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Zischend wandte Yoongi seinen Blick von der Tür ab und wütend auf sich selber ließ er den Mantel zu Boden fallen. Er hasste es mit Jong-Hun zu streiten. Er hasste diese Funkstille, die sie dann immer hatten. Die Distanz, die Yoongi ertragen musste.

Er rieb sich über sein Gesicht, blickte auf die Fensterscheibe auf der gerade noch Jimin's Handabdrücke zu sehen waren und irgendwie konnte er seinen eigenen Worten keinen Glauben mehr schenken. Jong-Hun hatte recht. Da war niemand, der ihm etwas sagen wollte. Das konnte nicht stimmen.

Yoongi legte seine Hand an das kalte Glas und starrte in die Dunkelheit hinaus. Jimin stellte sich dicht neben ihn, er musterte sein Seitenprofil und betrachtete die Details auf seinem Gesicht. Die dunklen Wimpern, die in Falten gelegte Stirn, die kleinen Muttermale auf seinen Wangen. Yoongi war so.. so- »Ist hier wirklich niemand, der mir etwas sagen will?«, sprach er plötzlich leise und Jimin erschrak etwas, hielt inne und sah dabei zu, wie Yoongi konzentriert die Fensterscheibe anschaute. Als würde er hoffen, dass wieder etwas passierte.

»Oder interpretiere ich wie immer zu viel hinein?« Jimin trat noch etwas näher an Yoongi heran, legte dann vorsichtig seine Hand auf dessen Handrücken. Sie ging zwar etwas hindurch, aber Jimin ließ sich davon nicht irritieren. Natürlich spürte Yoongi diese Kälte sofort und mit großen Augen musterte er seine Hand, wie sie binnen weniger Sekunden blau anlief und sich kleine Flocken auf ihr bildeten.

Sie wurde taub, er konnte sie nicht mehr bewegen und irgendwann begannen sie sogar verdächtig zu Kribbeln. Yoongi zog schnell seine Hand zu sich, versuchte sie mit seiner anderen zu wärmen und pustete warme Luft in sie hinein. Jimin ließ es in dem Zimmer wieder etwas kälter werden und schon bald wandelte sich Yoongi's Atmen wieder in kleine Wölkchen um, genauso wie es vor einiger Zeit im Badezimmer gewesen war.

Yoongi war sich nun langsam sicher, dass hier etwas nicht stimmte. Dass hier etwas war. Etwas, dass Kontakt zu ihm aufbauen wollte. Er trat näher an die Fensterscheibe heran, ließ sie durch seinen kalten Atem beschlagen und er rieb sich über seine Arme, wartete zitternd auf etwas. Jimin verstand, setzte mit dem Zeigefinger an und schrieb seinen Namen auf die beschlagene Scheibe: 'Jimin'.

»Jimin?«, wiederholte Yoongi leise und er sah sich im Zimmer um, rieb dann mit mit Ärmel über den Namen und ließ das Fenster wieder beschlagen. »Wieso- wieso bist du hier? Bist du ein Geist?«, fragte er sofort und Jimin zögerte erstmal, sah Yoongi an und wusste nicht, was er antworten sollte. Er wusste doch selber nicht, was er momentan war und warum er hier war. Alles was ihm bekannt war, ist, Yoongi zu helfen. Er musste bei ihm bleiben und herausfinden, wer ihnen das angetan hatte.

'Du wirst diese Nacht sterben.', schrieb Jimin ganz langsam und vorsichtig und er sah die Entsetzung, die sich in Yoongi's Gesicht breit machte. Zwar war seine Nase und seine Wangen wegen der Kälte ganz rot, und trotzdem konnte er die Blassheit erkennen. Wie der Schock seine Adern einfrieren ließ, so wie es die Kälte um ihn herum tat. »Sterben? Aber ich- ich-«

Yoongi fand nicht die Worte, mit denen er sich ausdrücken wollte. Er schien seine Zunge verschluckt zu haben und er konnte nichts als leises Stammeln hervor bringen.

Aufgebracht begann er durch das Zimmer zu gehen, mit seinen Fingern in den Haaren und einer dicken Jacke auf den Schultern. Er tigerte umher, flüsterte sich Dinge zu und das Einzige was Jimin währenddessen tat, war einfach zuzusehen. »Wie soll ich es ihm nur erklären?«, sprach Jimin leise mit sich selbst und bemerkte erstmal gar nicht, dass Yoongi inne gehalten hatte. Er sah sich um, da er ein Flüstern gehört hatte.

Yoongi ging langsam wieder auf das Fenster zu, legte seine Finger an das Glas und strich es entlang. Jimin presste seine Lippen aufeinander, er sah noch immer, wie schwer Yoongi's Atem war. »Kannst du.. das nochmal mit deiner Hand machen?«, fragte Yoongi und nahm seine Finger vom Fenster, trat zurück und rieb seine kalten Hände aneinander.

Jimin's Mundwinkel zuckten hoch und er legte seine Hand an das Fenster, spürte die Flocken unter seiner Haut, wie sie anfingen das Glas zu benetzen. Yoongi war unglaublich begeistert von diesem Anblick, wie das Eis langsam eine Hand abbildete und nun klar und deutlich zu sehen war. Schwach lächelnd legte Yoongi seine Hand neben die von Jimin auf dem Glas ab und er sah zwischen den beiden hin und her. »Deine Hand ist aber klein.«

Überrascht hob Jimin seine Augenbrauen, er kam aber nicht davon leise zu kichern und amüsiert seinen Blick zu senken. Yoongi schmunzelte -denn er hatte das leise Lache gehört- und sah nach links, wo Jimin stand. Er blickte in die Leere, nahm jedoch an dieser Seite die Kälte besonders intensiv war und irgendwie wusste er, dass der Unbekannte dort stehen musste.

»Kann ich dich berühren, Jimin?«, sprach Yoongi leise und er zog den Mantel enger zusammen, streckte seinen Arm aus und griff damit in der Luft herum. Und das durch Jimin hindurch. Aber Yoongi konnte nichts fester ertasten, er hatte einen unsichtbaren Körper oder etwas Widerstand erhofft. Da war aber nur diese eisige Kälte. »Kannst du- also.. kannst du es hier wieder warm machen? Ich erfriere hier sonst noch.« Yoongi kratzte sich im Hinterkopf, während Jimin nur hastig nickte (auch wenn er es nicht sehen konnte) und die Kälte langsam aus dem Raum entweichen ließ. Sein Handabdruck schmolz langsam und die Tropfen des Wassers flossen langsam die Scheibe hinab.

Und dann hob Yoongi seinen Kopf, drehte ihn nach links und sah direkt in Jimin's Augen. Dieser erschrak, als sich in Yoongi's Gesicht das Entsetzen breit machte und ehe er reagieren konnte, verschwand Jimin wieder. Er hinterließ nichts Weiteres, als die letzten Anzeichen seiner Kälte und die Wassertropfen am Fenster.

The legend of the Min family ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt