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"Sam, ich kann das alleine.", sage ich zum gefühlt hundertstem Mal an diesem Tag.

"Ich will aber mitkommen.", schmollt Sam und verschränke meine Arme vor der Brust und stöhne genervt.

"Sam! Der Supermarkt ist um die Ecke. Ich kann das alleine, okay?"

Ich gehe auf die Haustür zu und öffne sie. Dann sehe ich nochmal zu Sam und schließe die Tür seufzend wieder. Ich gehe zu ihm und umarme ihn schnell.

"Frag Liam ob er mit dir Videospiele spielt. Ich bin in spätestens einer Stunde wieder da, okay?"

Endlich nickt Sam, wenn auch unzufrieden, und ich wende mich wieder der Tür zu. Der Supermarkt sieht von draußen dann doch nicht so klein aus, wie ich ihn mir vorgestellt habe, aber das habe ich mir ja selber ausgesucht. Ich hätte schließlich auch in einem Café arbeiten können, aber ich denke, dass mir das nötige Geschick fehlt. Also betrete ich den Laden und wende mich an einen Mitarbeiter.

"Hey, ich habe einen Termin bei Mr. Fray. Können Sie mir sagen wo ich ihn finde?", frage ich und der Mitarbeiter sieht gestresst zwischen mir und der Ware, die er wahrscheinlich noch einräumen soll hin und her.

"Ja, klar. Ich bringe dich schnell hin. Das hier kann warten.", antwortet er und winkt mir zu. Ich folge ihm durch den Laden und sehe mich etwas um. Wir gehen durch eine kleine Türe in das Lager und durch eine weitere Türe in ein Büro. Hinter dem Schreibtisch sitzt ein älterer Mann und liest sich konzentriert einen Stapel Papier durch. Als er uns eintreten hört, sieht er auf und setzt ein Lächeln auf.

"Guten Tag. Schön, dass sie es haben einrichten können, Mrs.."

"Nennen Sie mich bitte einfach Chloé.", unterbreche ich schnell und ernte ein Lächeln.

"Setzen Sie sich doch, Chloé."

Ich nehme Platz und der Mitarbeiter verlässt das Büro wieder, sodass ich mit dem Geschäftsführer alleine bin.

"Sie könnten sich also vorstellen hier zu arbeiten?", fragt er freundlich und rückt seine Brille zurecht.

"Ja, ich habe gerade erst mein Abitur gemacht und sehe das als gute Möglichkeit noch etwas nebenbei zu verdienen.", antworte ich und spiele mit meinen Fingern. Ich hoffe, dass er mich nicht fragt ob ich studiere, denn dann fliege ich auf.

"Sehr gute Entscheidung. Haben Sie denn schon Erfahrungen in diesem Beruf?"

"Nein, ich hatte durch die Schule immer sehr wenig Zeit und habe nur ein paar Stunden Nachhilfe geben können. Um ehrlich zu sein wäre das mein erster richtiger Job.", antworte ich so ruhig wie möglich und als Mr. Fray lächelt fühle ich mich sicherer.

"Okay, ich denke da lässt sich was machen. Wie wäre es wenn Tim dich heute etwas herumführt und dich dann ab morgen einarbeitet?"

Erfreut nicke ich. Ich weiß zwar nicht wer Tim ist, aber der Job ist mir sicher. Mr. Fray greift zum Telefon und informiert den mir unbekannten Tim darüber, dass er im Büro des Geschäftsführers erwartet wird. Kurze Zeit später klopft es und ein junger Mann, ich schätze ihn auf Anfang zwanzig, betritt den Raum.

"Tim, das ist Chloé. Du wirst sie ab morgen einarbeiten aber für heute wäre es genügend wenn du ihr unseren Betrieb zeigst.", erklärt Mr. Fray und Tim sieht zu mir.

"Okay. Komm, Chloé."

Fasziniert von dem Notenschlüssel-Tattoo unter seinem Ohr stehe ich etwas zu spät auf und kann die Belustigung an Tims Gesicht ablesen. Seufzend folge ich ihm aus dem Büro und sobald wir wieder im dunklen Lager stehen gibt er mir Zeit mich etwas umzusehen. Überall stehen Kartons und ich weiß nicht, ob ich mich hier jemals zurecht finden werde.

"Keine Sorge, ich werde dir in der ersten Zeit helfen.", sagt Tim, der meine Unsicherheit scheinbar bemerkt hat.

"Das ist sehr nett, danke.", erwidere ich und folge ihm zurück in den Supermarkt. Tim führt mich herum und zeigt mir alle wichtigen Bereiche. Er ist mir sympathisch und die Nervosität sinkt mit jeder Sekunde.

"Gut, das war alles. Treffen wir uns morgen um acht hier?", fragt er und ich nicke freundlich. Wir verabschieden uns und ich gehe den kurzen Weg zurück zu Sams Zuhause. Als ich den Schlüssel ins Schloss stecke höre ich schon Schritte und kurze Zeit später steht Sam vor mir.

"Sam, ich hab dir doch gesagt, dass mir nichts passiert.", sage ich und hänge meine Jacke an den Haken.

"Tut mir leid.. Wie war es denn?"

"Ich hab den Job. Morgen um acht fange ich an.", erzähle ich strahlend und auch Sam quält sich zu einem Lächeln.

"Du hast den Job? Glückwunsch! Siehst du, Sam, ich hab es dir doch gesagt!", sagt Liam begeistert, während er auf uns zugeht. Er schließt mich in die Arme und ich kann mir ein Grinsen nicht verkneifen.

"Möchtest du etwas essen?", fragt Sam und ignoriert Liams Aussage gezielt.

"Nein danke. Hey, das Wetter ist echt schön, wieso gehen wir nicht in den Garten?"

Sam seufzt, erntet einen warnenden Blick von Liam und stimmt schließlich zu in den Garten zu gehen. Wir setzen uns an den Tisch auf der Terrasse und beantworten zusammen mit Sam Fanpost. Und aus irgendeinem Grund bin ich verdammt glücklich.

Es ist der Tod, der Trost und Leben schenkt;
Er ist das Ziel, das einzig Hoffnung macht,
Ein Elixier, das uns berauschend tränkt,
Und Mut gibt, durchzuhalten bis zur Nacht,

Durch Sturm und Schnee ist er das schwache Licht,
Für uns am dunklen Horizont entzündet;
Ist jene Bleibe, die das Buch verspricht,
wo man zur Rast ein Mahl und Schlummer findet,

Ein Engel, dessen Finger lockend zeigen
Den Schlaf und Träume, die uns übersteigen;
Armen und Nackten er ein Bett bereitet;

Der Götter Ruhm, der Speicher, der nie leer,
Der Armen Beutel, Heimat von jeher,
Das Tor, das uns zu fremden Himmeln leitet!

[La Mort des Pauvres

C'est la Mort qui console, hélas! et qui fait vivre;
C'est le but de la vie - et c'est le seul espoir
Qui, comme un élixir, nous monte et nous enivre,
Et nous donne le coeur de marcher jusqu'au soir;
A travers la tempête, et la neige, et le givre,
C'est la clarté vibrante à notre horizon noir
C'est l'auberge fameuse inscrite sur le livre,
Où l'on pourra manger, et dormir, et s'asseoir;

C'est un Ange qui tient dans ses doigts magnétiques
Le sommeil et le don des rêves extatiques,
Et qui refait le lit des gens pauvres et nus;

C'est la gloire des Dieux, c'est le grenier mystique,
C'est la bourse du pauvre et sa patrie antique,
C'est le portique ouvert sur les Cieux inconnus!

Charles Baudelaire ]

DoppelgängerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt