Kapitel 27

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Mir fiel der Abend vor zwei Wochen ein. Dort hinten waren Jared und die anderen beiden von den Klippen gesprungen. Mein Herz hatte ausgesetzt. Nach endloser Zeit hatte ich ihn endlich wieder gesehen und dann dachte ich, ich würde ihn nicht noch einmal gesund zu Gesicht bekommen. Ich hatte mir schon vorgestellt, wie er im Meer ertrank oder gegen die spitzen Steine knallte. Aber so war es nicht gekommen. Ganz im Gegenteil. Putzmunter und klitschnass war er aus dem Wasser gewatet und vor mir stehen geblieben. Und da hatte er mich gesehen. Mich. Nicht Alex. Sondern Kim Connweller, die heulend mit schwarzen Kleidchen im Sand hockte. In der Ferne hörte ich das Kreischen einiger Möwen. Das dunkle Meer tobte vor sich her und Wellen brachen ineinander. Ich brauchte nicht hinter uns zu sehen, um zu wissen, dass wir Fußspuren im feuchten Sand hinterließen.

Wir hatten uns bereits ein gutes Stück von den anderen entfernt. Noch immer hielten wir uns an den Händen, aber es wurde seitdem kein Wort mehr gesprochen. Einerseits genoss ich das Schweigen. Hier am dunklen Strand, erhellt von den Sternen und der Mondsichel, wirkte die Realität viel weiter weg, als sie in Wirklichkeit war.

Andererseits wusste ich, dass wir vor ihr nicht fliehen konnten. Spätestens wenn wir morgen wieder in der Schule waren, würden mich die Fragen erneut quälen.

Jared fand vor mir seine Stimme wieder. „Kim?"

„Ja?"

„W-wie findest du die Legenden?", fragte er.

Ich zuckte mit den Schultern und überdachte meine Worte, bevor ich meine Gedanken aussprach, die mir vorhin durch den Kopf gegangen waren. Vor Jared musste ich mich nicht verstecken. „Mir gefallen sie gut. Ich ... es fühlt sich sehr real an, wenn Billy von ihnen erzählt. Als wäre er dabei gewesen. Hört sich das seltsam an?"

„Nein! Ganz und gar nicht. Ich weiß, was du meinst", sagte er und ich war froh drum, dass er mich verstand. „Kim?"

Ich liebte es, wie er meinen Namen aussprach. Er betonte es ganz sanft und ich meinte, eine Menge Zuneigung aus diesem einem Wort herauszuhören.

„Ja?"

Er blieb stehen und ich tat es ihm nach. Seit wir das Lagerfeuer verlassen hatten, hatten wir überall hingesehen, nur nicht zu dem jeweils anderen. Jetzt aber taten wir es. Seine Augen funkelten und blickten so intensiv, wie vorhin, als wir Billy lauschten. Seine Pupillen zuckten nervös über meinen Körper, bis sie mich schlussendlich anvisierten und er tief einatmete.

„Würdest du mir glauben, wenn ich dir sagen würde, sie wären real?"

Ich kam nicht einmal dazu, ihm eine Antwort zu geben, da redete er schon weiter und verhaspelte sich, so schnell sprach er.

„Denn das sind sie, Kim. Alles, was Billy uns vorhin erzählt hat, ist wahr. Taha Aki, unser Vorfahre, und einige danach, konnten sich in Wölfe verwandeln. Sie kommunizierten im Geiste miteinander. Wegen der kalten Wesen. Um die Menschen vor ihnen zu beschützen, weißt du? Sie waren gut. Nicht wie die Werwölfe heute in Filmen gezeigt werden. Sie sind nicht blutrünstig oder so. Sie kämpfen, ja, aber nur, um ihr Rudel zu beschützen. Verstehst du, Kim? Du brauchst keine Angst zu haben. Du magst Wölfe doch und keiner von ihnen würde dir je etwas zu Leide tun. Egal was passiert, du bist in Sicherheit. Dafür sorge ich. Und auch die anderen. Das mit Emily wird nicht noch einmal passieren. Damals war Sam alleine, aber jetzt sind wir zu viert und es werden wohl noch einige mehr. Wir rechnen mit Jacob Black oder Quil Ateara-"

„Jared!", unterbrach ich ihn in seinem Redefluss.

Abrupt schloss er seinen Mund und sah mich mit großen Augen abwartend an.Stirnrunzelnd sah ich zu ihm auf und ließ die Worte Revue passieren. Mehrere Sekunden blickten wir uns schweigend an. Er atmete so heftig ein und aus, als hätte er einen Marathon hinter sich, während ich über seine Worte nachdachte. Seine Hand in meiner war feucht geworden, so nervös war er.

„Wovon sprichst du?", fragte ich schließlich, als sich mir der Sinn hinter seinen Wörtern noch immer nicht erschloss. Er hatte davon gesprochen, dass die Legenden wahr seien. Das hatte ich verstanden, aber ab dem Teil als es um Emily ging, war ich raus gewesen. Was Jacob und Quil damit zu tun hatten, konnte ich mir überhaupt nicht erklären.

„Kim", erneut atmete er tief ein und schien sich zu sammeln, ehe er weiter sprach. „Die Legenden. Sie sind wahr", sagte er mit bedeutungsschwerem Ton.

„Okay."

„Okay?", wiederholte er ungläubig. „Du glaubst mir?"

Ich zuckte mir den Schultern. „Hinter jeder Geschichte steckt etwas Wahrheit und wenn du daran glaubst-"

„Du hast mich falsch verstanden. Ich glaube nicht daran. Ich weiß es", unterbrach er mich und sein Gesicht verzog sich bekümmert. „Du glaubst mir nicht."

„Jared", setzte ich an, wusste gleichzeitig aber nicht, was ich sagen sollte. Wenn er glaubte, dass die Legenden stimmten, dann war das okay, denn es konnte durchaus stimmen. Es gab auf der Welt mehr Dinge, als die Menschheit wusste. Da war ich mir sicher.

„Ich kann es dir beweisen, aber", er ließ mich los und fuhr sich mit einer Hand durch die kurzen Haare, „du darfst keine Angst haben, okay?"

Mir wurde schwindelig. „Wieso sollte ich Angst haben?"

Er schluckte. „Im ersten Augenblick kann es erschreckend sein."

„Was?"

„Wenn ich mich verwandle."

Und da machte es klick. Ich begriff, was Jared mir sagen wollte. „Wenn du dich verwandelst ...", wiederholte ich, „... in einen ... Wolf."

„Ja." Er sah mich erwartungsvoll an und gleichzeitig schien er sich gegen etwas zu wappnen. Etwa vor meiner Reaktion?

„Du sagst, du bist ein ..." Werwolf? Geisterkrieger? Die Begriffe kreisten in meinem Kopf umher und ließen mich verstummen. Eine leise Stimme in mir, die sich stark nach Alex anhörte, verstand nicht, weshalb ich Jared diesen Unsinn glaubte. Denn das tat ich. Ganz ohne Beweise. Ich wusste nicht, ob es an seinem ernsten Gesichtsausdruck lag. Oder daran, dass er schon seit Stunden nervös war. Vielleicht lag es auch einfach an meinem Vertrauen ihm gegenüber. Im Endeffekt war aber auch egal, denn ich glaubte ihm.

„Wir bevorzugen den Begriff Gestaltenwandler."

„Wir?" Er brauchte nicht zu antworten, denn die Gesichter seiner Freunde kamen mir in den Sinn. „Paul und Sam."

„Ja. Paul nennt uns auch gerne einfach Wölfe. Und seit ein paar Tagen ist auch Embry einer von uns."

„Emily auch?"

„Nein. Nur Männer des Stammes verwandeln sich."

Etliche Fragen schossen mir durch den Kopf, die ich mir zum Teil gleich selbst beantwortete. Seit wann konnte er die Gestalt wechseln? Ende letzten Jahres. Seine körperliche Veränderung und die plötzliche Freundschaft zu Paul waren Beweis genug.

„Wieso?"

Er zuckte mit den Schultern. „Vielleicht was Genetisches. Bisher waren es immer nur Männer."„N-Nein, ich meine, wieso verwandelt ihr euch?" Kaum sprach ich die Fragen aus, überkam mich die Erkenntnis. „Die kalten Wesen", hauchte ich.

Grimmig nickte er. „Heute bezeichnen wir sie als Vampire."

Ein Schauer lief mir über den Rücken und ich sah mich in der Finsternis um. Plötzlich kam mir der Wald dort hinten viel bedrohlicher vor. Unbehaglich kreuzte ich meine Arme übereinander.„S-Sie sind hier?"

„Genauer gesagt in Forks, dort wohnt Familie Cullen."

„Dr. Cullen?" Jeder kannte den gütigen Doktor aus dem Krankenhaus. „Aber ... er ist doch Arzt."

„Seine Familie ist nicht wie die anderen Vampire. Normalerweise ernähren sie sich von Menschenblut, deswegen verwandeln wir uns auch zum ersten Mal, wenn Vampire in der Nähe sind. Um die Menschen zu beschützen. Aber die Cullens trinken das Blut von Tieren und wir tolerieren sie in Forks."

„Aber ihr seid dennoch auf Patrouille."

„In letzter Zeit waren auch andere Vampire in der Gegend, die nicht so leben, wie die Cullens."Deswegen musste ich ihm versprechen, nicht in den Wald zu gehen. Weil dort eine wirkliche Bedrohung auf einen lauerte. Und aufgrund dessen hatte er darauf bestanden, mit nach Forks zu kommen, als Alex dort ihr Turnier hatte. Er hatte Angst um mich.

„Ihr beschützt uns."

„Ja", hauchte Jared und schien sich mit einem Mal zu entspannend. Als habe er darauf gewartet, dass ich es nicht erkennen würde. Vielleicht sogar, dass ich Angst haben würde.

„Wurde Emily von einem Vampir angegriffen?"

Schmerz zog sich über sein Gesicht und er wandte den Blick ab, während er bedauernd den Kopf schüttelte. „Nein. Das mit Emily ... das war Sam." Er presste die Lippen aufeinander. „Er war der Erste von uns. Ganz alleine und völlig überfordert. Die beiden stritten sich und besonders am Anfang hat man die Verwandlung nicht immer im Griff. Starke Gefühle, so wie Wut, beschleunigen es. Seine Kralle fuhr versehentlich über ihr Gesicht. Er macht sich heute noch schreckliche Selbstvorwürfe."

Mir fielen die Momente ein, in denen Sam über Emilys Narben gestrichen hatte. Die Schuldgefühle sind nicht zu übersehen gewesen.

„Deswegen sind Paul und ich mehrere Wochen nicht zur Schule gegangen. Um unsere Gefühle und die Verwandlung unter Kontrolle zu kriegen. Damit so etwas nicht noch einmal vorkommt. Jetzt können wir es ganz gut zurückhalten und helfen uns gegenseitig. Embry zum Beispiel wird noch einige Zeit brauchen. Aber er hat es einfacher, weil er uns hat."

„Damals in der Cafeteria ...", murmelte ich in Erinnerungen verloren. An dem ersten Tag, als wir zusammen gegessen hatten, hatte Paul mit einem Mal angefangen zu zittern, und Jared hatte ihn beruhigen müssen. Den einen Freitag war es andersrum gewesen. Da war Jared rausgestürmt.

„Ja", er schluckte und schien an die gleichen Momente wie ich zu denken. „Manchmal überwältigt es einen dann doch noch. Manchmal sind es Kleinigkeiten, die uns herausfordern. Aber Kim, ich würde dir nie etwas antun!"

„Okay", sagte ich und glaubte ihm aufs Wort. „Und ... wer weiß alles davon?"

„Abgesehen von dir und Emily, wissen Billy und die restlichen vom Ältestenrat Bescheid."Ich nahm einen tiefen Atemzug. „Danke, dass du es mir gesagt hast." Dankbarkeit erfüllte mich, dafür, dass er mir das Geheimnis anvertraute, freiwillig. Er musste ein unglaubliches Vertrauen in mich haben. Und ich hatte ihn insgeheim beschuldigt, mit mir aufgrund einer Wette zusammen zu sein. Was war ich nur für ein schlechter Mensch?

„Das war noch nicht alles", murmelte und mit einem Mal schien er wieder nervös zu sein. Erneut strich er sich über die Haare und atmete zitternd ein.

Geduldig wartete ich darauf, was nun kommen würde. Ich hätte nicht gedacht, dass es noch mehr geben würde. Von den vielen Eindrücken und dem neuen Wissen würde ich eine aufregende Nacht vor mir haben.

„Die Legende um die dritte Frau, auch diese ist wahr."

Verwirrt runzelte ich die Stirn.
„Es steckt mehr dahinter, als, dass sich Taha Akis dritte Frau opferte. Wir nennen es Prägung."Sein intensiver Blick brachte mich dazu, gespannt die Luft anzuhalten. Das, was nun kommen würde, war wichtig. Ich spürte es instinktiv.

„Prägung?", echote ich.

Er schluckte nervös. „Wenn ein Wolf zum ersten Mal in die Augen der Frau sieht, die ihm vorbestimmt ist, prägt er sich auf sie. Es ist, als würde sich deine ganze Existenz verändern. Der Boden unter deinen Füßen tut sich auf und das Einzige, was dich noch hält, ist diese Frau. Sie wird der Mittelpunkt deiner Welt. Deine Sonne. Dein wichtigstes Ziel ist es von nun an, diese Person glücklich zu machen und dafür würdest du alles tun. Du wärst ihr ein Freund, ein Beschützer oder ein Liebhaber."

Erwartungsvoll sah er mich an.

Mir wurde schwindelig. „Du hast dich ..."

Er nickte. „Ja. Ich habe mich auf die geprägt, Kim. Damals am Strand. Als du in diesem wunderschönen, viel zu luftigen schwarzen Kleid vor mir im Sand gesessen hattest."

„Löst sich das irgendwann wieder auf?"

Schmerzhaft verzog der das Gesicht. „Willst du, dass es aufhört?"

„Ich möchte es verstehen."

„Nein. Es gilt Lebenslang."

„Ka-kann ich mich setzen?", presste ich durch zusammengekniffene Lippen. Mit einem Mal war mir furchtbar übel und ich bekam keine Luft.

„Natürlich! Kim, es tut mir leid, ich hätte nicht-"

„Psch", unterbrach ich ihn und setzte mich auf den kalten Sand. Meinen Kopf vergrub ich zwischen den Beinen und ich versuchte, zitternd Luft zu bekommen. Meine Lunge schmerzte. „Bitte, kurz ... Ruhe. Bitte."

Jared tat mir den Gefallen und schwieg. Ich hörte, wie der Sand knirschte, als er sich ebenfalls niederließ. Das Meer rauschte lauter, als es das vorhin getan hatte. Bevor Jared mir die Wahrheit gestanden hatte. Der Wind wehte stark über meine Kleidung. Die Haut darunter war mit einer Gänsehaut überzogen.

Es dauerte, bis ich in der Lage war, mein Gesicht zu heben und zum tiefschwarzen Meer zu schauen. Es dauerte noch länger, bis ich das Schweigen brach. „Du bist auf mich geprägt." Es auszusprechen machte es realer, aber nicht weniger erschütternd.

„Ja", kam es hauchend von Jared. Es war so leise, dass ich es kaum verstand. Jedoch hörte ich den Schmerz darin.

„Es tut mir leid", sagte ich.

„W-was?" Seine Gestalt, die wie ich zusammengekrümmt im Sand saß, richtete sich auf. „Was tut dir leid?"

„Das du dich auf mich prägen musstest." Ich hatte gehofft, die Tränen unter Kontrolle zu halten. Aber als ich sprach, spürte ich schon, wie sich mir die Kehle verschloss und die ersten Tränen aus dem Augenwinkel rannen. „Dass du gezwungen bist, bei mir zu bleiben. Dein Leben lang", mir brach die Stimme weg und ich musste hicksen.

Endlich hatte ich eine Antwort. Nun wusste ich, weshalb er mich damals angesprochen hatte. Weil er dazu gezwungen wurde. Er mochte mich nicht meinetwegen. Er verbrachte Zeit mit mir, weil ich es so wollte und er deswegen dazu gezwungen war. Natürlich war es keine Wette, die ihn dazu zwang. Dafür war er viel zu gut, als, dass er so etwas tun würde. Aber gegen die Prägung kam er nicht an.

