Kapitel 15: über Leichen gehen

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Vinda erwartete mich bei meiner Rückkehr bereits. Selten hatte ich weniger Lust auf sie gehabt als jetzt. Am liebsten hätte ich sie angebrüllt, meinen Ärger an ihr ausgelassen, aber ich riss mich zusammen. „Was gibt es?", wollte ich schroff von ihr wissen. Vinda sah mich erstaunt an. Schon beim letzten Mal, als ich mich mit Albus getroffen und dann zurückgekommen war, hatte sie viel mehr bemerkt, als ich beabsichtigt hatte.

„Ich dachte, ich begrüße dich", antwortete sie, immer noch selbstsicher. Ich sollte mich zusammennehmen, um keinen Verdacht aufkommen zu lassen.

Ich rang mir ein Lächeln ab. „Natürlich, du hast Recht, Vinda. Ich bin ein wenig erschöpft." Entschuldigend ging ich auf sie zu und zog sie zu mir, um sie zu küssen. Sie wirkte ein wenig besänftigt, merkte selbstverständlich aber, dass nicht alles in Ordnung war. Sie war nicht dumm.

„Dann lasse ich dich jetzt erst einmal allein", informierte sie mich, als sie sich von mir löste. Sie hoffte darauf, dass ich einlenkte, aber das tat ich nicht. Ich nickte. „Wir sehen uns später." Mit diesen Worten ließ ich sie im Gang stehen und machte mich auf den Weg zu meinem Gemach, wo ich endlich genug Ruhe haben würde, um nachzudenken. Das war jetzt dringend notwendig, so aufgewühlt wie ich war.

Nächtelang lag ich wach und dachte über das Geschehene nach. Es hatte mich verunsichert und meine Zuversicht ein wenig ins Wanken gebracht, Albus zu treffen, aber völlig umsonst war es nicht gewesen. Immerhin wusste ich jetzt sicher, wie er zu mir und unserer Vergangenheit stand. Er verleugnete sie nicht, gestand sich Fehler ein, die meiner Meinung nach keine Fehler gewesen waren. Aber er hatte damit abgeschlossen, das war ihm anzusehen gewesen. Er hatte sich von mir losgelöst und ich hasste das. Er sah mich spätestens jetzt auch als das herzlose Monster, so wie es alle anderen taten. Der Unterschied war, dass mich dieses Wissen bei anderen absolut kalt ließ.

Ich hatte lange das Gefühl gehabt, dass Albus der einzige Mensch gewesen war, der mich jemals verstanden hatte; dem ich hatte alles erzählen können, ohne sofort dafür verurteilt zu werden. Nun war selbst das verloren. Er war mit mir fertig und das hatte er mir mehr als deutlich mitgeteilt und sein Verhalten bestätigte diese Aussage zusätzlich. Er war distanziert gewesen, kalt und hatte sich selbst beinahe vollkommen unter Kontrolle gehabt. Selbst mit meinen altbewährten Mitteln hatte ich ihn nicht aus dem Konzept bringen können, er dafür mich umso mehr.

Es war vorbei, das war meine eigene Schuld und es war Zeit, das zu akzeptieren. Ich würde dieses Kapitel nun endgültig hinter mir lassen, mich nun auf meine Pläne zu konzentrieren und sollte Albus sich mir erneut in den Weg stellen, würde er sehen, was er davon hatte. Die Zeit war reif und der Krieg war nah.

Der nächste Schritt auf diesem Weg war natürlich, den Vorfall mit Isaac so weit wie möglich in der Öffentlichkeit breitzutreten und meinen Nutzen daraus zu schlagen. Die Botschaft war klar: die Muggel waren gefährlich und griffen ohne Grund Unschuldige, ja, sogar Kinder, an, ohne Rücksicht auf Verluste. Isaac hätte durchaus sterben können und ich würde dafür sorgen, dass die Leute das im Hinterkopf behielten. Er würde nicht das letzte Opfer gewesen sein. Die Menschen mussten verstehen, dass es an der Zeit war, sich zu wehren, mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln.

Die Sonne ging gerade über den Bergen auf, mein Treffen mit Albus lag drei Tage zurück und bereits jetzt fühlte es sich an, als wären es Wochen gewesen, weil ich mich mit aller Kraft davon abgelenkt hatte und dass wir unserem Ziel bereits nähergekommen waren, wurde mir bewusst, als ich einen kurzen Zeitungsartikel überflog.

Die Vorfälle der letzten Wochen – allen voran die Sache mit Isaac – hatten Angst und Furcht in der Zauberer-Gemeinschaft verbreitet. Wie so oft, versuchte man jetzt, das Geschehene herunterzuspielen, um die Emotionen nicht weiter hochkochen zu lassen. Natürlich hatte man dafür niemand Geringeren als Albus Dumbledore herangeholt, der immer die richtigen Worte fand, um alle zu beruhigen und Zuversicht zu säen.

Phönixasche (Grindeldore)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt