Farline war es auch, die ihm am nächsten Tag sein Essen brachte - leider wieder nur Zwieback und Wasser, was sie anscheinend für die passende Kost für einen Gefangenen hielt. Er begrüßte sie dennoch mit uneingeschränkter Freude.
„Ah, Farline, meine freundliche Gefangenenwärterin. Schön, dass ihr mir wieder die Ehre gebt."
„Ich bring' nur das Essen." Sie wirkte diesmal weniger scheu und etwas selbstbewusster, als sie ihm den Teller und den Krug hinstellte.
„Möge Travia es euch vergelten. ...Sagt...," fügte er hinzu, bevor sie sich gleich wieder umwenden und gehen konnte, „...habt ihr euch eigentlich freiwillig dafür gemeldet, oder überlässt euch eure Gefährtin immer den Hauptteil der Arbeit?"
Farline zeigte zum ersten Mal den Hauch eines Lächelns. Dann schüttelte sie den Kopf.
„Sie ist krank," vertraute sie ihm an. „Die Seekrankheit. Es geht ihr sehr schlecht... der Armen."
Er seufzte mitfühlend. „Ja - das geht vielen so. Und, so weit ich weiß, vertragen Zwerge den Seegang oft noch schlechter als Menschen. Aber manchmal legt sich das nach ein paar Tagen - wenn man sich daran gewöhnt hat...."
„Hoffentlich," stimmte sie zu.
„... aber es ist ja nicht sehr weit bis Khunchom..." setzte er vorsichtig hinzu.
„Nein. Aber wir fahren ja noch weiter. Bis Perrikum... ja... bis heute abend dann...." Sie machte Anstalten zu gehen.
„Es ist ja sehr ungewöhnlich, dass ein junges Mädchen wie ihr mit einer Zwergin durch die Lande zieht...," nahm er hastig den Faden wieder auf.
„Vielleicht..." sie zögerte.
„Wie habt ihr sie nur kennengelernt?" Er hinderte sie weiter daran, zu gehen.
Sie legte den Kopf schief, und musterte ihn abschätzend. „Ihr versucht, mich auszufragen."
„Ihr interessiert mich eben. Verzeiht meine Neugier," entschuldigte er sich. „Außerdem...," fuhr er mit entwaffnender Offenheit fort, „...sind meine Tage hier sehr eintönig, wisst ihr? Da ist der Besuch eines hübschen jungen Mädchens nun einmal der einzige Lichtblick."
Sie wurde wieder rot. „Ach so... ja... also, wir haben uns zufällig getroffen, oben in Trallop. Seitdem haben wir einiges zusammen erlebt, und ein bisschen Dinge zusammen erledigt... ja, und wir vertragen uns eigentlich ganz gut."
„Trallop!" Er staunte. „Das ist doch ziemlich weit im Norden. Nicht, dass ich schon mal dort gewesen wäre..."
„Ja," nickte sie stolz. „Ich sagte doch schon, dass ich weit 'rumgekommen bin."
„In der Tat," stimmte er zu. „ ... und diese Dinge... das waren vermutlich Dinge... wie ich?" Er grinste schief.
Sie lachte leicht verlegen und zuckte die Achseln. „Ach, das war so dies und das. Was sich so ergeben hat."
„Dann seid ihr wohl eine Art Söldner?" Er lächelte unverwandt harmlos, war aber innerlich angespannt. Vielleicht konnte er ihr Geld bieten.
Sie protestierte entrüstet. „Wir sind doch keine Söldner. Nein, wo denkt ihr hin. Wir machen, was wir wollen und wozu wir Lust haben."
„Beneidenswert," seufzte er. „Und nun habt ihr also Lust, nach Perrikum zu fahren."
Sie zuckte wieder die Achseln. „ Kann man so sagen. Nun muss ich aber nach Froboscha sehen. Ich sagte ja schon, dass sie krank ist..." Sie bückte sich, um Teller und Krug vom Vortag aufzuheben. „Bis heute abend." Damit kletterte sie balancierend die steile Stiege hinauf.
„Gehabt euch wohl und grüßt eure Gefährtin," rief er ihr nach.
* * *
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Perlenmeer Teil 2: Efferd
AdventureSoll man einem nachweislich schuldigen, zum Tode verurteilten Verbrecher das Leben retten, wenn man die Gelegenheit dazu erhält? Mit dieser Frage mussten sich einst zwei junge Rollenspielerinnen auseinandersetzen. Sie bildete den Kern eines kleinen...