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Nach einer endlos langen Fahrt kommen wir endlich in Marseille an. Sam fährt durch die Straßen der Großstadt und hält vor einem großen Gebäude an. Vor dem Gebäude steht ein Mann in Anzug mit einer Aktentasche in der Hand. Wir steigen aus und Sam zieht mich mit einem Lächeln auf ihn zu.

"Monsieur? Ich bin Sam Miles und das ist meine Verlobte, Chloé.",stellt Sam uns vor und reicht dem Mann die Hand.

"Willkommen in Marseille. Ihre Wohnung ist im dritten Stock. Wenn Sie mir bitte folgen würden."

'Meine Verlobte Chloé'. Früher wäre ich vor Freude in Tränen ausgebrochen, heute breche ich aus Trauer und Frust in Tränen aus. Leider lassen sich die Tränen wirklich nicht aufhalten und laufen einfach meine Wangen runter. Leise schluchze ich und wische sie schnell mit den Händen weg.

"Madame, geht es Ihnen gut? Wollen sie den Termin lieber verschieben?",fragt der Mann und sieht mich mitfühlend an.

"Das sind die Hormone. Zusätzlich zu unserer Verlobung ist Chloé nämlich auch noch schwanger. Deshalb ist es besonders wichtig schnell eine Wohnung zu finden.", rettet Sam die Situation, auch wenn ich mit der angeblichen Schwangerschaft nicht einverstanden bin.

"Nun gut. Dann folgen Sie mir."

Wir nehmen den Aufzug in den dritten Stock und der Mann schließt eine weiße Tür auf. Auch der Flur ist weiß gestrichen und nach der Wohnungsführung scheint Sam zufrieden zu sein.

"Ab wann ist die Wohnung bewohnbar?",fragt er und legt einen Arm um mich, den ich am liebsten wegschlagen würde.

"Sie können sofort einziehen. Wie vereinbart ist alles eingerichtet und sofort bewohnbar."

"In Ordnung. Herzlichen Dank, wir nehmen die Wohnung."

"Sehr schön. Würden Sie den Vertrag bitte unterzeichnen?"

Der Mann gibt Sam einen Stapel von Blättern und einen Kugelschreiber. Wir lassen uns an einem Tisch nieder und Sam liest den Vertrag aufmerksam durch. Ich beobachte ihn, richte meinen Blick dann aber auf den Tisch, weil ich Sams Anblick nicht länger ertragen kann. Er zeigt mir immer wieder, dass ich ihm nichts bedeute, dass ich seine Sklavin bin.

"Und.. Wissen Sie schon was es wird?", fragt der Mann und ich schrecke aus meinen Gedanken.

"Nein, nein. Ich ähm.. Ich bin noch sehr am Anfang.", rede ich mich heraus und hoffe, dass er es dabei belässt. Doch zu meinem Pech hakt er nach.

"Wie weit sind Sie denn schon?"

Gerade als ich antworten will legt Sam den Kugelschreiber geräuschvoll auf den Tisch und sagt lächelnd "Sechs Wochen". Dann hält er dem Mann die Papiere hin und erhebt sich. Ich tue es ihm gleich und er legt eine Hand um meine Taille.

"Wenn das so ist, Sir, willkommen in ihrem neuen Zuhause. Viel Glück Ihnen beiden."

"War das nötig?", zische ich Sam an, nachdem der Mann unsere neue Wohnung verlassen hat.

"Was soll ich denn sonst sagen wenn du plötzlich grundlos anfängst zu heulen?"

Ich antworte nicht und sehe stur zur Seite. Sam legt einen Finger unter mein Kinn und dreht mein Gesicht gewaltsam zu ihm, sodass ich ihm in die Augen sehen muss.

"Antworte!", brüllt er und ich zucke vor Schreck etwas zurück. Nun war ich erst recht unfähig etwas zu antworten und meine Schwäche trat wieder hervor. Eine einzelne Träne läuft mir über die Wange und ich versuche Sams Blick Stand zu halten.

"Du sollst hier nicht rumheulen sondern mir verdammt nochmal antworten! Du hast zu antworten wenn ich dir eine Frage stelle!",brüllt er erneut, doch ich bleibe still.

Dann entfernt sich Sams Finger von meinem Kinn, ich kassiere einen Schlag ins Gesicht und werde plötzlich mit hoher Geschwindigkeit nach hinten geschoben bis ich hart gegen die Wand geschubst werde.

"Eigentlich wollte ich mir das für morgen aufbewahren, aber wie sagt man so schön? Was du heute kannst besorgen, verschiebe nicht auf morgen.", sagt er bedrohlich und seine Hand wandert über meine Bluse.

"Nein.",wimmere ich als er den ersten Knopf öffnet, doch Sam lässt sich nicht abhalten.

"Sei still oder willst du noch eine Ohrfeige?", sagt er verärgert und widmet sich meinem zweiten Knopf.

"Lass das Sam!"

Sam holt aus und will gerade mit großer Wucht zuschlagen, als die Türe plötzlich aufgerissen wird und mit einem lauten Knall gegen die Wand kracht. Doch als ich meinen Retter sehe erstarre ich und meine Angst wächst. Mein Blick schweift von Sam zu dem Mann der die Tür geöffnet hat und jetzt eine Waffe auf Sam richtet. Doch das erschreckendste ist nicht die Waffe in der Hand des Mannes, sondern dass er genauso aussieht wie Sam.

"Dein Spiel ist vorbei, Samuel Scholz.", sagt er und kommt mit der erhobenen Waffe auf uns zu. Samuel? Was redet er da?

"Lass das Mädchen los.", fordert er ihn ruhig auf, doch Sam oder wohl eher Samuel reagiert nicht.
"Ich sagte du sollst Chloé loslassen!",brüllt er dann und richtet die Waffe noch weiter auf Sam.

Sams Griff lockert sich und ich kriege vor Angst kaum noch Luft. Was geschieht hier und was soll 'Dein Spiel ist vorbei, Samuel Scholz.' heißen und vorallem wer ist mein Entführer in Wirklichkeit und wer ist der Mann der mit einer Waffe vor mir steht. Sam hat sich nun ganz von mir entfernt und hebt langsam die Hände. Ich presse mich an die Wand. Der bewaffnete Mann streckt langsam eine Hand nach mir aus und berührt mich erst am Arm und zieht mich dann, als ich keine Reaktion zeige, langsam zu ihm.

Unwissend wem ich hier trauen kann lasse ich mich mitziehen und sehe zu Sam, der immer noch mit erhobenen Armen da steht.

"Vertrau mir.", flüstert der Mann mir zu und läuft rückwärts auf die Tür zu. Dabei hält er die Waffe immer noch auf Sam gerichtet. Als wir an der Tür ankommen, werde ich ruckartig in einem hohen Tempo mitgezogen.

"Lauf!", sagt der Fremde zu mir und zieht mich mit.

"Ich werde dich immer finden, Chloé, immer! Du wirst nie in Sicherheit sein solange ich lebe, das schwöre ich dir! Man sieht sich immer zwei Mal im Leben, Chloé!", brüllt mein früherer Entführer mir hinterher.

Und er sollte Recht behalten.

DoppelgängerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt