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Ewan

Ich atmete entnervt aus und verschränkte die Hände hinter dem Rücken.

Die Tür war zwar nicht verschlossen worden, ich konnte aber spüren, dass die beiden Wachen sich noch davor befanden.

Unwillkürlich musste ich bitter grinsen.

Er vertraut uns so wenig. Das ist fast schon lächerlich.

Cody stand neben mir und betrachtete die Pforte mit unschlüssiger Miene. Er sah mich aus dem Augenwinkel an und schnippte ein Ohr zur Seite.

„Darf ich fragen, um was es bei deinem Gespräch mit deiner Freundin ging? du schienst ziemlich aufgewühlt."

Mein Magen verkrampfte sich und ich schloss, tief ausatmend, die Augen.

„Sie hat mir berichtet, dass Alec Skåyen, einer meiner Freunde, bei einem Auftrag ums Leben gekommen ist.", „Oh...", er wirkte ernsthaft betroffen, seine Ohren fielen nach unten auf die Schultern. „Das tut mir sehr leid. Geht es dir gut?"

Ich öffnete blinzelnd die Augen und lächelte schwach. „Ja, alles in Ordnung soweit."

Ich wandte den Blick von der Tür ab und besah mir schweigend den Saal.

Ein ovaler Raum von der Größe des Hauptgebäudes an der Bernstein, mit einem ebenfalls ovalen Eichentisch in der Mitte, an dem zahllose Stühle nebeneinander standen. An der rechten Wand befand sich eine weitere Tür, die in einen anderen Gang führte. Etwas im Hintergrund, am Ende des Saals standen, auf einem steinernen Podest in einer Nische der Wand, zwei Throne, die mit Fellen belegt waren. Dahinter hing ein großes Gemälde.

Ich verengte die Augen und ging auf das Bild zu, blieb vor der Erhöhung und den Sitzgelegenheiten stehen und sah daran herauf.

Der Gegenstand hatte eine rechteckige Form und war fast so groß wie mein Oberkörper.

Es zeigte meine Eltern und mich.

Die Einzige, die auf dem Bild lächelte und nicht so aussah, als besäße sie keine Seele, war meine Mutter.

Sie saß auf einem prunkvollen Stuhl und hatte die Hände im Schoß verschränkt. Die schönen, schwarzen Haare hatte sie in einem lockeren Zopf gebunden und über die Schulter gelegt, die Tiara auf ihrem Kopf. Sie trug eines ihrer dunklen, seidenartigen Kleider.

Ich stand daneben, hatte eine Hand auf die linke Armlehne gelegt. Ich trug einen schwarzen Anzug mit einem Mantel, der über die Schultern drapiert und vor der Brust von einem Band zusammengehalten wurde. Das Rosenemblem war in den Stoff eingestickt.

Vater stand hinter dem Stuhl, seine Hände waren nicht zu sehen. Der Blick seiner gemalten Augen war genauso kalt und ausdruckslos, wie ich ihn in Erinnerung hatte. Ich schürzte die Lippen.

„Das bist du."

Ich schreckte zusammen und drehte den Kopf nach rechts, wo Cody neben mich getreten war.

Der Halbdrache hatte offenbar beschlossen, das Thema mit Alecs Tod vorerst in Ruhe zu lassen. Er betrachtete das Porträt mit aufgestellten Ohren und interessiert peitschendem Schweif.

Ich nickte leicht, auf seine Feststellung eingehend.

„Ja, das bin ich."

Er legte den Kopf schief.

„Wie alt warst du damals?"

Ich überlegte kurz.

„Vielleicht zehn- elf? Ich erinnere mich noch, als das Bild gemalt wurde."

Cody breitete die Flügel ein wenig aus.

„Du... siehst ganz anders aus, als jetzt."

Überrascht blinzelte ich.

„Wirklich?", „Mhm.", er nickte und drehte den Schädel noch mehr auf die Seite.

„Deine Haare waren viel kürzer. Und du hattest die Narbe noch nicht", er deutete auf das Gesicht meines gemalten, elfjährigen Ichs.

Instinktiv fuhr ich mir mit der Hand über die linke Wange. Die Narbe, die aussah wie ein dünnes H, hatte ich auch noch nicht so lange. Ich hatte mir den Schnitt bei meinem Sprung aus dem Fenster der Gaststube zugezogen, und offenbar war er tief genug gewesen um eine leichte Zeichnung zu hinterlassen.

Ich summte leise als Zustimmung.

„Außerdem hast du einen ganz anderen Gesichtsausdruck", er sah mich mit unsicherem Blick an. „Ging es dir an dem Tag nicht gut?"

Ich öffnete den Mund um zu erwidern, dass es mir damals kaum gut ging, wurde aber unterbrochen von einer überwältigenden Aura, die sowohl meine Nasenlöcher als auch meine Sicht schlagartig komplett ausfüllte.

Ich erstarrte und fuhr nach hinten herum, richtete mich so gerade auf wie es ging, sah mit starrem Blick auf die aufgestoßene Tür.

Hoch aufgerichtet schritt die große Gestalt die ich seit fünf Jahren nicht mehr gesehen hatte durch die Halle.

Eine Mischung aus Angst, Ehrfurcht, Respekt und Unbehagen kroch meinen Rücken nach oben als ich in die Richtung blickte, aus der Orion Feliciano auf uns zugeschritten kam.


Die Asche des Drachen (Wird momentan überarbeitet)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt