Kapitel 20: Evelyn

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16. Juni 1977

Liebes Tagebuch,
heute haben Dot und ich mit Mama trainiert, um unsere Kräfte besser kontrollieren zu können. Das war echt anstrengend! Aber wir werden immer besser! Dot hat mir dabei geholfen, vertrocknete Blumen zu heilen und wieder zum Blühen zu bringen... Das war so schön! Zu sehen, wie sie wieder zum Leben erwachen, war einfach magisch! Aber als ich es alleine versucht habe, hat es nicht geklappt... Dot hat mich dann aufgemuntert und mir versprochen, es mir richtig beizubringen! Sie ist die beste Schwester überhaupt! Zum Abendessen gab es Kentucky Fried Chicken, total lecker! Aber Mama sagt, es ist nur eine Ausnahme, weil sie heute keine Zeit mehr hatte, etwas vorzubereiten. Vielleicht können wir sie noch überreden, es nochmal zu kaufen... Ansonsten ist heute nichts Spannendes passiert.
Gute Nacht!

25. Juni 1977

Liebes Tagebuch,
irgendwie fühle ich mich komisch. Heute, beim Spielen mit Dot und den anderen, kam es mir so vor, als ob ich Stimmen gehört hätte. Die ganze Zeit sagten sie meinen Namen und wollten, dass ich ihnen folgte. Aber weil ich Angst hatte, habe ich versucht sie zu ignorieren. Die haben sich total gruselig angehört! Ich weiß nicht, ob ich es Mama erzählen sollte. Sie macht sich nur wieder Sorgen. Und was, wenn wir wieder umziehen müssen? Ob Papa dahintersteckt? Irgendwie vermisse ich ihn. Auch wenn er blöd ist. Naja, egal. Jetzt gehen wir noch alle zusammen Eis essen! Dot und ich nehmen auf jeden Fall wieder einen Erdbeereisbecher, denn den mögen wir am liebsten!
Tschüss!

01. Juli 1977

Liebes Tagebuch,
letzte Nacht hatte ich einen Alptraum. Ich war in einer seltsamen, dunklen Welt. Der Himmel war schwarz und ab und zu leuchtete er rot von den Blitzen. Überall waren so ekelhafte graue Ranken. Die Welt sah genauso aus wie zu Hause... nur eben dunkel und kalt. Ich bin die ganze Zeit gerannt, weil mich eine dunkle Wolke verfolgt hat, die geschrien hat. Es waren wieder die Stimmen, wie beim letzten Mal. Als ich aufgewacht bin, musste ich weinen. Aber Dot hat es gehört und mich getröstet. Dann haben wir auf meinem Bett mit kleinen Feuerwerken gespielt. Danach ging es mir schon wieder viel besser! Heute Nachmittag war Dot dann aber weg. Mit ihren Freundinnen aus der Schule spielen. Ich hasse ihre Freundinnen. Nie lassen die mich mitspielen. Auch nicht, wenn Dot sie darum bittet. Ich will auch Freundinnen haben! Aber niemand mag mich. Manchmal wünschte ich, ich wäre Dot. Sie ist immer soooo toll und lieb und jeder mag sie! Aber zum Glück mag sie mich. Ich wüsste nicht, was ich ohne sie tun würde. Sonst habe ich heute nur ferngesehen und ein bisschen Magie geübt. Francesca hat mitgespielt und wollte, dass ich ihre Puppen fliegen lasse. Das hat richtig Spaß gemacht! Mittlerweile muss ich mich scheinbar nicht mehr auf bestimmte Puppen konzentrieren, um sie fliegen zu lassen. Voll cool! Ansonsten ist heute nichts mehr passiert...
Bis morgen!

4. Juli 1977

Liebes Tagebuch,
wieder hatte ich einen Alptraum. Es war derselbe wie die Nacht davor. Doch diesmal schwebte so eine leuchtende, rote Kugel vor mir und ich konnte sie anfassen. Ich habe mich plötzlich ganz stark und mächtig gefühlt. Als ob ich alles schaffen könnte! Doch dann hat mich die Dunkelheit wieder gekriegt und ich bin aufgewacht. Der ganze Tag war seltsam. Ständig hörte ich Stimmen und sah, wie sich Papa in den Schatten versteckte. Das war merkwürdig, denn er kann doch gar nicht hier sein... oder? Die anderen haben nicht reagiert, also scheinen sie ihn nicht sehen zu können. Bilde ich mir das nur ein? Werde ich verrückt? Ich weiß nicht, ob ich Dot davon erzählen sollte. Naja, fürs Erste lass ich es lieber sein. Ansonsten ist heute nichts passiert. Nur habe ich Bratensoße auf mein Lieblingskleid gekleckert und das muss jetzt gewaschen werden... Bald gehe ich ins Bett, aber zuerst will ich noch herausfinden, was im Garten so ein komisches Geräusch macht. Bin gleich wieder da und erzähle dann, was es war!

08. April 1985

Liebes Tagebuch,
es fühlt sich so lächerlich an, wieder hier reinzuschreiben, aber was soll's? Das letzte Mal, als ich so nen Mist geschrieben habe, war ich neun und dumm. Aber ich dachte mir, heute wäre ein guter Tag, um wieder anzufangen, denn es gibt etwas zu Feiern. Dot, die kleine Bitch, hat es tatsächlich gewagt, meine Kräfte anzuzapfen. Ich nehme an, dass die Blindheit sie so sehr in den Wahnsinn getrieben hat, dass sie sogar dazu bereit war, die Kräfte der Dunkelheit einzusetzen. Schon damals, in New Orleans, hatte ich ihr gesagt, dass es doch so viel einfacher wäre, sich auf die Dunkelheit einzulassen, anstatt sich gegen sie zu wehren. Aber nein. Sie hört ja nicht auf mich. Ich werde nie ihren entsetzten Gesichtsausdruck vergessen, als sie mich aus dem Portal kommen sah, anstelle von Papa. Doch um ehrlich zu sein, hätte ich nie gedacht, dass seine Kräfte mich so viel stärker machen konnten, dass ich dazu in der Lage war, ein so riesiges Portal zu erschaffen. Diese Macht ist einfach unbeschreiblich und ich bereue keinen Tag, dass ich Papa dafür opfern musste. Da ich nun seine Kräfte besitze, gerät er somit immerhin auch nicht in Vergessenheit. Naja, genug von Papa, zurück zu Dot, denn das Beste kommt erst noch. Da sie meine Kräfte angezapft hat, kann ich wieder eine Verbindung zu ihr herstellen, die bisher getrennt worden war. Ich kann sie spüren... sie hören... sie sehen. Sie und ihr... perfektes Leben. Schon damals in New Orleans hätte ich mich übergeben können. Cheerleader, Einser Schülerin, beliebt und wunderschön. Ich sah, wie sie und ihre Freundinnen wie Hühner gackerten, wenn einer der unterbelichteten Footballspieler einen unterdurchschnittlichen Witz brachte. Wie sie sich gegenseitig die Haare flochten, die Nägel lackierten und Makeup auftrugen, während sie über die „süßen Jungs" kicherten. Ich hasse sie. Sie und ihr perfektes Leben. Nicht mal als Kind wollten sie mich mitspielen lassen. Lachten mich aus. Stießen mich in den Dreck. Nannten mich Freak. Bald würde ich ihnen zeigen, was es heißt, ein Freak zu sein. Nachdem man jahrelang in der Dunkelheit gewartet hatte. Sich von ihr hat vergiften lassen, um dann zu erkennen, dass sie das Heilmittel gegen all die Unwichtigen Dinge im Leben war. Die Dunkelheit gab mir Wissen. Kontrolle. Macht. Mich der Dunkelheit hinzugeben, war so ziemlich die beste Entscheidung, die ich hätte treffen können. Denn nun war ich Dot im Upside-Down, wie sie es gerne nennt, haushoch überlegen. Hier hat sie keine Macht. Hier herrschte ich. Das war mein Reich. Mein Leben. Ein Leben, das ich nur ihretwegen führen musste. Doch jetzt bin ich ihr nicht mehr böse deswegen. Eher dankbar. Denn jetzt kann ich dafür sorgen, dass ihres zur Hölle wird. Alpträume. Schlaflose Nächte. Visionen. Jetzt, da ich auch endlich Zugang zu ihren Gedanken habe, kann das Spiel so richtig losgehen! Jetzt muss ich Henry nicht immer vermitteln, was er sie sehen lassen soll, jetzt kann ich sie richtig fertig machen.
Sie und ihre... peinlichen Freunde. Oh Dot... Was ist nur aus dir geworden? Keine Cheerleader? Sportler? Nur „Psychic Witch", huh? Wie fühlt es sich an, der Außenseiter zu sein? Wie fühlt es sich an, nicht immer das zu bekommen, was du willst? Das war nur ein kleiner Einblick in das, was noch kommen wird. Was wäre, wenn dich niemand sehen könnte? Was, wenn du unsichtbar wärst? So wie ich es war? Ungesehen. Unbeachtet. Unbedeutend. Auch wenn du, Dot, das hier niemals lesen wirst, will ich es trotzdem genau an dich richten.
Du wirst leiden. Ich werde dir alles nehmen. So wie mir alles genommen wurde. Du wirst mir gehören. Dein Zimmer. Deine Freunde. Dein Leben. Und sei dir eins gesagt, meine liebste Dot: du kannst dich nicht verstecken.
Endlich bin ich frei.

Ich bin Dottie || Billy & Eddie Stranger Things FanfictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt