Wohnen bei Floid?! (LeFloid FF)

43. Liebesgrenzen

Als ich heim kam, war Inas Mutter gerade nicht zuhause. Zum Glück, denn um ehrlich zu sein, hätte ich keine Antwort auf ihre Frage, wie es mir denn gehe, gehabt. Ich wusste nicht einmal, ob ich in der Lage gewesen wäre ihr in diesem Moment in die Augen zu blicken, wo ich doch ihren Sohn vor einer halben Stunde noch das Herz gebrochen hatte.

Vorsichtig schloss ich die Haustür hinter mir, zog meine Schuhe aus und schlurfte in Richtung Küche hinfort. Wasser in den Wasserkocher und dann wenig später die Stufen hinab in den Keller und zu Inas Zimmer hinunter schleichen. Ich setzte mich auf das große Sofa, auf dem ich im Moment auch schlief, und lehnte mich zurück. Ich war single...

Der Satz schwirrte immer wieder durch meine Kopf, festigte sich jedoch trotzdem nicht in meinen grauen Zellen. Etwas in mir schien diese Neuigkeit noch nicht verdauen zu können. Und mich deshalb davor schützen zu wollen.

Ich weiß nicht mehr, wie lange ich so da gesessen hatte, an die Wand gestarrt und ab und zu an meinem mittlerweile erkaltenden Tee schlürfte. Meine Gedanken drehten sich im Kreis. Immer und immer wieder. Auf seltsamer Art einer Karussellfahrt gleichend. Im einem Moment noch breitete sich in mir eine unglaubliche Erleichterung aus der Tatsache wegen jetzt nicht mehr das Gefühl zu haben von meinem schlechten Gewissen erdrückt zu werden, weil alles, an das ich denken konnte, wenn Flo sich in meiner Nähe befand, Andy war. Doch schon im nächsten Moment breitete sich Zweifel in mir aus. Was würde nun werden zwischen mir und Flo? Zwischen Halbschwester und Halbbruder? Zwischen Liebe und Familie? Die alten Fragen drangen wieder an die Oberfläche meines Bewusstseins.

War es denn überhaupt die richtige Entscheidung gewesen mich von Andy loszusagen? Oder schaffte ich damit nur noch mehr Probleme?

Jemand klopfte und ohne eine Rückmeldung abzuwarten wurde bereits die Tür einen Spalt breit geöffnet. "Anna?" Es war Inas zartklingendes Stimmchen, das erklang. Noch ehe ich antworten konnte - was ich vermutlich eh nicht gemacht hätte- öffnete Ina die Tür ein wenig mehr und spähte in das Zimmer. "Wie geht's dir? Ich hab schon von Andy gehört, was passiert ist..." Sie war in ihr Zimmer getreten und hatte sich vorsichtig neben mich gesetzt - mit etwas Abstand. Ich seufzte und zuckte nichtssagend mit der Schulter. Ina musterte mich. Die karge Gestalt mit den Augenringen, weil sie vor lauter sich im kreisdrehender Gedanken kein Auge mehr zudrücken konnte und immer mehr begann dem Äußeren ihres Bruders zu gleichen, mit der leeren Teetasse in der Hand. Fahles Licht fiel durch die kleinen Kellerfenster und ließ uns im Halbdunklen.

"Du hast also Schluss gemacht?" Inas fragende Blicke, die mich trafen, sich durch mich hindurch zu bohren schienen. Ich nickte nur und starrte beklommen auf den Boden der leeren Teetasse. "Weshalb?", kam es vorsichtig von ihr. In ihrer Stimme lag nichts Anklagendes, nichts Vorwerfends. Es war eine nüchterne Frage nach dem Grund der Misere und die Zeit war gekommen, dass sie es erfuhr. Gerade wollte ich ansetzen, endlich alles erzählen, als mir Ina doch noch zuvor kam: "Du musst nicht, wenn du nicht willst." Ich schüttelte kurz den Kopf. "Ne.. Ich will das alles endlich los werden." Ina nickte verständnisvoll, als wisse sie bereits, was jetzt kam, vielleicht auch, weil Andy bereits etwas angedeutet hatte, doch das war mir im Moment egal.

"Du erinnerst dich an das eine Gespräch vor etwas mehr als zwei Jahren? Als ich Flo gerade frisch kennen gelernt hatte und die Geschichte mit dem Badesee war? 'N paar Wochen später hab ich dir doch erzählt, dass ich mich in Flo verknallt hätte..." Ina nickte und hörte weiter aufmerksam zu. Vorurteilsfrei und als meine beste Freundin an meiner Seite. "Ich hab das nie gerade biegen können. Ich wollte mich nicht in ihn verknallen. Aber irgendwie hatte ich es doch und als ich dann damals das Wochenende in Berlin gewesen war, haben wir Cocktails getrunken und in seinem Bett DVDs geguckt. In dem Bett, in dem Ina und Flo sonst geschlafen haben..." Ich seufzte. Es hörte sich so falsch an das so zu erzählen und im Nachhinein tat mir Ina so unendlich leid, auch weil sie vermutlich nie den wahren Grund erfahren würde, weshalb das alles in die Brüche gegangen war. "... Als er aufstehen wollte, hab ich ihn zurückgehalten..." Ich schwieg kurz. Es hörte sich nicht nur falsch an. Es fiel auch verdammt schwer es so offen auszusprechen. "Ich hab ihn geküsst... beziehungsweise wir haben uns geküsst. Wir hätten sogar beinahe miteinander geschlafen, aber Flo hat abgebrochen. Er hat dann gemeint, wir sollen das alles einfach vergessen, so weiter machen wie bisher. Wir haben damals auch nicht mehr weiter darüber gesprochen. Unser Kontakt ist darauf hin dementsprechend abgeflaut, aber wir haben versucht so weiter zu machen wie bisher und naja. Ein halbes Jahr später war dann die Geschichte mit Andy, als wir angefangen haben uns öfter zu sehen. Und dann hab ich auf einmal erfahren, dass das mit Flo und Ina auseinander gebrochen war. Ich hab nicht im entferntesten daran gedacht, dass das etwas mit mir zu tun haben könnte, aber das hat uns irgendwie wieder enger zusammen gebracht. Dann war da der Kuss mit Andy und die Gesichte mit der Bennys Geburtstagsfeier. Ich hab irgendwie von Anfang an gemerkt, dass da nicht die gleichen Gefühle vorhanden waren wie bei Flo. Aber ich war trotzdem glücklich mit ihm. Wir hatten ne tolle Zeit und ich hab immer mehr geglaubt, dass das mit uns was Langes werden könnte. Ist es ja letztlich eigentlich auch. Die Gefühle zu Flo hatte ich zu der Zeit wohl halbwegs erfolgreich unterdrückt, bloß, als Flo dann mehr oder minder plötzlich zum Essen vorbeikam und bei uns übernachtet hat, ist das alles wieder so ein bisschen aufgeflammt, aber ich hab's verdrängt so gut wie möglich. Schließlich war ich ja mittlerweile fest mit Andy zusammen. In dem Sommerferien bin ich ja dann wie ausgemacht für ne Woche zu Flo nach Berlin. Da hat sich dann alles aufgeklärt. Ich war nicht die einzige, die Probleme mit ihren Gefühlen hatte. Flo hatte das selbe Problem und deswegen war es auch mit seiner Freundin auseinander gegangen. Er hat mir alles gestanden und wollte, dass ich Andy für eine Weile vergesse, nur uns beide sehe. An dem Tag haben wir uns erneut geküsst und letztlich auch miteinander geschlafen. Es war das erste Mal... und es war so unglaublich schön mit ihm, auch wenn es so verdammt falsch klingt."