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Die Nacht war eher semi entspannend. Ich war fürchterlich aufgeregt. Wie sollte ich nur reagieren wenn ich Miles sah? Normal? Wie ein Schulmädchen was seinen Crush zum ersten Mal nach der Sommerpause wieder sah? Sollte ich ihn umarmen? Oder doch nur die Hand geben und die ganze Situation womöglich unangenehm werden lassen.

Ich nahm mir meine Tasche, zog mir schnell ein paar einfache Klamotten über und blieb eine Sekunde länger als nötig vor dem Spiegel stehen. Ich sah mich selber an und erschrak. Meine Augen waren glanzlos, ja gar eingefallen. Die Zeit während des Sturmes und vielleicht auch die auf See vorher, hatten deutliche Spuren hinterlassen. Ich kannte einmal eine Zeit, da sah ich lebensfroher aus, meine Augen glänzten und die Haut sah auch besser aus. Kannte Miles mich so? Oder würde er ein Kommentar ablassen und mich vielleicht sogar wieder nach Hause schicken?
Nein... so war Miles nicht.
Ich schüttelte den Kopf und ging weiter. Nachdem ich mir die Tasche geschultert und ein Taxi erwischt hatte, ging es los.

„Wohin junge Frau?" „Zum Flughafen bitte." „Sehr gerne." Der Fahrer war sehr nett und zwang mir keine Gespräche auf, sodass ich weiter nachdenken konnte. Es dauerte einige Zeit bis wir da waren, die Straßen waren gut gefüllt und die Menschen schienen gestresst. Hier und da waren Hupen zu vernehmen, an einigen Straßen vernahm man außerdem Martinhorn, es schien also irgendwo mal wieder was passiert zu sein.
Ich schlief auf der Rücksitzbank ein und wurde erst aufgeweckt, als der Taxifahrer sanft an meiner Schulter rüttelte. Meine Hand ging direkt an meine Hüfte, dort wo ich zumeist meine Waffe geholstert hatte. „Ich wollte Sie nicht erschrecken Ma'am, aber wir sind am Flughafen angekommen.", sagte er und hob entschuldigend die Hände in die Luft. „Natürlich, Entschuldigung. Ich bin etwas schreckhaft." „Das ist verständlich. Ich habe Sie in den Nachrichten gesehen als Sie nach dem Sturm mitgeholfen hatten. Als Soldatin ist es bestimmt nicht immer einfach." „Nein Sir, das ist es gewiss nicht. Aber ich liebe meinen Job." „Danke für Ihre Arbeit.", sagte er nur. Als ich ihm das Geld hin hielt, lehnte er ab. „Behalten Sie es, Sie tun genug." Da ich das aber nicht annehmen konnte und wusste, wie schlecht Taxifahrer bezahlt und behandelt wurden, legte ich ihm das Geld in die Mittelkonsole beim aussteigen und wünschte ihm dann noch einen schönen Tag.

Mit geschulterter Tasche und meinem Handy in der Hand ging es in den Flughafen. Es war reges Treiben, viele Menschen in Anzügen liefen umher, es schien als wenn irgendein Businessmeeting anstehen würde oder sowas. Naja, war ja doch nicht mein Problem. Ich ging also zum Check - In, gab meine Tasche ab und begab mich zum Boarding. Ich war einige Stunden zu früh, wollte immerhin sicher gehen, dass ich den Flug auch bekam, sodass ich noch Zeit hatte etwas zu essen und mit Hawk, den Jungs und Miles zu schreiben.

Hawk schickte Fotos von sich und seiner Frau, sie waren an einem Strand und schienen gerade ein romantisches Picknick zu veranstalten. Ich wünschte ihnen alles Glück dieser Welt, solange mein bester Freund glücklich war, war ich es auch. Arrow und Ghost hingegen schienen gerade online gegeneinander zu spielen. Es kam nur ein Foto von Bildschirmen wieder, was für mich hieß die zwei beleidigten sich gerade sinnlos über das Headset und versuchten den jeweils anderen zu töten - eine Rivalität unter Freunden, beinahe wie auf dem Schiff oder im Einsatz. Ein gesundes Maß an Rivalität war immerhin gesund.

Miles antwortete nicht, sodass ich nicht wusste was er tat, doch wahrscheinlich wartete er nur auf meine Nachricht, dass ich am Flughafen angekommen bin. Ob er dann schon warten wird? Oder macht er sich erst auf den Weg wenn ich ihm bestätige, dass ich auch wirklich da bin?
Natürlich hoffte ich, dass er da war wenn ich landete, ich wollte immerhin jede Sekunde die mir blieb mit ihm verbringen. Ja, das wird mir auch jetzt gerade erst bewusst. Ich war fürchterlich nervös ihn wiederzusehen, auch wenn wir uns kaum kannten war es so, als würde ich ihn schon ewig kennen. Er wusste mittlerweile beinahe so viel über mich wie Hawk es tat. Und bis ich mich meinem besten Freund geöffnet hatte, hat es wirklich lange gedauert.

Mein Flug wurde aufgerufen, sodass ich Miles schrieb, dass ich nun ins Flugzeug steigen werde. Danach stellte ich das Handy in den Flugmodus und ging zur Schleuse. Es ging alles schnell und so saß ich schon bald im Flieger und wartete auf den Start. Die Sonne ging gerade erst am Horizont auf als wir uns auf Rollbahn begaben. Es war schön einmal wieder in der Luft zu sein und dabei zu sehen zu können, wie die Sonne all jene erweckte, die bis gerade noch schliefen. Vögel wurden wach und sangen ihre Lieder, Hunde weckten ungeduldig ihre Besitzer und Katzen kotzten womöglich gerade irgendwo einen Haarball auf den Boden um Aufmerksamkeit zu bekommen. Das Leben konnte so unbeschwert und schön sein, wenn man von den richtigen Leuten umgeben war. Und mir wurde immer mehr bewusst, dass ich diese richtigen Leute nun vollständig gefunden hatte. Es war wie ein Geschenk - die Premiere auf unserem Flugzeugträger hätte nicht besser sein können.

Mir war noch nie klar, wie schnell man Leute ins Herz schließen konnte. Doch der gesamte Cast des Films war wie eine neue Familie für mich und ich war froh darum. Klar, mit Miles hatte ich am meisten Kontakt, doch hin und wieder war da auch eine Nachricht von Tom oder Monica dabei. Ich fing an mein Leben wieder zu lieben und nicht nur daran zu denken, was ich verlieren könnte, sollte ich bei einem Einsatz mein Leben lassen.
Vielleicht bekam ich so langsam auch Zweifel an meinem Job - sollte das mit Miles und mir was ernstes werden, wovon wir natürlich ausgehen, entsteht vielleicht irgendwann eine Familie. Und möchte ich es meinen Kindern antun, nie wieder nach Hause zu kommen? Bis jetzt hatte ich nichts, wozu es sich zu leben lohnt und habe es nie für möglich gehalten, einmal darüber nachzudenken meinen Job aufzugeben.

Doch hier saß ich nun. In einem Flugzeug auf dem Weg zu einem Freund mit den ersten Gedanken meinen Job hinter mir zu lassen und ein völlig neues Leben anzufangen. Mal sehen was am Horizont auf mich warten wird.

Hold My Hand - A Miles Teller StoryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt