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Ich schlage die warme Decke weg und stehe auf. Als Sam einen Schritt auf mich zumachen möchte, weiche ich schnell zurück.

"Oh Gott.", murmle ich und schlage mir die Hand vor den Mund. Ein schlechtes Gefühl macht sich in mir breit.

"Oh Gott. Oh Gott. Oh Gott." Langsam gehe ich im Wohnzimmer auf und ab.

"Chloé..", setzt Sam an doch ich lasse ihn nicht zu Wort kommen und unterbreche ihn mit einer Geste.

"Oh Gott, Sam, er weiß es."

"Nein, er..", Sam macht noch einen Schritt auf mich zu, doch ich weiche erneut einen großen Schritt zurück.

"Doch. Er hat es herausgefunden.", panisch sehe ich mich um.

"Chloé.."

Sam kommt noch einen Schritt auf mich zu und erneut weiche ich zurück, doch dieses Mal spüre ich die kalte Wand in meinem Rücken. Sam nutzt die Gelegenheit und stützt seine Hände neben meinem Kopf ab. Ängstlich sehe ich ihn an.

"Chloé, er ist wahrscheinlich nur wütend, weil er dich verloren hat.", sagt Sam mit einer sanften Stimme und streicht mit seiner warmen Hand über meine Wange.

Bei meiner Antwort zittert meine leise Stimme: "Zeig mir deine Hand."

"Chloé, hör zu.."

"Zeig mir deine Hand!" Meine Stimme wird lauter und die Tränen, die sich in meinen Augen bilden, verschleiern mir die Sicht. Als Sam mir seufzend seine Hand gibt, ergreife ich sie vorsichtig und drehe sie, um auch wirklich jeden Flecken Haut betrachten zu können.

Vorsichtig lasse ich sie fallen und sinke auf den Boden. Natürlich ist es Sam; Ich habe ihn schon an seiner Ausstrahlung, an seiner Art erkannt, aber ich bin zu verängstigt um ihm blind zu vertrauen. Ich brauche die Gewissheit. Ich habe mein ganzes Leben lang alles durchgeplant, immer viel zu viel nachgedacht. Ich habe immer nur gedacht, nie gehandelt. Und jetzt überschlagen sich die Ereignisse plötzlich. Es ist wie in Shakespeares Hamlet. Nur ob wir uns am Ende alle gegenseitig umbringen werden ist wohl noch offen, aber vielleicht erledigt Samuel diese Aufgabe für uns.

"Hey, es ist alles gut. Ich bin bei dir.", sagt Sam besänftigend und geht ebenfalls in die Knie. Er hebt mein Kinn an, wischt die Tränen von meiner Wange und sieht mir dann in die Augen. Seine Augen sind so schön. Sie haben so eine schöne Ausstrahlung und sie beruhigen mich. Ich verliere mich fast in dem Braun und schrecke auf, als meine Hand nimmt.

"Wie hat er ihn umgebracht?", frage ich leise, mit dem Blick auf unsere verschränkten Hände.

"Er hat ihn ertränkt."

Sofort habe ich ein Bild vor Augen. Ophelia, die Geliebte von Hamlet, treibt leblos auf dem Fluss. Ihr weißes Kleid, ihre Unschuld andeutend, ist von Wasser getränkt und die Weide, die halb ihm Wasser steht, wird von Wind berührt. Und dann ändert sich das Bild. Ophelia wird zu dem Mann, der mir wahrscheinlich das Leben gerettet hat. Sein weißer Ärztekittel umhüllt ihn, und seine Augen sind weit geöffnet.

Dieser Mann war unschuldig. Er hat mir das Leben gerettet und jetzt ist er tot. Und das alles nur wegen mir.

"Oh mein Gott. Das ist alles meine Schuld. Sam, er ist tot. Wegen mir.", schluchze ich.

"Nein, hör mir zu. Es ist nicht deine Schuld. Ab jetzt übernimmt die Polizei den Fall.", erklärt Sam und zieht mich hoch. Er nimmt mich kurz in den Arm und streicht mir beruhigend über den Rücken.

"Werden sie ihn finden?", frage ich und lasse mich von Sam zurück auf das kleine Sofa führen.

"Nein. Nein, sie werden ihn nicht finden."

"Wieso nicht?"

"Sie glauben, dass der Mann ertrunken ist und nicht, dass jemand ihn ertränkt hat. Die Leiche weist keine Spuren auf.", sagt Sam und sieht mich entschuldigend an.

"Aber.. Wie können wir uns dann sicher sein, dass er es wirklich war?"

"Einmal ist ein Unfall, zweimal ist Zufall und dreimal ist ein Muster.", antwortet er und ich sehe ihn verwirrt an.

"Erst habe ich einen seiner Männer erschossen. Dann hat er versucht uns umzubringen und heute ertränkt er einen unschuldigen Mann, der Kontakt zu dir hatte."

"Du meinst?", frage ich vorsichtig nach.

"Wir sind bisher davon ausgegangen, dass der Mann, den ich erschossen habe, durch einen Unfall gestorben ist. Was ist aber, wenn Samuel genau das erreichen wollte?"

"Das ist aber unlogisch.", gebe ich zu und lehne mich zurück.

"Als Samuels Männer versucht haben uns umzubringen.. Bring das mal mit dem Mord an dem Typen, der dich mitnehmen wollte, zusammen.", erklärt Sam und richtet seinen Blick wieder auf mich.

"Das war Zufall. Er hat nur die Gelegenheit, die sich ihm spontan geboten hat, genutzt."

"Davon sind wir ausgegangen, richtig. Aber nehmen wir mal an, dass Samuel nicht wusste, dass du in dem Auto sitzt. Nehmen wir mal an, er wollte nur mich töten. Er lässt also einen seiner Männer töten und kann dabei jede Schuld von sich weisen, weil ich geschossen habe. Er versucht mich umzubringen, indem er mich in einen Autounfall verwickelt, kann also wieder jede Schuld von sich weisen, weil er in keinem der Autos saß. Und dann ertränkt er einen Arzt und lässt es wie Selbstmord oder einen Unfall aussehen. Erkennst du das Muster?"

"Er will Rache.", sage ich leise und starre auf meine Hände.

"Richtig, er will Rache. Er wird deinen Verlust nicht auf sich sitzen lassen. Zuerst hatte er die Chance, dich wieder zu ihm zu holen. Jetzt, wo er glaubt, dass du tot bist, hat er die nicht mehr und jetzt wird seine Rache noch erbarmungsloser. Unschuldige Menschen sterben, Chloé.", eindringlich redet Sam auf mich ein.

"Verdammt, das ist alles meine Schuld. Wäre ich doch nur bei ihm geblieben."

"Sag so etwas nicht."

"Was machen wir denn jetzt?", frage ich und fahre mit verzweifelt durch die Haare.

"Ich weiß es nicht, wie können nichts tun."

"Sollen wir zusehen, wie unschuldige Menschen wegen einem Psychopathen in den Tod gerissen werden?", frage ich aufgebracht und rücke ein Stück von Sam weg.

"Nein! Natürlich nicht. Aber wir brauchen Zeit. Und wir brauchen einen Plan. Einen verdammt guten Plan."

We are the kings and the queens of the new broken scene.

DoppelgängerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt