Kapitel 3: Pac-Man

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„Und? Sehe ich einigermaßen okay aus?", fragte ich Alex in Eile.
Diese überlegte und seufzte anschließend. „Ja, naja."
„Was ‚ja, naja'?"
„Naja, deine Haare sind ein wenig zerzaust. Und du hast dein Shirt falsch herum an."
„Magst du mir dann vielleicht mit den Haaren helfen?"
Sie lachte. „Ja klar, komm her."
„Danke.", sagte ich erleichtert.
Schnell drehte ich mein Shirt, dessen Farbe ich vergessen hatte, doch vertraute ich auf die Hilfe meiner Schwestern, dass dieses auch zum Rest meines Outfits passte, und Alex machte sich daran, meine Haare in Ordnung zu bringen.
Dann drehte sie meinen Kopf ein Stück zur Seite und schien mich nochmal zu inspizieren, bevor sie mir schließlich das Okay gab.
„Siehst toll aus, Schwesterchen."
Ich lächelte. „Danke."
„HAH! Du siehst scheiße aus!", rief eine mir leider allzu bekannte Stimme. Francesca lachte schelmisch. Ich seufzte. Wer sonst? Doch dann gesellte sich noch jemand dazu.
Cordelia, Francescas Zwilling, war schon immer neugierig gewesen. „Naaa? Wer ist der Glückliche?"
„Es ist kein Date und jetzt raus aus meinem Zimmer!", rief ich genervt.
Die Zwillinge kicherten. „Also kein Date mit Billy?", fragte Cordelia gespielt traurig.
„Also ich würde ja alles geben, um mit ihm zu schlafen."
So langsam war auch ich mit meiner Geduld am Ende. „Francesca, du bist widerlich und jetzt zischt ab!"
Alex, die meine Verzweiflung zu bemerken schien, griff endlich ein. „Raus jetzt, ihr zwei!"
Genervt schnaubten die beiden und äfften, auf ihrem Weg nach unten, Alex nach. Alex lief einmal um mich herum und blieb schließlich vor mir stehen.
„Et voila! Du siehst wunderschön aus, Süße.", sagte sie liebevoll. Alex war die älteste von uns, zusammen mit Betsy, jedoch hatte niemand eine so gute und reine Seele wie sie. Man konnte einfach nicht anders, als sie zu lieben. Natürlich liebte ich alle meine Schwestern, auch Cordelia und Francesca, auch wenn die echt nerven konnten, aber so waren Schwestern nun mal.
Dann setzte Alex sich neben mich auf mein Bett und der süße Duft ihres Parfums stieg in meine Nase. „Ist alles in Ordnung?", fragte sie besorgt.
Ich nickte. „Es ist nur... Vielleicht hätte ich Billy wirklich nicht so abweisen sollen. Immerhin kann ich mich glücklich schätzen, dass überhaupt jemand was von mir will."
„Bitte? Hat mir etwa Gandalf ins Ohr gekackt oder warum höre ich nur Scheiße?", fragte Alex empört und ich konnte nicht anders, als über diese Reaktion zu lachen. Gandalf war unser, schon recht alter, schwerhöriger Kater, der schon länger lebte, als wir alle auf der Welt waren.
Von meinem Gelächter unbeirrt, fuhr sie fort. „Dottie! So wie du mir von ihm erzählt hast, hast du alles richtig gemacht."
Ich beruhigte mich langsam und seufzte anschließend. „Aber... Es ist doch wahr, oder? Ich bin ein Freak."
„Oh Dottie!", sagte Alex verletzt und umarmte mich fest. „Das bist du nicht. Du bist vielleicht anders, aber das heißt noch lange nicht, dass du deine Ansprüche so weit runterschrauben musst! Du musst deinen Wert kennen, denn ich kenne ihn bereits. Finde jemanden, der ihn auch kennt."
Ihre warmen Worte berührten mich und ich drückte mich fester an sie. Ich wünschte, ich wäre mehr wie Alex. Das habe ich mir schon gewünscht, seit wir Kinder waren. Noch immer konnte ich mich an ihre warmen, dunkelbraunen Augen erinnern und ihre roten, lockigen Haare, auf die ich auch schon immer neidisch war. Nichtsdestotrotz habe ich sie nie dafür gehasst, sondern bewundert.
Plötzlich hörte ich das Klingeln der Tür, jedoch nur leise, da mein Zimmer recht weit von unserem Haupteingang entfernt war. Alex und ich sahen auf. Kurze Zeit später, klopfte es an meiner Tür und sie öffnete sich.
„Das niedlichste Date der Welt, wartet unten auf dich, Dottie!", verkündete Betsy mit einem belustigten Unterton.
Ich lächelte. „Bin sofort da!"
Schnell stand ich auf, schnappte mir meine kleine Handtasche und meinen Geldbeutel, in dem sich jede Menge Viertel Dollar gesammelt hatten. Klimpernd quetschte ich ihn in die Tasche, warf sie mir um und lief mit Alex zu unserer Eingangshalle. Als wir die Treppen runterstiegen, hörte ich eine vertraute, süße, lispelnde Stimme.
„Da bist du ja, Dottie!", begrüßte mich Dustin Henderson und umarmte mich herzlich. Ich grinste breit und erwiderte die Umarmung, bei der ich mich ein wenig hinunterbeugen musste, da er mir gerade mal bis über die Brust reichte. Sein Geruch war so ziemlich der sonderbarste, den ich je an einem Menschen gerochen hatte. Seine Klamotten wurden gebügelt, er liebte Snacks wie Schokoriegel und Chips und das alles gemischt mit Jeansstoff, aus dem seine Kappe gemacht wurde.
„Also, bist du bereit?", fragte Dustin motiviert und ich nickte.
„Jederzeit, Dusty."
„Na dann, los!"
Ich verabschiedete mich von Alex und Betsy und ließ mich von Dustin durch die Einfahrt führen.
„Vorsicht, Dottie, da kommt gleich eine Treppe, aber das weißt du bestimmt. Ist ja deine Einfahrt.", bemerkte er und ich musste kichern. Auch wenn ich, was das Laufen betraf, bestens zurechtkam, hielt ich auch Dustin nie davon ab, mir zu helfen. Es machte ihn immer so glücklich, wenn er mir behilflich sein konnte, und das wollte ich ihm nicht nehmen.
Auf dem gesamten Weg erzählte er mir davon, was alles in seinen Lieblingscomics passierte und wie es um ihre „Dungeons and Dragons"-Geschichte stand. Amüsiert hörte ich ihm aufmerksam zu und genoss die einfache Konversation mit einem 13-Jährigen, die unschuldiger nicht hätte sein können, wären da nicht die vielen Schimpfworte.

„Verdammte Scheiße!", fluchte Dustin enttäuscht und ließ von dem Arcadeplayer ab.
Doch Mike blieb hartnäckig. „Dustin, du darfst nicht aufgeben. Du bist der Einzige von uns, der es schaffen kann!"
Dustin seufzte. „Na schön, aber damit das klar ist: wenn ich es schaffe, bekomme ich all eure Snacks!"
Mike, Lucas und Will stimmten eifrig zu und er startete eine neue Runde „Pac-Man". Es war das erste Mal, dass ich mit ihnen in die Arcade kam, da ich sowieso nicht mitspielen konnte, jedoch versprach mir Dustin unter Bitten und Betteln, dass er mir auch alle Spiele so detailliert beschreiben würde, dass ich es mir perfekt vorstellen könnte. Dieses Versprechen hatte er auch eingehalten und bisher fand ich die Erklärung für Pac-Man am interessantesten.
„Naja, es ist ein riesiger runder Laib niederländischer Käse, aus dem ein Pizzastück geschnitten wurde. Dieses fehlende Pizzastück ist sein Mund und mit dem muss er ganz viele Käsebällchen essen während drei Geister ihn verfolgen!", hatte er mit der Begeisterung eines Kindes erzählt, das gerade einen komplett durchschnittlichen Tag hatte, es aber so klingen ließ, als hätte es Hobbits dabei geholfen, den Ring nach Mordor zu bringen. Nach dieser lebhaften Beschreibung klang alles andere eher normal.
Es dauerte noch einige Runden, bis Dustin es schaffte, seinen eigenen Highscore nochmal zu knacken und die Jungs jubelten. Auch ich klatschte amüsiert und sprach meine Glückwünsche aus.
„Also, Dottie. Willst du auch mal?", fragte mich Dustin fröhlich. „Ich kann dir auch zeigen, wie's geht!"
Ich war gerührt und mein Herz wurde weich vor Niedlichkeit. „Klar, warum nicht?"
Die Jungs machten mir Platz und Dustin führte mich an den Arcadeplayer. Er nahm meine Hände, zeigte mir somit, wo die ganzen Knöpfe waren, und erklärte mir, was welcher Knopf bewirkte.
„Aber keine Sorge, das wirst du lernen, wenn du spielst!", versicherte er mir. „Bereit?"
Ich nickte und schon ging es los.
„Jetzt nach links! Ja, gut gemacht!", lenkte Dustin mich. Die anderen hatten sich auch um mich herum gesammelt, während sie mir abwechselnd sagten, in welche Richtung ich lenken sollte. Und natürlich waren sie sich nicht immer einig, schließlich waren sie noch Kinder.
„Rechts!"
„Nein, links! Siehst du die Geister etwa nicht, Dustin?"
„Aber sie hätte ein cooles Wendemanöver machen können."
„Links sind aber nur noch drei Bälle, und jetzt muss sie einmal ganz außen rum!"
Unbeirrt ließ ich Lucas und Dustin weiter diskutieren, während Will mich leitete. Unwillkürlich grinste ich. Zeit mit ihnen zu verbringen, ließ mich vergessen, dass ich noch immer ein Freak in der Schule war. Die Kids (und meine Schwestern) waren die Einzigen, die mich eher für eine Superheldin hielten als für eine Durchgeknallte.
Dennoch fehlte uns Elfie. Über das vergangene Jahr, hatte ich immer wieder versucht Kontakt mit ihr aufzunehmen und mich mit ihr zu verbinden, doch es war zwecklos. Es hatte gutgetan, zu wissen, dass ich nicht der einzige „Freak" in Hawkins war. Aber umso mehr schätzte ich die Zeit, die ich mit Dustin, Will, Lucas und Mike verbringen konnte. Dann war es plötzlich nicht mehr schlimm, ein Freak zu sein.
In Gedanken versunken, hätte ich beinahe Mikes Kommentar überhört.
„Hey, wo ist Will?"

Ich bin Dottie || Billy & Eddie Stranger Things FanfictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt