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Jimin saß auf seinem Bett, ließ leise die Beine baumeln und starrte, wie so oft, auf sein Telefon. Es waren zwei Tage nach diesem äußerst seltsamen Vorfall vergangen und Jimin hatte sich größtenteils davon erholt. Zwar hatte er seitdem die Tür zum anderen Flur nicht mehr geöffnet, aber er kam damit klar. Und irgendwie hatte sich seitdem etwas geändert. Seine Gedanken waren anders, seine Träume hatten Inhalt. Er wurde zwar trotzdem oft von dem Klavier wachgehalten -wie es in seinem Zustand noch spielen konnte ist ihm unklar-, aber diese zwei wenigen Stunden, die er nach den Einschlafen hatte, waren nicht mehr schwarz wie immer.

Seit dem Umzug hatte er keinen richtigen Traum mehr gehabt, aber seit dieser Sache überfüllte sich sein Kopf regelrecht mit Träumereien und Fantasien. Und wessen Schuld war es? Jimin wusste es nicht. Er könnte alles wieder in Yoongi's Schuhe schieben, aber ein Geist konnte doch keine Träume beeinflussen. Außerdem war es Yoongi, der die ganze Zeit in Jimin's Kopf war. Die ganze Zeit. Die ganze, verdammte Zeit..

Jimin betrachtete Yoongi irgendwie mit anderen Augen. Nicht mehr als diesen blöden Störenfried, der ihn beim Duschen beobachtete und so viel reden konnte, dass ihm der Kopf platzte, sondern als einen tollen, süßen Mitbewohner.

Süß.. ja, Jimin fand ihn süß. Durch diese ständige Reizung und Wut, die er in sich hatte, merkte er gar nicht, wie fürsorglich Yoongi doch eigentlich war. Wie neugierig er ihn immer beobachtete, wenn er auf dem Bildschirm herumtippte oder Sachen aß, die der Geist noch nie gesehen hatte. Und währenddessen erzählte Yoongi trotzdem ganz viel. Er wollte unbedingt wissen, wie eine Pizza schmeckte. Er wusste nicht einmal was eine Salami war und Jimin fragte sich, was Yoongi damals überhaupt gegessen hatte. Ihm war so viel nicht bekannt und es gab so viel zu entdecken, zu erleben. Und Yoongi wollte Alkohol probieren. Bier, Wein, Whiskey. Alles, mit dem sich Jimin regelmäßig zuschüttete. Auch wenn er dem Geist erklärte, dass Alkohol nicht so toll wäre wie man es sich vorstellt, beharrt Yoongi darauf.

Und als sich Jimin dann gestern mit Frischhaltefolie um seinen Oberkörper in die Wanne stellte, dann hörte das Geplapper gar nicht auf. Yoongi dachte, es wäre etwas ganz schlimmes passiert und als er die dunkle Stelle unter Jimin's Brust entdeckt hatte, wurde er noch verwirrter. Jimin musste ihm dann gründlich erklären, was eine Tätowierung war und als er seine Belehrung beendete, wollte Yoongi das auch. Er wollte überall Tattoos haben, in seinem Gesicht, seine Arme, seine Beine. Also musste Jimin weiter reden und sagen, dass sowas nicht mehr weg geht und für immer auf der Haut blieb. Dann hielt Yoongi auch schon den Mund und hatte es sich irgendwie anders überlegt.

Auch, wenn man einen Geist so oder so nicht tätowieren konnte.

»Jimin?« Er hob seinen Blick an, schaltete seinen Bildschirm aus und sah direkt in Yoongi's Gesicht. Er wirkte schüchtern und zurückhaltend, was Jimin ziemlich irritierte.

»Hm?«

Yoongi atmete tief durch, setzte sich langsam neben ihn und faltete seine Hände ineinander. Jimin schluckte. »Kann ich dich mal was fragen?« Überlegend sah der Mensch im Zimmer herum, schwang seine Beine hin- und her und zuckte dann mit den Schultern, nickte daraufhin zustimmend. Er hatte irgendwie Angst, was Yoongi da sagen wollte. War es ein Geheimnis? Eine ernste Sache? Ein-

»Diese Frau, die dich das letzte Mal begleitet hat.. wer ist sie?« Erleichtert seufzte Jimin auf. Rio, natürlich. Er wunderte sich bestimmt, wer sie war. Yoongi hatte sie bestimmt immer gesehen, wenn sie den Betrunkenen auf die Veranda gezogen hatte und dann abhaute.

»Das ist Rio, eine Bekannte.« Yoongi sah ihn einige Sekunden zu lange an, was Jimin unwohl werden ließ. Er zog seine Schultern ein wenig zusammen und hielt das Handy in seiner Hand. »Oh..« Oh?

Jimin runzelte seine Stirn. »Ist sie deine Frau? Seid ihr ein Paar?« Nun war es Jimin, der Yoongi lange anstarrte und vor Scham ein rotes Gesicht bekam, ehe er dann anfing, laut loszulachen. Er konnte nicht glauben, was er da gesagt hatte. Rio und er? Das wäre ja mal was!

»Oh Gott, nein! Wie kommst du denn darauf, Yoongi? Bei ihr trinke ich nur immer den Alkohol, mehr ist da nicht.« Yoongi schien sich zu entspannen und seine Gesichtszüge wurden wieder weich. Jimin's Herz machte einen Sprung. Was?

»Ein Glück seid ihr kein Paar. Ihr passt nämlich nicht so gut zusammen, sie wirkt sehr grob.« Jimin ließ sich auf dem Bett zurückfallen und rieb sich die Tränen aus den Augenwinkeln. Ein Glück?

»Oh ja, sie ist wirklich eigen. Sie ist zwar ganz hübsch, aber älter als sie aussieht und nett ist sie auch nicht.« Yoongi nickte verstehend. Er wollte Jimin eigentlich weiter über Rio ausfragen -er schob es auf die Neugierde-, aber er sollte es langsam angehen. Sonst wirkte es noch irgendwie komisch.

»Also.. bist du in keiner Beziehung?« Jimin frohr ein. Seine laute Lache erstickte plötzlich und es blieb nur noch die irritierte Stille, die eine unangenehme Atmosphäre entstehen ließ. Leicht schüttelte Jimin seinen Kopf und sah zu Yoongi, welcher im Schneidersitz zu ihm gewandt war und wiedermal große Augen hatte. »Oh. Das ist schön.«

The legend of the Min family ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt