Kapitel 15

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„Also", versuchte Alex Jared weiter auszuquetschen, als wir die Stadt und ihre funkelnden Lichter hinter uns ließen und auf die dunkle Fahrbahn fuhren. „Lass mich zusammenfassen. Du bist den ganzen Weg von La Push nach Port Angeles mit dem Taxi gefahren, weil Kim nicht an ihr Handy gegangen ist."

Jared brummte zustimmend. Er saß neben mir auf der Rückbank und spielte mit meinen Fingern. Kaum, dass wir angeschnallt gewesen waren, hatte er sie ergriffen und nicht mehr losgelassen. Daran konnte ich mich gewöhnen.

„Ist ja süß", kommentierte sie und sah vom Rückspiegel aus zu mir. „Seid ihr jetzt ein Paar?"

„N-Nein" nuschelte ich und schreckte vor Schreck zusammen. Das Blut rauschte in meinen Ohren. Genau das hatte ich doch vermeiden wollen. Wenn jetzt sogar Alex das vermutete, wie sollte es erst bei dem Rest der Schule sein! Emilys Worte tauchten vor mir auf. Sie erinnerten mich daran, dass Jared für sich selbst entscheiden konnte, ob es ihm wichtig war, was die anderen dachten oder nicht. Und erst vor einer Stunde hatte er mir gesagt, dass er gerne mit mir Händchen hielt. Hieß es, er wollte mehr als nur Freundschaft? Oder hieß es lediglich, dass er mit mir befreundet sein wollte? Ich war verwirrt und traute mich kaum, Jared anzusehen, spürte aber, wie er zu mir sah. Das war so peinlich! „Wi-Wir sind Freunde."

Nun war er derjenige, der kurz zusammenzuckte. Aufgrund der dunklen Straße konnte ich seinen Gesichtsausdruck kaum deuten.

„Alles klar", gab Alex amüsiert von sich und schaltete das Radio an, in dem der Moderator das nächste Lied ankündigte. Sanfte Klaviermelodie ertönte und brachte mich zum Gähnen. Die Fahrt dauerte länger als gewöhnlich. Die Fahrbahn war zugefroren und zwang uns, mit gedrosselter Geschwindigkeit weiterzufahren. Schneeflocken flogen auf die Fensterscheiben und schmolzen kurz darauf davon. Die ruhige Musik und das stete Brummen des Wagens lullten mich mit der Zeit ein und eh ich mich versah, war ich eingeschlafen.



„Kim?", flüsterte eine tiefe Stimme nah an meinem Ohr. Unter meinem Kopf bewegte es sich. Ich versuchte, es zu ignorieren, aber dann strich mir etwas über die Wange, woraufhin ich beschwerend aufbrummte. Es war so traumhaft warm. Ich wollte nicht aufstehen. Wieder ruckelte mein Kissen, dieses mal jedoch deutlich unkontrollierter und ich meinte, ein Glucksen zu hören. Schläfrig öffnete ich nun doch die Augen und blinzelte verwirrt, bis ich erkannte, dass ich noch immer im Auto war. Der Motor war verstummt und Alex saß auch nicht auf ihrem Platz. Von draußen schien eine Straßenlampe ins Innere des Wagens. Wir waren zu Hause, stellte ich fest, als ich unsere Haustür einige Meter entfernt ausmachen konnte.

Ich setzte mich aufrechter hin und rieb mir den Schlaf aus den Augen. Ein Gähnen entwich mir. Neben mir lachte jemand leise vor sich hin. Hastig wandte ich mich um und sah einen glucksenden Jared. Die Erkenntnis brach über mich hinein und das Blut schoss in meine Wangen. Ich hatte ihn als Kissen missbraucht!

Bevor ich mich entschuldigen konnte, kam er mir zuvor. „Hast du gut geschlafen?"

Beschämt nickte ich nur und sah mich erneut im Auto um. „Wo ist Alex?"

„Sie ist schon mal reingegangen. Du hast so tief geschlafen, da wollten wir dich nicht wecken." Mit einem sanften Lächeln sah er zu mir hinunter.

„A-Achso." Mit Jared war es sogar in einem Auto möglich erholt zu schlafen.

„Aber ich glaube deinem Dad scheint das nicht so zu gefallen." Er nickte zu unserem Haus, in dem Licht brannte. „Er hat schon zwei Mal nach uns gesehen. Deswegen habe ich dich dann doch geweckt."

„I-Ist schon gut", sagte ich, als ein entschuldigender Ton in seiner Stimme mitschwang. „Sonst hätten wir wohl noch ein paar Stunden hier gesessen." Für ihn war es sicherlich nicht so angenehm gewesen, wie für mich.

„Das hätte mir nichts ausgemacht", entgegnete er ernst und brachte mein Herz zum Stolpern.

Verlegen schnallte ich mich ab und stieg aus dem Pick-up. Meine Schuhe sanken leicht im Schnee ein, der sich auf den Boden ausgebreitet hatte. Ich hob mein Gesicht gen Himmel, schloss die Augen und ließ die Natur auf mich wirken. Noch immer fielen Schneeflocken auf uns herab und wenn wir Glück hätten, würden wir auch morgen, was davon haben. Ich genoss die Kälte, denn ich war von Jared noch immer aufgeheizt. Nach und nach verschwand die Schläfrigkeit. Die Flocken, die auf mir landeten, schmolzen augenblicklich. Das Wasser glitt über meine Haut und hinterließ ein sanftes Kribbeln.

Die Türen des Autos gaben ein Geräusch von sich, dass nicht zu der friedlichen Atmosphäre des Wetters passten. Das Knirschen unter Jareds Schritten dagegen harmonierten perfekt, als er zu mir trat.

„Du magst Schnee", stellte er fest und ich nickte zustimmend. „Warum?"

Ich zögerte, bis ich letztendlich Mut fand und offen zu ihm sprach: „Er erschafft nur mit seiner Anwesenheit Ruhe. Um uns herum ist es immer voller Trubel, aber sobald es scheint, steht jeder still und schaut fasziniert in den Himmel hinauf." Schon als Kind hatte ich den Schnee dafür bewundert. „Er fällt geräuschlos und heimlich auf die Erde und legt eine Decke über das Gewusel unserer Gesellschaft. Stille Dinge wurden selten beachtet, aber der Schnee schaffte es, jedes Mal, die Leute in ihren Bann zu ziehen."

Jared machte ein nachdenkliches Geräusch und sah ebenfalls hinauf.

Schweigend genossen wir gemeinsam das Wetter, wobei ich, dank seiner Nähe an meiner Seite, kaum etwas von der eisigen Kälte mitbekam. Wenn der Wind über mich wehte, fühlte es sich eher ein angenehmes Streicheln an.

„Kim?", sprach Jared in die Stille hinein.

Ich öffnete meine Lider und wandte mich zu ihm. Seine Augen glänzten unter dem Licht der Straßenlampe und des Mondes und sahen mich an. Intensiver, als sonst. Unter seinem Blick fühlte ich mich besonders und es war, als ob er alles an mir wahrnahm. In mir lesen konnte, wie in einem offenen Buch. Unsicher wollte ich mich abwenden, aber ich fühlte mich so von ihm gefesselt, dass ich mich nicht rühren konnte.

„Kim?", wiederholte er sich und holte tief Luft.

„Jared?"

Er wandte kurz den Blick zu Boden. „Läu...", räusperte er sich und fuhr sich mit einer Hand durch die Haare. „Läuft da was zwischen dir und diesem ... Collin?"

„Was?", fragte ich völlig überrumpelt.

„Äh, ich, also ihr habt so vertraut miteinander gewirkt", stotterte er und presste die Lippen aufeinander. „Seid ihr zusammen?"

„Nein", hauchte ich und war entsetzt von seiner Vorstellung. Mein Herz gehörte doch schon längst ihm. Niemals wäre es mir da möglich für jemanden anderen so zu empfinden.

„Okay", sagte er und stieß Luft aus. Er wirkte erleichtert, eh er sich plötzlich wieder anspannte. „U-und willst du?"

„Was will ich?"

„Mit ihm zusammensein?"

„Nein!", sagte ich nun deutlich lauter, als zuvor.

Abermals entwich Jared Luft und sein Gesicht wurde weicher. Wie kam er darauf? Warum fragte er mich all das? Und weshalb war er so nervös?

„W-wie kommst du darauf?", traute ich mich, zu fragen.

Aber ich erhielt keine Antwort, denn Jared räusperte sich lediglich verlegen. Er ging einen weiteren Schritt auf mich zu und uns trennte nur noch etwa ein Foot.

Mein Herz pochte laut und deutlich in meiner Brust, dass ich mir sicher war, dass er es hören musste. Es beschleunigte und schlug weiter an, als er meine Hand ergriff. Obwohl wir in Port Angeles und im Auto bereits Händchen gehalten hatten, so hatte ich mich nicht dran gewöhnt. Das würde ich auch nie. Zitternd atmete ich ein und es stieg der Geruch nach Wald und Erde in meine Nase. Jared beugte sich leicht zu mir hinunter und ich merkte, wie die Atmosphäre sich zwischen uns mit einem Male verändert hatte. Es knisterte und eine Spannung baute sich in mir auf, die ich noch nie zuvor gefühlt hatte.

„Kim?"

„Ja?", hauchte ich.

Er drückte meine Hand und ich meinte, Unsicherheit in seinem Gesicht wahrzunehmen. „Du hast vorhin etwas zu Alex gesagt."

Fragend blickte ich ihn an. Ich war von seiner Nähe viel zu aufgeregt, um mich an etwas zu erinnern, was ich vor Stunden gesagt hatte. „Was denn?", hackte ich nach, als er schwieg.

„Du sagtest, wir seien Freunde."

„Ja." Ich schluckte und mir viel ein, dass er zu dem Zeitpunkt nicht erfreut gewirkt hatte.

„Ich möchte nicht mit dir befreundet sein."

Der Boden unter mir gab nach. Der Himmel verschwand. Die Umgebung verschwamm. Die Welt brach zusammen. Ich fiel. Schwarz-weiße Punkte schwirrten vor meinen Augen. Zitternd holte ich Luft und bekam doch keine in die Lungen. Die Klinge, in Form von Jareds Worten, stach mir ins Herz. Mit einem Ruck und so tief, dass ich ein Wimmern nicht unterdrücken konnte. Er wollte nicht mit mir befreundet sein. Was hatte ich getan? War ich zu anhänglich? Zu nervig? Zu still? Ich konnte mich ändern! Ich würde mich ändern! Egal was, er brauchte es mir nur zu sagen und ich würde es machen. Er durfte nur nicht mehr aus meinem Leben verschwinden. Die Stunden ohne ihn waren bereits schmerzhaft gewesen. Wie würde es erst sein, wenn er sich bewusst gegen mich entschied? Das würde ich nicht überleben.

„Kim? Hey, Kim ...", hörte ich ihn aus weiter Ferne sagen.

Meine Hand wurde kalt, als er mich losließ und riss mich dadurch noch tiefer in das schwarze, dunkle Loch. Es war, als wäre ich blind. Völlig orientierungslos.

„Nicht weinen, Kim. Bitte, Kim."

Langsam hob ich meine Hand. Mit den Fingerspitzen fuhr ich mir über die Wange und fühlte die Feuchtigkeit meiner Tränen. Schluchzend blinzelte ich sie weg und erkannte, dass die Welt unverändert war. Der Schnee lag auf dem Boden. Der Himmel wurde von weißen Wolken bedeckt und der Mond erhellte ihn. Mein zu Hause stand an Ort und Stelle. Meine Welt lag in Trümmern, während das Universum heil geblieben war. Selbst der Schnee war nicht in der Lage mich zu rösten. Wieso konnte er mich nicht in einer Lawine begraben?

„Hey, guck mich an", sprach Jared mit sanfter Stimme, legte seine Hände an meine Wangen und hob mein Gesicht an.

Von den neu aufkommenden Tränen verschwamm meine Sicht erneut, aber er wischte sie vorsichtig mit den Fingerkuppen beiseite. Da sah ich, dass er schon wieder blass war. Trotz, dass er mir meine Welt mit einem Satz zerstört hatte, trat die Sorge in mich. In letzter Zeit war er so oft fahl im Gesicht. Er durfte nicht mehr in solch luftiger Kleidung rumlaufen.

„Hörst du mich, Kim?"

Schniefend nickte ich und konnte den Blick nicht von ihm abwenden. Seine Brauen waren zusammengezogen und seine Augen glänzten. Er musste eine Schneeflocke ins Auge bekommen haben.

„Ich will nicht mit dir befreundet sein", sagte er erneut und stach ein weiteres Mal in mein Herz.
„Warte! Lass mich ausreden." Ein unsicheres Lächeln bildete sich auf seinen Lippen.

Verständnislos sah ich zu ihm auf und wartete darauf, dass er ein weiteres Mal zu stach.



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