Bevor er etwas sagte, sprach ich schnell weiter. „D-Du brauchst nicht mit mir zusammen zu sein. Es ist okay für mich, wenn du jemand anderen möchtest. I-Ich will nicht", schluchzte und hickste ich, „dass du ..." Ich schüttelte den Kopf und bekam kein Wort mehr heraus.

Er sollte nicht meinetwegen auf sein eigenes Glück verzichten. So gern ich mit ihm zusammen war, mir war es wichtiger, dass er freiwillig mit der Person zusammen war, die er liebte. Und ich war diese Person nicht. Wie war ich auch so dumm gewesen und hatte glauben können, dass er mich mögen könnte?

„Kim. Sieh mich an. Bitte."

Den Schmerz, den ich fühlte, hörte ich in seiner Stimme. Das war es, was mich dazu brachte, vom dunklen Meer zu ihm hinüberzublicken. Ich wollte nicht, dass er mein tränennasses Gesicht sah. Aber dafür war es wohl eh schon zu spät. Als Gestaltenwandler hatte er mit Sicherheit viel schärfere Augen, als jeder normale Mensch.

„Ich glaube, ich habe es dir falsch erklärt."

Ich schüttelte den Kopf. „Ich habe dich verstanden. Du hast keine Wahl. Du-"

„Stopp. Bitte, Kim, hör mir zu", unterbrach er mich. „Die Prägung ... sie ist mächtig, das auf jeden Fall. Aber sie zwingt mich nicht dazu, etwas zu tun, was ich nicht will. Dass ich mich auf dich geprägt habe, bedeutete in erster Hinsicht für mich, dass ich dich endlich sah. Ich habe gesehen, wie du wirklich bist und ja mir ist es wichtig, dass du glücklich bist. Aber dass ich mich in dich verliebt habe und mit dir zusammen sein wollte, dazu wurde ich nicht gezwungen. Hättest du mich nicht gewollt, dann hätte ich das akzeptiert. Aber das hätte ich bei jeder anderen Frau auch. Ich sehe die Prägung eher als etwas, das mich in die richtige Richtung geschubst hat und dank der ich die Gefühle einfach viel intensiver wahrnehme, als früher. Du hast neben mir gesessen, all die Jahre warst du in meiner Nähe, aber ich hatte dich nicht wahrgenommen. Ich bin der Prägung dankbar, dass sie mir die Augen öffnete. Und", nun wurde er leiser, „ich wünsche mir, dass du es auch wärst."

„Du meint, du wirst nicht gezwungen?", wisperte ich und traute mich kaum, den Gedanken zuzulassen.

„Meine Gefühle für dich sind echt. Selbst wenn ich, wie durch ein Wunder, plötzlich nicht mehr auf dich geprägt sein würde, würde ich dich dennoch weiterhin lieben."

„Das glaube ich nicht", hauchte ich mehr zu mir selbst.

Seine Gesichtszüge wurden weich. „Was würde ich nicht alles dafür tun, dass du endlich siehst, was für ein toller Mensch du bist. Du bist unglaublich fürsorglich, mitfühlend und sanft. Ich kenne kaum eine andere Person, die sich so sehr um andere sorgt, dass sie sich selbst dafür aufgeben würde. Kim. Ich liebe dich und das hätte ich auch ohne Prägung irgendwann getan. Vielleicht etwas später und dann hätte dich womöglich jemand vor meinen Augen weggeschnappt. Aber Kim, wir sind füreinander bestimmt."

Mein Herz schmolz bei den Worten und die Mauer zwischen uns brach. Ich sprang regelrecht auf und warf mich in seine Arme. Weitere Tränen rannen mir über das Gesicht und versickerten in seinem T-Shirt. Doch seine Hand ruhte auf meinem Kopf und drückten mich an ihn. Er atmete tief ein. Seine Hitze, sein Duft, seine Stimme, all das saugte ich in mich hinauf, genau wie er es auch bei mir tat.

„Ich liebe dich", flüsterte er in mein Haar und so schwer es mir auch viel zu glauben, so wollte ich ihm vertrauen.

Langsam richtete ich mich auf und sah ihm in die dunklen Augen. Es war so dunkel, dass ich ihn kaum erkennen konnte. Aber das reichte mir, um zu wissen, wie er mich ansah. Voller Liebe.

„Ich liebe dich auch."

Sein Gesicht fing an zu strahlen. „Sag das nochmal."

Ich gluckste. „Ich liebe dich."

Seine Lippen lagen auf den meinen, eh ich mich versah. Unser Atem vermischte sich. Die Welt um uns herum war ein tiefes Schwarz. Jared Körper auf meinem. Seine Hände auf meiner Haut.

„Noch einmal", wisperte er an meinen Lippen.

„Ich liebe dich."


Das Wasser hatte sich beruhigt. Kleine Wellen brachen am Ufer und ließen Muscheln an Land schwimmen. Manchmal knirschte es unter meinen Schuhen, wenn ich auf eine trat.Wir waren noch einige Zeit an der Stelle geblieben und hatten die Zweisamkeit miteinander genossen. Aber irgendwann war uns eingefallen, dass unsere Freunde womöglich auf uns warteten. Sie mussten gewusst haben, was Jared vorhatte.

„Magst du mir noch sagen, was dich die vergangenen Tage bedrückt hat?"

„Es tut mir leid, dass ich dir Sorgen gemacht habe."

„Kim, bitte hör auf, dich zu entschuldigen."

„A-Aber es ist so. Ich habe mich die ganzen Wochen über gefragt, weshalb du mich plötzlich gesehen hast. Deswegen war ich so komisch drauf. Und als du mir das gerade mit der Prägung sagtest, da ... Jetzt im Nachhinein, komme ich mir so unfassbar dämlich vor."

„Du bist nicht dämlich, Kim." Er drückte meine Hand. „Es ist ganz normal, dass du deswegen Zweifel hattest. Schließlich kam es für dich von jetzt auf gleich. Es tut mir leid, dass ich dich durch solch Zweifel habe leben lassen, obwohl ich es direkt hätte klären können." Bekümmert ließ er den Kopf fallen. „Entschuldige."

„Nicht, Jared. Lass uns beide mit dem Entschuldigen aufhören, ja?"

„Du hast recht. Das ist wohl besser", sagte er und hauchte mir einen Kuss auf die Lippen.In einiger Entfernung sah ich einen Lichtschein. Die anderen waren offensichtlich noch da.

„Sam ist auf Emily geprägt, richtig?"

„Ja."

„Und Paul?"

„Noch ist er es nicht. Aber ich bin gespannt, wie so sein wird." Er grinste. „Ich freu mich schon drauf."

Ich kicherte bereits jetzt bei der Vorstellung, wie Jared sich bei Paul für alle vergangenen und kommenden Kommentare rächen würde.

Bevor wir näher an die anderen kamen, blieb Jared stehen.

„Es gibt da noch etwas, was ich dir sagen muss."

„Noch mehr schockierendes?", fragte ich halb im Scherz, doch stockte ich, als ich sah, wie er verlegen den Blick mied. „Jared?"

Er räusperte sich. „Wenn wir als Wölfe umherlaufen, dann kommunizieren wir über unsere Gedanken und Gefühle."

Ich legte den Kopf schief und wartete. Nach seiner Reaktion hatte ich Schlimmeres erwartet. „Wir fühlen was der andere fühlt und manchmal schweifen die Gedanken umher und wir können sie nicht stoppen. Einmal hatte Paul sich daran erinnert, wie gut Emilys Curry geschmeckt hat und dass seine Mom unbedingt einen Kochkurs besuchen sollte."

„Deswegen kannte er Maddie, obwohl er nicht dabei war. Und er wusste, was beim Eislaufen passiert ist." Jared hatte direkt gewusst, dass Paul davon erfahren würde.

Er biss sich auf die Lippen und trotz der Dunkelheit war ich mir sicher, dass seine Wangen sich röteten. „Ja und leider gibt es keinen Filter, der bestimmte Dinge vor den Anderen verheimlicht." „Oh." Bei der Erkenntnis schoss mir das Blut ins Gesicht.

Verlegen kratzte sich Jared am Hinterkopf. „Ich dachte mir, es wäre ganz gut, dass du das weißt."

„J-Ja. Danke." Damit würde ich mich definitiv noch anfreunden müssen.

„Wollen wir?"

Nickend nahm ich seine Hand und wir gingen zum Lagerfeuer, bei dem unsere Freunde auf uns warteten.


His wallflowerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt