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Eine Weile laufe ich nur. Meine Audauer ist nicht die Beste, denn Sport hielt ich schon immer für Mord, aber das Adrenalin hindert mich daran stehen zu bleiben, auch wenn meine Lungen förmlich nach Luft schreien. Stockholm ist groß. Zu groß. Und so sehr ich auch endlich die Grenzen der Stadt erreichen möchte, schaffe ich es nicht. Ich halte mich an der Straße, laufe aber am Rand, damit mich niemand sieht, obwohl zu dieser Zeit ohnehin kaum Menschen auf den Straßen Stockholms zu finden sind.

Das würde es allerdings für Sam leichter machen mich zu finden, da eine sich schnell fortbewegende Person wohl noch stärker auffällt, als eine, die am Straßenrand sitzt. Doch mein Ziel ist es, Stockholm noch in dieser Nacht zu verlassen. Wenn er das nicht schon lange getan hat. Ich weiß, dass ich mir Hilfe suchen sollte, dass ich zu Menschen gehen muss, doch alle Geschäfte sind, typisch für die Uhrzeit, verschlossen und es sind einfach keine Personen zu sehen. Ich bin ganz alleine in dieser riesigen Stadt.

Trotzdem zucke ich bei jedem kleinsten Rascheln der Blätter zusammen und beschleunige meine Schritte, aus Angst verfolgt zu werden. Irgendwann fällt mir das leuchtene Schild eines Mc Donalds auf und mir fällt sofort ein, dass die meisten Restaurants der Fastfood-Kette ja die ganze Nacht lang geöffnet sind. Ich laufe immer schneller, bis ich endlich die Türe des Restaurants erreiche und sie schweratmend öffne.

Das helle Licht blendet mich und nachdem ich mich kurz umgesehen habe, stelle ich fest, dass ich der einzige Gast bin. Das wird mir die Sache erleichtern. An der Theke steht ein gelangweilter Mitarbeiter in der typischen Mc Donalds Uniform und spielt mit seinem Smartphone herum. Schnellen Schrittes gehe ich auf ihn zu, voller Hoffnung auf Hilfe.

"Willkommen bei Mc Donalds, was kann ich für sie tun?", fragt der Mann monoton und sieht dabei nur kurz von seinem Handy auf.

"Ich brauche Hilfe.", bringe ich hervor und stütze mich an der Theke ab.

"Wir verkaufen hier nur Essen, tut mir leid."

"Ich bitte Sie, ich werde von einem Irren festgehalten. Sie müssen mir helfen oder die Polizei rufen. ", flehe ich ihn an.

"Naja, jetzt scheinen Sie ja nicht mehr festgehalten zu werden, sonst ständen Sie ja wohl kaum hier. Kann ich sonst noch etwas für Sie tun?"

"Sie müssen mir helfen! Bitte!"

"Ich sagte bereits, dass ich Ihnen nicht helfen werde, geschweige denn helfen kann.", antwortet der Mitarbeiter nun verärgert und legt sogar sein Handy beiseite.

"Okay, dann.. Kann ich mich hier vielleicht hinsetzen und warten? Ich kann nicht wieder nach draußen, ich kenne mich nicht aus und weiß nicht wo ich sicher bin."

"Sieht das hier aus wie ein Obdachlosenheim? Nein, können Sie nicht und jetzt raus!", fährt er mich erneut an und ich weiche verängstigt von seinem Tonfall einen Schritt zurück.

Fällt ihm meine verschmutzte Kleidung denn nicht auf? Oder mein Gesamterscheinungsbild? Dass ich den ganzen Weg vom Krankenhaus bis hier her mit Verletzungen gerannt bin, nur um von Sam Miles wegzukommen?

Enttäuscht verlasse ich das Restaurant und trete wieder in die beängstigende Dunkelheit. Ich laufe langsam ein Stück weiter, zu einem Park und lasse mich vorsichtig und nicht ohne mich vergewissert zu haben alleine zu sein, auf einer Bank nieder. Die Hände vergrabe ich in meiner Jackentasche, um sie etwas aufzuwärmen, bis ich etwas glattes spüre. Vorsichtig hole ich es heraus und erblicke ein kleines Blatt Papier, fein säuberlich zusammengefalten.

Ich öffne es vorsichtig und finde eine Telefonnummer und den Namen des Arztes aus dem Krankenhaus vor. Nur wie soll ich ihn anrufen, ohne mein Handy? Da fällt mir eine kleine Telefonzelle auf, die schwach beleuchtet ist. Voller Hoffnung gehe ich auf sie zu und durchsuche alle meine Taschen nach etwas Kleingeld. Als ich schon fast aufgegeben habe, werde ich in Sams Jogginghose fündig. Es ist nicht viel, aber es wird für ein kurzes Telefonat reichen. Und dieses Telefonat könnte mir mein Leben retten.

Schnell wähle ich die Nummer und warte. Nach dem zweiten Klingeln hebt der Arzt ab und ich schweige kurz, weil ich nicht weiß, was ich ihm sagen soll. Wie erklärt man denn auch, dass man eine Sklavin ist?

"Hallo? Ist da jemand?", fragt er nochmal und ich nehme allen meinen Mut zusammen.

"Ich bin es, Chloé, die Patientin von vorhin. Erinnern Sie sich?"

"Ja. Ja natürlich, Chloé, ich bin froh, dass Sie anrufen.", antwortet er und klingt fast erleichtert.

"Sie müssen mir helfen.", sage ich leise und sehe auf den Boden.

"Das habe ich mir schon gedacht."

"Er hält mich gefangen. Er hat mich um den Finger gewickelt und dann gefangen gehalten. Ich bin weggelaufen. Das Fenster im Krankenhaus war offen. Sie müssen mir helfen, ich bin hier nicht sicher. Sein Name ist Sam Miles. Bitte helfen Sie mir."

"Wo sind Sie?", fragt der Arzt und man hört ihm die Nervosität an.

"Ich bin in einem Park an einer Telefonzelle. Nicht weit von hier ist ein Mc Donalds. Ich bin einfach der großen Straße gefolgt. Wissen Sie wo das ist?"

"Ja, ich denke, dass ich weiß wo Sie sind. Was ist mit ihren Verletzungen, Chloé? Wenn die gerissen sind, muss ich Sie sofort behandeln."

"Ich weiß es nicht, es tut weh aber ich sehe kein Blut. Ich denke, dass alles gut gegangen ist, was das betrifft."

"Okay, das hört sich gut an. Ich werde versuchen Sie da raus zu holen, das verspreche ich Ihnen, Chloé. Warten sie dort und gehen sie nicht weg. Ich bin gleich bei Ihnen, haben Sie das verstanden, Chloé?", sagt er leise und ich will gerade etwas erwidern und seine Frage beantworten, als ich eine raue Stimme nahe meinem Ohr wahrnehme, die mir eine Gänsehaut über den Rücken jagt und sofort jegliche Körperteile erstarren lässt.

"Da bist du ja, Schlampe."

Nicht alle Geschichten haben ein Happy End. Und meine Geschichte sollte wohl keins haben. Nicht umsonst brennt noch heute das Mal aus dieser Nacht auf meinem Arm und begleitet mich tagtäglich überall hin. Er hat das alles nicht umsonst getan.

DoppelgängerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt