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02.02.2006
Von Stunde zu Stunde hatte Jareds Gesicht mehr Blässe erhalten und es tat mir körperlich, sowie seelisch weh, ihn so zu sehen. Insbesondere weil ich der Grund dafür war. Diese Nacht war schlimmer als die letzte und auch Jared schien nicht viel Ruhe abbekommen zu haben. Die Kratzer waren bereits verschwunden, aber tiefe Augenringe und eine ungesunde Blässe zierte an diesem Donnerstag sein Gesicht. Zudem suchte er weniger Körpernähe als sonst zu mir. Doch war das kein Wunde, denn ich trug die Schuld daran. Schließlich konnte ich nicht den Mund aufmachen.
Vor allem beim Sportunterricht fiel mir auf, wie unkonzentriert er war. Dabei hatte ich mich gefreut, endlich wieder eine Schulstunde mit ihm zu verbringen. Mehrfach verpasste er seinen Einsatz und wurde von Coach Hill angepfiffen. Unsere Mitschüler tuschelten hinter vorgehaltener Hand und nicht wenige Blicke galten auch mir. Aber ich schaffte es, mich davon nicht runterkriegen zu lassen. Pauls Nähe half mir dabei – wer hätte das jemals gedacht?Zum Ende der Stunde teilten wir uns in zwei Teams auf und spielten mehrere Runden Dodgeball. Jared war im gegnerischen Team, während Paul auf der gleichen Spielhälfte stand, wie ich. Dass ich das Spiel nicht mochte, wäre für niemanden eine Überraschung, der mich länger als einen Tag kannte. Für mich war das ein sinnloses Bewerfen von Bällen und ich war vollauf darauf konzentriert dem feindlichen Geschoss auszuweichen, als das ich etwas warf.
Das laute Quietschen unserer Turnschuhe, die Rufe meiner Mitschüler und das Knallen der Bälle auf dem Boden hallten unentwegt durch die Turnhalle. Zwischenzeitlich ertönte die Pfeife vom Coach mit darauffolgenden gebrüllten Anweisungen.
Es kam wie, es kommen musste. Dass es erst in der letzten Runde geschah, glich glatt einem Wunder. Ein Ball flog auf mich zu. Wie ein Reh im Scheinwerferlicht stand ich da. Erstarrt und gleichzeitig resigniert. Dann ließ ich mich eben treffen. Eine große Hilfe für das Team war ich eh nicht. Ich sah, wie der Ball auf mich zukam und erst als jemand meinen Namen rief, bemerkte ich, in was für eine bahnbrechende Geschwindigkeit er auf mich zu flog.
„Kim!"
Oh.
Mit einem Mal lag ich auf dem Boden. Mein schweißbedeckter Rücken schmerzte leicht durch den unerwarteten Aufprall. Blinzelnd versuchte ich zu verstehen, was passiert war. Da war ein Ball gewesen. Der auf mich zuflog. Und jetzt lag ich hier. Und Paul war über mir. Besorgt sah er mich an.
„Bist du okay?", fragte er und scannte meinen Körper ab.
„J-Ja." Glaubte ich zumindest. Aber abgesehen von den leichten Rückenschmerzen ging es mir gut. Wir setzten uns auf und während Paul mich weiterhin nicht aus den Augen ließ, bemerkte ich, wie sich eine Traube an Schüler um uns sammelte. Sie fragten und sagten etwas, aber ich hörte es nicht. Meiner Aufmerksamkeit galt dem Jungen, der am Rande der Menge war.Jared stand erstarrt da und sah mit geweiteten Augen zu mir. Sein Brustkorb hob und senkte sich viel zu schnell. Seine Lippen bewegten sich, aber kein Ton kam heraus.
Paul half mir, dabei aufzustehen. Der Couch pfiff und beendete den Unterricht, woraufhin sich die Traube um uns herum auflöste und in Richtung der Umkleidekabinen verschwand.„Und dir gehts wirklich gut?", hackte Paul nach.
Abermals nickte ich. Der Rücken pochte nur noch ganz wenig und außer einem blauen Fleck würde morgen nichts zu mehr zu spüren sein. „Ja. Aber was ist eigentlich passiert?"
Er knurrte auf. Den kurzen Blick, den er Jared zuwarf, blieb mir nicht verborgen.
„Hmh?", fragte ich nach.
„Es ist meine Schuld", murmelte Jared mit bleicher Miene. Seine Hände zitterten und weiterhin hob sich sein Brustkorb in einem ungesunden Tempo.
„Wie meinst du das?", fragte ich und ging zu ihm. Ich ergriff nach seiner Hand und erschrak, denn sie war viel kühler, als sonst. Noch immer wärmer als die von anderen, aber eben nicht seine typische Hitze.
„Ich war abgelenkt und hab den Ball geworfen. Ich hab nicht gesehen, dass er dich treffen wird." Er hielt seinen Kopf gesenkt. „Es tut mir leid, Kim", presste er hervor.
Ich drückte seine Hand, aber als er nicht reagierte, schlang ich meine Arme um ihn. Augenblicklich erwiderte er die Umarmung und presste mich eng an sich. Er nahm einen tiefen Atemzug. Ich erschrak, als ich hörte, in was für einen Tempo sein Herz schlug.
„Ist schon okay."
Ich spürte, wie er den Kopf schüttelte.
„Nein, ist es nicht. Sowas darf nicht passieren. Nur dank Paul hat der Ball dich nicht getroffen. Wäre er nicht gewesen, dann ... dann ...", stockte Jared und drückte mich fester. Diesen Schmerz hieß ich willkommen.
„Psch." Dass er sich solche Vorwürfe machte, wollte ich nicht. So etwas konnte vorkommen. Und es war doch nur ein Ball.
Er seufzte und hielt mich im Arm, bis er nach und nach ruhiger wurde. Seine Atemzüge verlangsamten sich, seine typische Wärme kam wieder und das Zittern ließ nach.
„Es geht dir wirklich gut?", fragte er leise.
Bekräftigend nickte ich. „Es ist alles in Ordnung."
„Okay."
„Okay", wiederholte ich und wir lösten uns voneinander.
In seinen Augen erkannte ich Schuld. Schuld, weil er mir fast den Ball an den Kopf geworfen hatte? Oder war es eine andere Schuld? Wieder kamen mir Coraimas und Dakotas Wörter in den Sinn, dabei wollte ich sie nicht hören.
Jared musste erkannt haben, dass ich an etwas dachte, das zwischen uns stand, denn er trat einen Schritt zurück und sein Gesicht nahm einen distanzierten Ausdruck an. Dabei wollte ich das doch gar nicht!
Paul seufzte schwer und legte jedem von uns eine Hand auf die Schulter. „Dann lasst uns mal schnell umziehen und dann was Essen."
Wir schwiegen, bis wir zu den Umkleidekabinen kamen. Bevor ich in der für die Mädchen verschwand, drehte ich mich ein letztes Mal um.
„Danke, Paul", sagte ich, aber er wankte ab.
„Dafür sind Freunde da."
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His wallflower
WerewolfAus sicherer Distanz heraus schwärmte Kim über Jahre hinweg von Jared. Er war das Licht ihrer Welt. Der Grund, weshalb sie morgens das Haus verließ. Umso verlorener fühlte sie sich, als er verschwand. Die Neuigkeit, dass er nach langen, dunklen Woch...