Sohn einer Hure, weiß ich nicht, es ist mir auch egal."

Und dann ging der nächste, pfeifende Schlag auf die nackte Haut des Rückens nieder, bevor der Mann weitersprach:

„Und was ich will? Ich will dich leiden sehen!"

Der nächste Schlag ging nieder, und eine weitere, blutige Strieme bedeckte den Rücken des Gefangenen. Der Mann war jung und gesund, er konnte eine Menge Schläge aushalten, bevor eine gnädige Ohnmacht ihn erlösen würde. Der Tulamide schlug wieder zu. Und wieder, und immer wieder.

„Was ist hier los?"

Der Tulamide mit der Peitsche, der bereits zum nächsten Schlag ausgeholt hatte, hielt inne. „Herr..." stammelte er in Selemja.

In der Tür stand ein vornehm gekleideter Herr mittleren Alters. Seine olivfarbene Haut war von tiefen Falten durchzogen und sein schwarzes Haar bereits mit vielen silbrigen Fäden vermischt. Er trug einen mitternachtsblauen Kaftan, der kunstvoll mit Gold bestickt war. Um den Kopf hatte er ein weißes Tuch geschlungen, das vorne mit einer Agraffe befestigt war. Seine Stimme war ruhig und leise, drückte aber deutliches Missfallen aus.

„Willst du den Mann erschlagen? Ich kann mich nicht erinnern, ähnlichlautende Befehle gegeben zu haben."

Der Tulamide keuchte vor Zorn. „Er hat versucht, zu fliehen. Er hat einen unserer Männer getötet und einen zweiten schwer verletzt. Es ist gerecht, wenn er beginnt, seine Verbrechen zu büßen."

„Das hast du nicht zu entscheiden. Mach ihn los."

„Herr!"

„Ich sagte, mach ihn los."

Der Tulamide schnaubte, ließ die Peitsche fallen und näherte sich dem Gefangenen. Mit einem Schlüssel öffnete er die eine Schelle und ließ die Kette durch den Ring gleiten. Der Verwundete sackte an der Wand hinunter zu Boden.

„Legt ihn auf das Lager, und befestigt die Kette dort. Er soll nicht entkommen."

Gemeinsam mit einem anderen Mann packte der Tulamide den Gefangenen an den Oberarmen, zog ihn hoch und schleifte ihn zum Lager hinüber. Die eine Schelle blieb an seinem rechten Arm befestigt, das andere Ende der Kette wurde an einem weiteren Ring in der Wand angeschlossen. Nachdem so ein neuerlicher Fluchtversuch vereitelt war, trat der Mann im Kaftan an das Lager heran.

„Ich werde einen Medicus kommen lassen," sagte er leise auf Garethi. „Ich will nicht, dass du mir am Fieber stirbst."

„Warum nicht?" presste der Gefangene zwischen den Zähnen hervor. „Was wollt ihr von mir?"

Der Ältere hatte sich hinunterbeugen müssen, um den Gefangenen verstehen zu können. Jetzt nickte er gelassen. „Du bist der Schwarze Korsar. Und der Großfürst von Khunchom will dich haben - unbedingt. Ich werde dich dem Großfürsten überstellen".

Der Gefangene stieß stoßweise die Luft aus. Es war hab Stöhnen, halb Lachen. „Was zahlt er euch für mich? Ich biete euch doppelt so viel."

Der Mann im Kaftan schüttelte den Kopf. „Was er mir zahlt, könnt ihr nicht überbieten. Ich bin Gesandter des Großfürsten in Selem. Schon seit fünf Götterläufen. Fünf Götterläufe halte ich es schon in dieser elenden, sumpfigen Stadt aus und warte, dass man mich zurückruft und mir meine Vergehen verzeiht, um deretwillen ich hierher versetzt wurde. Ihr, versteht ihr: Ihr werdet meine Rückfahrkarte nach Khunchom sein."

* * *

Perlenmeer Teil 2: EfferdWo Geschichten leben. Entdecke jetzt