Kapitel 40: Siege

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„Gellert, ich möchte das nicht. Gibt es denn keinen anderen Weg?" Albus' Gesichtsausdruck war flehend und ich konnte seine Emotionen und seine Angst verstehen, beinahe in mir fühlen. Ich legte vorsichtig meine Hand an die Wange meines Liebsten. „Albus, wir haben alles gedreht und gewendet", flüsterte ich und unterdrückte einen erneuten Anflug von Verbitterung. „Wir haben keine Wahl."

Albus nickte, sah mich aus seinen blauen Augen wehleidig an.

„Damit ist es doch nicht vorbei, mein Liebling. Wir sehen uns immer noch, es wird fast sein wie früher."

Albus schüttelte den Kopf und unterbrach damit meinen Versuch, ihn aufzumuntern.

„Nichts wird sein wie früher und das weißt du auch. Lüge dich nicht selbst an, Gellert. Wir beide wissen, dass du in dieser Zelle sterben wirst, du wirst sie nie mehr verlassen und ich muss dabei zusehen!"

„Es ist Zeit, dass ich die Rechnung für meine Taten zahle. Ich bereue weder meine Motive, noch die Opfer, die ich bringen musste. Aber ich bereue, dass ich dich verlassen habe, denn ich weiß, wenn ich geblieben wäre, hätten wir einen anderen Weg gefunden. Wenn ich das eher eingesehen hätte, wäre vielleicht alles anders gekommen. Aber es bringt uns nichts, unsere Zeit mit solchen Fragestellungen und möglichen Szenarien zu verschwenden. Lass uns die Zeit, die wir jetzt noch gemeinsam hier draußen haben, genießen. Lass uns so tun als würde uns die Ewigkeit gehören, ja?" Albus lächelte traurig, wischte sich mit seinem Hemdärmel kurz über seine Wange und nickte dann. „Einverstanden."

Die Stunden und Tage, die folgten, erfüllten mein Herz. In eine Decke gewickelt saßen wir vor dem prasselnden Kaminfeuer, während draußen die Welt unterzugehen schien. Die Regentropfen donnerten gegen die Scheiben, rannen herab an dem Fenster und verbargen die Sicht auf die grauen Wolken, die am Himmel hingen. Wir unterhielten uns, teilten Gedanken, erinnerten uns gemeinsam an längst vergessene Zeiten; lachten und weinten und vergaßen für einige Momente, was hinter den verregneten Scheiben in der Welt auf uns wartete.

„Weißt du", setzte Albus schließlich an, ich wandte ihm neugierig mein Gesicht zu. „Das hier ist das perfekte Ende unserer Geschichte."

„Das ist nicht das Ende unserer Geschichte", stellte ich klar, doch Albus hörte mir nicht zu.

„Erinnerst du dich noch?", fragte er leise und ich wusste sofort, worauf er hinauswollte.

„Als wäre es gestern gewesen", erwiderte ich flüsternd und lächelte. Vor meinem inneren Auge sah ich mich selbst als Junge am Fenster lehnend und auf die verregnete Straße schauend, dem Jungen hinterher, der schnellen Schrittes die Straße überquerte und in seinem Haus verschwand.

„Der Regen an diesem Tag hat Bathildas Tee noch besser schmecken lassen als sonst", erinnerte ich mich.

„Und wie du versucht hast, mich zu provozieren und aus der Fassung zu bringen. Bathildas Blick hätte töten können!" Albus lachte.

„Ich hätte nicht gedacht, dass unser Weg so aussehen würde", gab ich gedankenverloren zu. „Aber deine Art und Weise, auf die Welt zu schauen, hat mich jeden Tag mehr fasziniert. Alle anderen Menschen um mich herum waren so oberflächlich. Niemandem war es wert, Zeit zu investieren, um unter die Oberfläche eines Menschen zu sehen, bis auf dich, du hast dir die Zeit genommen."

„Ich wollte sehen, was hinter dem selbstbewussten und verschlossenen Jungen steckte, der sich, nach außen hin, gab wie ein gefühlskaltes Arschloch."

„Das ist dir gelungen", stellte ich fest und lächelte. „Unter anderem dank Bathilda. Sie hatte ein Gespür dafür."

Albus nickte. „Und wie! Ich glaube sie hat eher gemerkt, was läuft als wir selbst."

Phönixasche (Grindeldore)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt