3. Hiobsbotschaft

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Ein wenig angetrunken öffnete ich die Haustür vorsichtig und darauf bedacht, dass ich keinen Krach machte. Meine Mutter würde schließlich sicherlich schon in ihrem Bett liegen. Etwas ungelenk kramte ich nach meinem Handy und ließ das Display aufleuchten, doch zu meiner Verwunderung war das gar nicht nötig, denn im Wohnzimmer brannte noch Licht, das auch den Flur noch in dämmrigen Schein erhellte.

"Mum?", fragte ich vorsichtig, als ich ein Schluchzen aus dem Wohnzimmer hörte. Schritt für Schritt näherte ich mich dem Wohnzimmer, wo tatsächlich meine Mutter auf dem großen Sofa saß und vor sich hin weinte. "Mum?!", meinte ich nochmals, nur dieses Mal wesentlich geschockter. Sie blickte auf. "Oh .. Hallo Anna.", kam es von ihr. "Ich hab dich gar nicht bemerkt." Das war mir auch klar gewesen. "Was ist denn los?", fragte ich verwundert. Sie zuckte mit den Schulter und lächelte gequält. "Geht schon wieder.", meinte sie, doch ich schüttelte den Kopf. "Ich will trotzdem wissen was los ist." 

Meine Mutter schniefte und wischte sich mit dem total zerknüllten Taschentuch, das sie zitternd in Händen hielt, eine kleine Träne weg. "Helmut hat die Scheidung eingereicht.", antwortete sie mir dann stotternd. Auch wenn ich es die ganze Zeit über bereits geahnt hatte, dass es irgendwann früher oder später darauf hinauslaufen würde, so traf mich die Nachricht doch mitten ins Herz. 

"Ernsthaft?", fragte ich nach einer Weile. Ich hatte mich erst einmal setzen müssen, um diese Nachricht zu verdauen. Meine Mutter nickte. "Und was bedeutet das jetzt für uns?" Ich registrierte ein Schulterzucken neben mir. "Ich weiß es noch nicht.", antwortete sie und schnäuzte in ihr Taschentuch. "Vermutlich müssen wir ausziehen." Ich schwieg. So lange ich mich zurück erinnern konnte, lebte ich gemeinsam mit meinen Eltern in diesem Haus. Ich kannte gar nichts Anderes. Noch nie zuvor in meinem Leben war ich umgezogen.

Auch mir stiegen nun Tränen in meine Augen und erst jetzt begriff ich die volle Tragweite der Worte meiner Mutter. Scheidung bedeutete schließlich auch, dass ich mich entscheiden musste, wo ich wohnen wollte. Scheidung bedeutete, dass meine Eltern nie wieder gemeinsam am selben Tisch zu Frühstück aßen, ihren Kaffee schlürften und neben bei Zeitung laßen. Scheidung bedeutete, dass ich vermutlich nicht länger in dem Haus wohnte, das ich seit meiner Geburt kannte. 

Meine Mutter reichte mir ein frisches Taschentuch, das ich dankend annahm. Hätte man mich in dem Moment gefragt, warum ich eigentlich genau heulte, so hätte ich vermutlich keine klare Antwort geben können, denn ich weinte wegen so vielem. "Und wo ist Helmut jetzt?", fragte ich, als ich mich wieder etwas einbekommen hatte. Meine Mutter zuckte wieder mit den Schultern. "Vermutlich bei seiner Schwester.", antwortete sie mit zitternder Stimme und stand auf. "Wir sollten ins Bett.", kam es von ihr, während sie noch die letzte Träne wegwischte. Ich nickte zaghaft. 

Wie sehr sehnte ich mich doch in diesem Moment nach Wärme und Geborgenheit. Ich sehnte mich so sehr nach Sicherheit, dass ich sogar an die schönen Stunden mit Flo zurück denken musste. Die Stunden, in denen ich nicht über alles nachgedacht hatte, sondern einfach das tat, was sich richtig angefühlt hatte. 

Immer noch fassungslos saß ich an der Stelle, wo ich zuvor meine Mutter vorgefunden hatte. Von oben hörte ich ein leises, kaum hörbares und von tiefer Trauer getränktes "Gute Nacht." zu mir hinunter wabern. "Gute Nacht ..", flüsterte ich mehr zu mir selbst, als zu meiner Mutter.  

Vorsichtig griff ich nach mein Handy und suchte in der Kontaktliste den einzige namenlose Kontakt, den ich eingespeichert hatte. Es war die Nummer von Flo, die ich Sicherheitshalber behalten hatte. "Unser Vater lässt sich scheiden.", tippte ich langsam ein. Kurz verweilte mein Finger über das Versenden-Symbol, bis ich mich dazu durchringen konnte die SMS tatsächlich zu versenden. Flo sollte zumindest wissen, was sein Vater alles anrichtete und das nun wohl nicht nur er unter den Entscheidungen dieses Mannes leiden musste.

Schritt für Schritt nahm ich die Treppe nach oben und verzog mich in mein Zimmer. Ohne mich umzuziehen oder auch nur die Sweatshirtjacke, die ich trug, auszuziehen, legte ich mich in mein Bett und platzierte mein Handy neben meinem Kissen. Dabei fiel mein Blick auf die zwei DVDs, die ich etwas unsachte neben meinem Bett auf dem Boden platziert hatte. Ich hob die eine auf und starrte auf das Bild. Vorsichtig strich ich über die Verpackung. Meine ganzen Probleme des letzten Jahrs schienen im Vergleich zu dieser Hiobsbotschaft, die ich vor wenigen Minuten von meiner Mutter erfahren hatte, lächerlich klein. Vorsichtig ließ ich die DVD-Hülle los, welche von meiner Bettdecke rutschte und unsanft auf den Boden fiel, während ich mich geplättet nach hinten lehnte. Wie sehr sehnte mich doch in diesem Moment danach einfach schlafen zu können. In eine Welt einzutauchen, die frei von all den Sorgen, all den Kummer und Ängsten vor der Zukunft war. 

Ehrlich gesagt hatte ich vermutet, dass es mir schwerer fallen würde einzuschlafen, doch kaum lag ich in meinem Bett verzehrte sich mein Körper nur so nach Schlaf. Danach meinen Geist durch aufmunternde Träume zu erheitern und von der Realität abzulenken. Nur leider war mir bewusst, dass ich früher oder später wieder eben dorthin zurück kehren musste. 

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Drama, Baby! :D

Wie gesagt: Freu mich immer über Rückmeldung und co ;)
Btw: Die Leute, die's interessiert: Ich hab auf ein kleines Hintergrundinformationsvideo gedreht für diese FF ;) Schaut doch einfach mal vorbei, wenn ihr Bock habt ^-^ (MrLayzylausi)

LG Heide :x

Wohnen bei Floid?! (LeFloid FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt