Kapitel 17: Ferienjobs

71 6 0
                                    

„Dottie, darf ich ein Eis haben?"
„Jetzt noch nicht, Hazel. Später gehen wir alle zusammen eins essen. Bis dahin musst du dich, wie alle anderen auch, gedulden."
„Dottie, warum sind deine Augen nicht mehr weiß?"
„Weil ich wieder sehen kann, Megan. Und jetzt komm her und lass mich dir deine Schwimmflügel anziehen."
„Also ich brauche schon keine Schwimmflügel mehr, schau mal!"
„Kevin, noch nicht ins Wasser! Wir gehen alle zusammen!"
„Sag mal, Dottie, weißt du, wo wir die Sonnencreme hin gepackt haben?", fragte Alex mich und kramte hastig in einer der vielen Badetaschen, die schon überquollen.
„Können wir nicht einfach ohne Sonnencreme reingehen?"
„Nein, Emily, sonst bekommt ihr noch Sonnenbrand.", antwortete Betsy, während sie versuchte Chad die Schwimmflügel anzuziehen. „Hailey, kannst du mal in der grünen Tasche nachschauen?"
Ungeschickt ließ Hailey ihre Sonnenbrille fallen. „Einen Moment, ich muss noch Felix mit den Schwimmflügeln helfen."
„Keine Sorge, ich hab sie!", rief Gwendolyn schließlich und warf Alex die Sonnencreme zu. Schnell begann sie, die Kinder einzucremen. Nachdem auch ich damit fertig war, den Kindern zu helfen, ließ ich meinen Blick schweifen.
Es war ein heißer Sommertag und die Sonne brannte gnadenlos. Und aus diesem Grund, hatten meine Schwestern und ich beschlossen mit den Nachbarskindern ins Freibad zu gehen. Da wir über den Sommer sowieso als Babysitter für so ziemlich die gesamte Nachbarschaft engagiert wurden, mussten wir sie schließlich auch beschäftigen. Das Freibad war in diesem Falle also die beste Lösung für alle Parteien. Langsam wanderte mein Blick zum Bademeistersitz, auf dem Heather Holloway in einem knalligen, roten Badeanzug saß und die Besucher beobachtete. Auf der gegenüberliegenden Seite des Schwimmbeckens lag Karen Wheeler mit ihren Freundinnen und sonnte sich auf einer Liege. Im Wasser tobten Kinder aus allen Altersgruppen, warfen sich Bälle zu, veranstalteten Wasserschlachten und vor allem kreischten sie. Als mir bewusst wurde, dass ich mich auch bald dort hineinstürzen musste, seufzte ich.
„Hey, Dottie.", rief Cordelia mir zu und wippte mit den Augenbrauen. „Schichtwechsel."
Überrascht weiteten sich meine Augen und ich grinste. War die Zeit schon so schnell vergangen? Schnell blickte ich wieder zum Bademeistersitz und sah, wie Heather hinunterstieg und sich auf den Weg zurück ins Gebäude machte. Vorfreude kam in mir auf und mein Herz schlug schneller. Schon seit zwei Wochen kamen wir regelmäßig her, doch nahmen die Schmetterlinge im Bauch nie ab. Jedes Mal schien es, als bewegte sich alles in Zeitlupe. Die Tür zum Hauptgebäude öffnete sich und... Billy trat heraus. Seine Haare waren länger geworden, sein Schnauzer war ebenfalls gewachsen und er trug eine Sonnenbrille. Mit seiner knallroten Badeshorts und der Trillerpfeife um den Hals ging er lässig auf unserer Seite des Schwimmbeckens entlang. Ich stand auf und war bereit, ihm entgegenzukommen. Langsam senkte er seine Sonnenbrille und zwinkerte mir zu. Grinsend trat ich ihm gegenüber. Sanft packte er mich an der Taille, zog mich zu sich heran und küsste mich. Als wir voneinander abließen, nahm ich meine Sonnenbrille ab und sah ihm in die Augen.
„Meine süße Dot.", begann Billy grinsend. „Was verschlägt dich hierher?"
Ich schnaubte belustigt und zwinkerte. „Die schöne Aussicht."
Daraufhin lachte er und steckte mich direkt an. Noch immer ließ mich sein charmantes Lächeln dahinschmelzen wie am ersten Tag. Liebevoll sah er mich an, doch dann verging sein Lächeln ein wenig.
„Du versteckst deine Augen ja immer noch."
Seufzend wich ich seinem Blick aus. „Die Menschen sind gelbe Augen nun mal nicht gewöhnt. Also muss dunkelbraun wohl ausreichen."
„Sie sind nicht gelb, sondern golden. Außerdem kannst du es doch auf deine ‚Augenkrankheit' schieben."
„Ich weiß, ich weiß. Vielleicht wenn ich aufs College gehe, da wird mich sowieso niemand kennen."
Billy seufzte und gab sich geschlagen, da wir diese Diskussion schon oft genug geführt hatten. Ich konnte verstehen, dass er sich Sorgen machte. Seitdem ich schockiert feststellen musste, dass ich nun auch goldene Augen hatte, war ich in einem Zwiespalt gefangen. Ich wollte mir selbst treu bleiben und mich nicht mehr verstellen müssen, jedoch war ich gerade an einem Punkt angelangt, von dem ich niemals zu träumen gewagt hätte. Anstatt ein Freak zu sein, gehörte ich nun endlich dazu und da diese Veränderung noch nicht lange her war, war sie noch fragil. Ich wollte mein Glück nicht aufs Spiel setzen, nur weil ich eine seltsame Augenfarbe hatte. Deswegen setzte ich meine Kraft ein, um meine Augenfarbe zu ändern. Inspiration dafür, waren Alex wunderschöne, warme Augen, die mir Kraft schenkten. Bedauernd musterte Billy mich einen Moment, fuhr jedoch fort.
„Jedenfalls fragen Susan und mein Vater, wann du das nächste Mal zu Besuch kommst. Die scheinen nicht genug von dir bekommen zu können. Naja, ich auch nicht, aber das ist eine andere Geschichte."
Überrascht blinzelte ich mehrmals und musste schmunzeln. „Tatsächlich? Das freut mich zu hören, aber ich war doch erst letzten Donnerstag bei euch zu Abend essen."
„Ganz genau.", bestätigte Billy und begann meinem Blick auszuweichen. „Es ist nur so, dass... Wenn du da bist, ist alles viel einfacher, weißt du? Mein Dad ist dann weniger ein Arschloch und das kann ziemlich erfrischend sein."
Betroffen seufzte ich und nickte. „Ja... Ja, klar. Ich sollte morgen Abend frei haben, wenn das so kurzfristig okay ist."
Billy nickte und lächelte etwas. Sein Vater war schon immer gewalttätig gewesen, wodurch eben auch seine Mutter ihn verlassen hatte. Es überraschte mich nicht, dass Mr. Hargroves Wesen sich änderte, sobald jemand zu Besuch war, der kein Familienmitglied war. Schließlich musste er den äußeren Schein wahren. Jedoch musste ich zugeben, dass ich gerne zu Besuch war. Einerseits, da ich wusste, dass ich ihnen einen Abend mit diesem Tyrannen erleichtern konnte und andererseits, weil ich mich so gut mit Susan verstand. Max jedoch, war nicht sehr begeistert. Weniger aus dem Grund, dass sie mich nicht mehr leiden konnte, aber umso mehr, dass sie Billy nicht gönnen wollte, glücklich zu sein. Noch immer konnte ich nicht fassen, was sie vor den Ferien gesagt hatte. Ich konnte (und wollte) mir gar nicht vorstellen, wie es sein musste, jemanden so sehr zu hassen, dass man sich seinen Tod wünschte. Naja, obwohl...
„Hey, ist das nicht Will?"
Als ich mich umdrehte, sah ich wie Will mit einer großen Tasche und Badesachen auf uns zukam. Zur Begrüßung lächelte ich ihn an und wuschelte ihm durch die Haare.
„Na, Großer?"
„Hi Dottie, hi Billy.", begann Will außer Atem und Billy nickte ihm zu. „Tut mir leid, dass ich so spät bin, musste noch ein paar Sachen im Supermarkt besorgen."
„Keine Sorge, wir sind noch nicht mal damit fertig geworden, alle einzucremen und die Schwimmflügel anzuziehen."
Will lachte. „Ich nehme an, Kevin besteht immer noch darauf, ohne Schwimmflügel zu schwimmen."
„Yup. Wäre super, wenn du ihn vom Gegenteil überzeugen könntest."
„Bin schon dabei.", bestätigte Will, nahm seine Tasche vom Boden und trug sie schwerfällig zu unseren Liegen. Da Mike und Lucas ständig mit ihren Freundinnen Elfie und Max beschäftigt waren, beachteten sie Will kaum noch. Oft ließen sie ihn sitzen oder logen, sie hätten wichtigeres zu tun. Jonathan arbeitete mit Nancy bei der lokalen Zeitung und da auch er in einer Beziehung war, kam Will mal wieder zu kurz. Dustin war in einem Wissenschafts-Feriencamp namens „Camp Know Where" und würde dort noch weitere zwei Wochen bleiben. Auch ich vermisste ihn sehr, aber da er bald wiederkommen würde, machte ich das Beste daraus. Deswegen hatte ich Will angeboten, uns mit der Nachbarschaftsherde zu helfen. Er konnte sich ein wenig Taschengeld dazuverdienen (das ich ihm heimlich gab) und wir konnten Zeit miteinanderverbringen. Und da wir oft ins Freibad gingen, sah ich Billy ebenfalls nicht selten.
„Also gut, ich muss dann mal arbeiten.", sagte Billy schließlich und sah mich liebevoll an. „Wir sehen uns später. Ich liebe dich."
Ich musste grinsen. „Ich liebe dich auch."
Sanft küsste er mich ein letztes Mal und setzte dann seinen Weg zum Bademeistersitz fort. Sehnsüchtig sah ich ihm hinterher, doch die Arbeit rief... und das ziemlich laut.

„Habt ihr diesmal den ganzen Kindergarten mitgebracht?", fragte mich Robin Buckley und zog eine Augenbraue hoch. Naserümpfend musterte sie mit ihren blauen Augen die Horde, die wir unterbringen mussten. Kurz strich sie sich eine Strähne ihres braunen, halblangen Haares hinters Ohr und wandte ihren Blick wieder zu mir.
Ich seufzte und nickte. „Glaub mir, es ist schlimmer als es aussieht."
Grinsend nahm sie meinen Zettel mit den Bestellungen entgegen und las ihn durch. Ich kannte Robin bereits aus der Schule. Sie war bei den Bläsern und wie Nancy einen Jahrgang über mir. Seit den Sommerferien hatte sie einen Job bei „Scoops Ahoy", einem Eiscafé in der neueröffneten Mall „Starcourt". Die Tür zum Personalbereich öffnete sich und Steve trat heraus. Er trug, wie Robin, ein kitschiges Marine Outfit mit passendem Hut und sah alles andere als begeistert aus, als er die Kindergartenhorde erblickte.
„Dottie...", seufzte er quengelig. „Hast du mittlerweile jedes Kind in Hawkins adoptiert?"
Ich schnaubte belustigt und zog eine Augenbraue hoch. „Jedes dieser Kinder hat Eltern. Und die sorgen für ordentlich Trinkgeld. Also weniger beschweren, mehr arbeiten!"
Lässig, aber bestimmt schob ich ihnen die Geldscheine über den Tresen und grinste sie an. Robin erwiderte das Grinsen und widmete sich schließlich, zusammen mit Steve, der langen Liste an Eisbechern. Zufrieden drehte ich mich um, erblickte das reinste Chaos und war bereit, mich wieder umzudrehen. Ich atmete tief durch, erinnerte mich daran, dass es nur noch ein paar Stunden sein würden und setzte mich wieder an die zusammengeschobenen Tische. Wieder mal zog Kevin an Megans Haaren, doch Francesca ging dazwischen. Megan hatte sehr lockiges, krauses Haar und wenn es sich verknotete, war es für sie schmerzhaft rauszukämmen. Seufzend widmete sich Francesca ihren Haaren, während ich Megan versuchte abzulenken, damit es ihr erleichtert wurde. In dem Moment kamen schon die ersten zwei Eisbecher und ich half Robin dabei, sie abzustellen. Als ich mich jedoch wieder Megan widmen wollte, stellte ich fest, dass Francesca es bereits geschafft hatte, und war verblüfft, da Megan nicht einmal gemeckert hatte. Anerkennend nickte ich Francesca zu, die mich angrinste und wir fuhren damit fort, die Kinder ruhig zu halten.

Ohne auch nur ein einziges Mal anzuhalten, rannte ich so schnell ich konnte. Dabei musste ich aufpassen, nicht über die fleischigen Ranken zu stolpern, die sich über den Boden wanden. Mein Herz raste, meine Lunge brannte, mein Kopf pulsierte, doch hatte ich keine Wahl. Ich durfte unter keinen Umständen stehen bleiben. In der Ferne sah ich einen dunklen Himmel, der durch Blitze, von Zeit zu Zeit, in ein kräftiges Rot getaucht wurde. Als ich einen Blick über die Schulter warf, bereute ich es sofort. Ein Nebel aus purer, undurchsichtiger Dunkelheit kam immer näher und schien selbst diese Welt, die schon so düster war, zu verschlingen. Diese Dunkelheit hatte eine Macht, die selbst das Upside-Down nicht besiegen konnte. Und das bedeutete, dass ich erst recht nicht dazu imstande war. Getrieben von Angst und Verzweiflung, biss ich die Zähne zusammen und rannte immer weiter, auch wenn mein gesamter Körper vor Schmerzen beinahe zusammenbrach. Ich durfte nicht stehen bleiben. Ich konnte sie nicht im Stich lassen. Meine Schwestern. Mutter. Billy. Dustin, Will, Chrissy, Nancy und noch so viele mehr. Sogar Stimmen, die ich nur flüchtig kannte. Sie alle riefen nach mir. Sie schrien meinen Namen in Schmerz und Verzweiflung, in der Hoffnung, dass ich ihnen zur Hilfe eilen würde. Das versuchte ich auch. Doch egal, wie schnell und weit ich lief, ich konnte sie einfach nicht erreichen und die Stimmen kamen kein Stück näher. Auch wenn kein Ende in Sicht war, wusste ich, dass mein Versagen fatale Konsequenzen haben würde, die ich nicht bereit war hinzunehmen. Doch egal wie sehr ich es versuchte, egal wie viel Hoffnung ich hatte... Die Dunkelheit kam immer und immer näher... bis sie schließlich mein Herz ganz und gar verschlang.
„Dottie Lockwood?"
Dustin?
„Entschuldigung, aber... kennen wir uns?"

Ich bin Dottie || Billy & Eddie Stranger Things FanfictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt