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"Aber Chloé, den Film haben wir doch letztens erst gesehen.", quengelt Sam und läuft mir wie ein Schoßhündchen hinterher.

"Ja, Sam, aber deine Schwestern wollen den Film sehen und deshalb werden wir ihn auch nochmal sehen. Liam muss da doch auch durch.", erkläre ich und gehe die Treppen herunter. Sam protestiert im Hintergrund weiter, aber ich ignoriere ihn und geselle mich zu Lamiya, die den Film bereits in den DVD-Player legt.

"Na, freut ihr euch?", fragt sie und steht auf.

"Ich freue mich schon aber Sam spielt beleidigte Leberwurst.", antworte ich lachend und ernte einen gespielt bösen Blick von Sam.

"Bruderherz, da musst du jetzt durch.", sagt Dounia und umarmt Sam von hinten. Wir setzen uns aufs Sofa, wobei ich mich an Sam lehne, und warten auf Laila und Liam. Liam ist der letzte, der das Wohnzimmer betritt. Die Art wie er sich zufrieden auf das Sofa setzt verrät mir, dass er noch nicht weiß, welchen Film wir ausgesucht haben.

"Meint ihr das ernst?", fragt er kurz nach dem der Film begonnen hat und ich muss mir ein Lachen verkneifen.

"Ihr dürft den zweiten Film aussuchen, einverstanden?", bietet Lamiya an und sofort hellt sich die Miene der beiden Jungs auf.

Nach dem ersten Film machen wir eine kurze Pause. Sam und Liam hocken vor dem Dvd-Player und suchen einen weiteren Film aus. Ich gehe in die Küche um mehr Popcorn zu machen.

"Was läuft zwischen dir und Sam?", fragt plötzlich Lamiya und ich lasse vor Schreck fast die Schüssel fallen.

"Nichts.. Wieso?"

"Das kannst du vielleicht Liam erzählen aber nicht mir."

"Wie kommst du darauf?", frage ich zögernd und stelle die Schüssel ab.

"Die Art wie er dich ansieht, wie er sich in deiner Nähe benimmt. Ich habe Sam lange nicht mehr so glücklich gesehen.", antwortet sie.

"Das ist sicher nicht wegen mir. Da läuft wirklich nichts."

Gerade als Lamiya etwas sagen will, ruft Sam aus dem Wohnzimmer und ich lächle sie entschuldigend an, nehme die Schüssel und gehe zurück zu den anderen. Als ich mich neben Sam aufs Sofa fallen lasse und frage welchen Film er ausgesucht hat, hält er mir die Hülle einer Dvd vor die Nase.

"Sam, das ist ein Horrorfilm.", stelle ich fest und sehe ihn unsicher an.

"Ich weiß.", antwortet er lächelnd und sieht auf den Fenster, wo der Film beginnt.

"Ich mag keine Horrorfilme."

"Ich mag keine Liebesfilme.", äfft er mich nach und ich kann mir ein Lachen nicht verkneifen. Er will mich provozieren.

Nach dem Film befinde ich mich dicht an Sam gepresst auf dem Sofa und traue mich nicht mehr die Augen zu öffnen. Das war ganz sicher seine Rache für Nicholas Sparks.

"Hey, Chloé, ich weiß es ist schon spät, schon fast eins.. Aber da kommt gerade diese coole neue Serie und die will ich noch sehen. Du kannst gerne genau so liegen bleiben.", sagt Sam und klingt dabei wie ein kleines Kind.

Aus Protest setze ich mich aufrecht hin und verschränke die Arme vor der Brust. Ich versuche also dieser 'coolen neuen Serie' zu folgen, merke aber, wie ich immer müder werde und mich erneut an Sams Schulter ablehne, obwohl ich das ja verhindern wollte, um die Gerüchte, die sich in der Familie zu verbreiten scheinen, nicht noch zu verstärken.

Letztendlich schlafe ich doch in Sams Armen ein, in denen ich nur wenige Stunden später wieder schreiend aufwache, mit dem Unterschied nicht mehr auf dem Sofa sondern im Bett zu liegen. Sofort geht das Licht auf Sams Seite des Bettes an und er setzt sich auf.

"Was ist los?", fragt er verschlafen.

"Samuel. Ich weiß nicht. Er war hier. Er war hier..", rede ich vor mich hin, immer noch benommen von meinem Traum und schwer atmend.

"Nein, Chloé. Du hast geträumt, es ist alles okay. Ich passe auf dich auf."

"Sam? Alles okay bei euch?", ruft Liam von außen.

"Ja, alles gut."

"Du kannst wirklich froh sein ihn an deiner Seite zu haben.", sage ich leise.

"Nicht an meiner Seite. An unserer Seite.", flüstert er lächelnd.

"Soll ich dir etwas zu trinken holen gehen?", fragt er dann, doch ich schüttle den Kopf. Ich will auf keinen Fall alleine sein.

"Nein, ist schon gut. Es geht schon wieder."

Lüge. Meine Gedanken drehen sich nur um Samuel. Ist er wirklich zu so etwas in der Lage? Würde er das tun?

"Okay. Dann versuch noch etwas zu schlafen."

Am nächsten Morgen sind wir alleine. Liam schläft noch und der Rest ist nicht im Haus. Sam und ich sitzen am Tisch. Ich stochere in meinem Rührei herum und ignoriere Sams kritische Blicke.

"Chloé, wieso isst du nicht?"

"Ich denke nur nach.", antworte ich und zerlege weiterhin mein Frühstück.

"Worüber?"

"Ich habe darüber nachgedacht ob ich mir einen Job suchen soll.", gebe ich ehrlich zu und wage es kaum in Sams Gesicht zu sehen.

"Chloé..", setzt er an, doch ich unterbreche ihn.

"Nein, lass mich erklären. Ich kann nicht länger auf deine Kosten leben, Sam. Ich möchte wenigstens einen Teil dazu beitragen. Und außerdem möchte ich nicht nur irgendwo rumsitzen und darauf warten, dass sie Samuel verhaften, denn wir wissen beide, dass das nicht passieren wird. Mir würde sogar ein Aushilfsjob in einem Supermarkt reichen. Ich will einfach nur raus."

"Lass sie doch arbeiten, Sam. Direkt um die Ecke ist ein Supermarkt.", stimmt Liam, der den Raum betritt, mir zu.

"Meinetwegen.", stimmt Sam zu und ich umarme ihn stürmisch. Anschließend umarme ich auch nochmal Liam, da er mir ja geholfen hat.

"Danke!"

"Kannst du jetzt essen?", fragt er hoffnungsvoll und ihm zu Liebe setze ich mich wieder. Mehr als zwei Bissen bekomme ich trotzdem nicht runter. Sam sagt nichts mehr dazu, aber ich weiß, dass er es gesehen hat und es nicht gut findet. Aber nur weil ich einmal in meinem Leben nicht frühstücke heißt das ja nicht, dass ich kein Essen mehr anrühre.

When the dawn was still long hours away, bad thoughts took on flesh and began to walk. In the middle of the night thoughts became zombies.
- Under The Dome

DoppelgängerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt