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Ewan

Ich wrang den nassen Lappen ein wenig aus und legte ihn auf Michelles schweißbedeckte Stirn.

Seit sich die Gesetzeshüter zurückgezogen hatten, war beinahe eine Stunde vergangen und es wurde langsam dunkel.

Wir waren auf der Lichtung geblieben und hatten eine Art Höhle gebaut (wir hatten den Mantel über einen Ast gehängt) in der Michelle seit geraumer Zeit gegen einen Baum gelehnt lag, mit einer Decke über dem Körper bis zur Brust.

Noch lebte sie, aber sowohl ich als auch Francis wussten, dass sie schon die ganze Zeit mit dem Tod kämpfte.

Obwohl wir die Wunde verbunden und gesäubert hatten, trat immer noch heftig Blut aus.

Dazu kam, dass ich im linken Arm, wo mich der Pfeil (den ich mittlerweile komplett entfernt hatte) getroffen hatte, kaum etwas spürte. Ich war mir deshalb ziemlich sicher, dass die Pfeile mit einer Art Zauber, oder Gift einbalsamiert worden waren. Das war vermutlich der einzige Grund, warum sie noch am Leben war.

Michelle öffnete keuchend die Augen und sah sich mit fiebrigem Blick um.

Sie erblickte Francis und lächelte leicht.

„Fran-", sie hustete trocken.

Ihr Partner lehnte sich vor und strich ihr behutsam eine Strähne des schwarzen, nun offenen, Haares aus dem Gesicht.

„Shh. Alles ist gut, ich bin hier", seine Stimme war leise und gebrochen. Ich konnte sehen wie sich bereits wieder Tränen bildeten, als er diese tröstenden Worte sagte.

Mein Herz krampfte sich zusammen.

Sie hob zitternd eine Hand und umfasste mit lockeren Fingern das Handgelenk ihres Geschäftspartners.

Dann richtete ihr Blick sich auf mich.

Sie lächelte ein wenig trauriger.

„Ewan...", sie schauderte eine wenig, „würdest du uns kurz... kurz allein lassen?"

Ergeben nickte ich und stand mit ehrfurchtsvoll gesenktem Blick auf.

Man sollte Sterbenden, vor allem wenn es Freunde waren, immer den größten Respekt zollen.

„D-anke", sie keuchte kurz.

Ich nickte ihr ein letztes Mal zu und verschwand durch den Vorhang den wir gebaut hatten.

Das war vermutlich das letzte Mal, dass ich Michelle jemals lebend zu Gesicht bekommen würde.

Die Realisation schlug wie eine Bombe ein.

Ich beugte mich vorn über und rieb mir mit der rechten Hand über die Augen, um die Tränen wegzuwischen. Mein Atem zitterte und ich musste tief Luft holen.

Mein Magen verkrampfte sich und ich ballte die Hände zu Fäusten.

Das alles... ist meine Schuld.

Zittrig richtete ich mich gerade auf und blickte über die Lichtung.

Cody saß auf einer Decke vor einem Lagerfeuer und starrte in die Flammen.

Er hatte Michelle schon sein „Auf Wiedersehen" gesagt und hatte sich ihr nicht mehr zugewandt.

Ich vermutete, dass ihre Situation ihn an jemand anderen erinnerte. Jedenfalls konnte ich das aus der aufgewühlten Stimmung seiner Aura lesen.

Der Halbmensch hatte überall am Körper Schnitte mit verkrustetem Blut. An manchen Stellen fanden sich sogar blutende Löcher in den Flughäuten der Flügel.

Die Asche des Drachen (Wird momentan überarbeitet)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt