Kapitel 19: Der Vierte Juli

62 6 0
                                        

„Und der Hauptpreis geht an den süßen Rotschopf aus der ersten Reihe!"
Enttäuscht stöhnte ich auf. Alex grinste über beide Ohren, trat schwungvoll an den Preisstand und zwinkerte dem gutaussehenden Mitarbeiter zu. Dieser grinste schief und überreichte ihr einen riesigen Teddybären, der einen Hut, eine Fliege und eine Fahne mit der Flagge der Vereinigten Staaten von Amerika trug.
„Hab noch einen schönen vierten Juli.", wünschte der Mitarbeiter meiner Schwester und diese nahm den Preis zufrieden entgegen. Stolz zeigte sie uns ihren Gewinn und wir seufzten.
„Also dann... Wollen wir weiter?", fragte Alex mit gespielter Selbstverständlichkeit.
Schließlich lachte ich. „Ja, ja. Angeberin."
„Aber immerhin müssen wir das Ding nicht tragen.", bemerkte Cordelia neckend. Zunächst lachte Alex, doch dann musste sie feststellen, dass es tatsächlich nicht so einfach war, den Teddybären zu tragen, da ihn seine Größe recht unhandlich machte. Es war einige Wochen her, seitdem wir Schwestern nur zu siebt etwas unternommen hatten, ohne die Nachbarschaftskinder mitnehmen zu müssen. Mutter war seit letzter Woche geschäftlich in Chicago und würde den vierten Juli ebenfalls dort verbringen, da sie auch am nächsten Tag arbeiten musste. Somit hatten wir durchgehend sturmfrei, was dazu führte, dass Alex und ich den Haushalt schmeißen mussten, da es sonst niemand tat. Doch da ich noch immer von Alpträumen geplagt wurde und mir diese Situation mit Billy nicht aus dem Kopf ging, beschlossen meine Schwestern, mich dazu zu zwingen, zumindest heute Spaß zu haben. Zuerst fiel es mir schwer, doch mittlerweile war ich froh darüber, nachgegeben zu haben. Also fand ich mich auf dem hellerleuchteten, blinkenden Jahrmarkt wieder, den unser Bürgermeister Kline veranstaltete. Neben diversen ungesunden Fressbuden und manipulierten Spielständen, gab es auch jede Menge Fahrgeschäfte. Es roch nach Zuckerwatte, Corn-Dogs und Frittierfett. Kinder kreischten und rannten umher, während ihre Eltern ihnen hinterherjagten und sie einfingen, um ihnen den Ketchup von den Mundwinkeln zu wischen. Erneut überkam mich eine Welle der Dankbarkeit, dass uns heute das Kinderchaos erspart bleiben würde.
Entspannt liefen wir zusammen über den Jahrmarkt und gaben uns der guten Laune hin. Sogar Francesca lächelte mir ein wenig zu. Hailey und Gwendolyn sprangen von Stand zu Stand und schauten sich alles an, was es zu sehen gab. Von Weitem konnte ich Mrs. Wheeler, Mr. Wheeler und ihre jüngste Tochter Holly sehen, wie sie dabei waren, das Riesenrad zu betreten. Zufrieden lächelte ich. Vielleicht war es tatsächlich keine schlechte Idee gewesen. Holly erblickte mich und winkte mir begeistert zu. Dann sahen mich auch Mr. und Mrs. Wheeler und taten es ihr gleich. Ich winkte zurück und sah ihnen dabei zu, wie sie im Riesenrad nach oben fuhren und schließlich Halt machten. Für einige Zeit stoppte das Riesenrad. Aufgeregt zeigte Holly in die Ferne und ich musste grinsen. Wie schön musste es sein, diese Welt mit den Augen eines Kindes zu sehen. Momentan wünschte ich mir nichts sehnlicher. Ich schnaubte belustigt, gab mich meinen tiefgründigen Gedanken hin und schloss zu meinen Schwestern auf. Gerade, als ich Alex an meinen Gedanken teilhaben lassen wollte, spürte ich ein Ziehen, ein Kribbeln im Nacken und drehte mich um. Besorgt sah Alex mich an.
„Dottie, ist alles in Ordnung?"
Ich schluckte und sah meine Schwestern ernst an.
„Der Mind Flayer."
„Was? Wie ‚der Mind Flayer'?"
Nun drehten sich auch meine anderen Schwestern um und sahen mich erwartungsvoll an. Schwer atmend, konnte ich nur noch ein paar letzte Worte hervorringen.
„Er ist auf dem Weg ins Starcourt.", sagte ich, bevor ich nur noch Dunkelheit sah.

Ich blinzelte mehrmals. Das Upside-Down. Mit klopfendem Herzen sah ich mich um. Nichts hatte sich verändert. Der Himmel war schwarz und leuchtete rot. Die Blitze, die einschlugen, waren laut. Die Schreie, die aus der Dunkelheit hervordrangen, kamen näher. Ich seufzte und drehte mich langsam um. Da sah ich sie: die undurchlässige, neblige Dunkelheit. Wieder wollte ich weglaufen. Doch bevor ich auch nur einen Schritt machte, entschied ich mich dagegen. Ich wusste, was passieren würde, wenn ich dem Reflex nachgeben würde. Und ich war zu neugierig auf das, was passieren könnte, wenn ich stehen blieb. Nachdem, was letztes Mal passiert war, konnte mich nichts mehr so leicht einschüchtern. Schlimmer konnte es sowieso nicht mehr werden. Meine Atmung wurde schwerer und schneller, je näher der Nebel kam. Im Vergleich zu den anderen Malen, schien er deutlich langsamer zu sein. Ungeduldig lief ich auf ihn zu und ließ die Stimmen lauter werden. Doch ihre Schreie klangen diesmal anders. Normalerweise bettelten sie um Gnade und vor Schmerz. Jetzt waren es Warnungen, voller Angst, was mit mir passieren könnte, wenn ich ihnen zu Nahe kam. Entgegen sämtlicher Vernunft, entschied ich mich dazu, die Warnungen zu ignorieren und lief schneller auf die Dunkelheit zu. Die Schreie wurden lauter, bis sie letztendlich verstummten. Schließlich stand ich der Dunkelheit gegenüber. Langsam hob ich meine rechte Hand und betrachtete sie. Ich erinnerte mich an die leuchtende Energie, die letztes Mal in sie fuhr. Entschlossen schnaubte ich und begann, meine Hand nach der Dunkelheit auszustrecken. Ich erwartete Schmerzen, die mindestens so schlimm war, wie beim letzten Mal. Einen Schmerz, der mich an den Rand des Wahnsinns treiben würde. Doch geschah nichts davon. Zunächst fühlte ich ein Nichts. Eine Leere. Und als ich die Dunkelheit langsam absorbierte, breitete sich ein Gefühl der Zufriedenheit in mir aus. Das Gefühl war kalt und doch angenehm. Erfrischend. Belebend. Diesmal war ich stark genug. Dieses Mal würde ich es mit dem Mind Flayer aufnehmen können.

„Los, Psychic Witch! Du schaffst das!"
Grinsend sah ich zu Will, der mich anfeuerte und schließlich einem schleimigen Tentakel auswich. Schnell erschuf ich einen unsichtbaren Schild, der ihn beschützen sollte. Entschlossen sah ich das riesige, fleischig-schleimige, spinnenartige Monstrum an, das beinahe bis zur Decke des Starcourts reichte, an. Mit aller Kraft ließ ich die großen Wandbrocken zur Seite fliegen und bahnte meinen Weg durch die große Haupthalle der Mall.
„Wow! Dottie, hast du dein Outfit selbstgenäht?!", rief Dustin mir begeistert zu und ich nickte belustigt. Ich trug einen schwarzen Ganzkörperanzug mit Korsett und einem Umhang mit Kapuze, der von einer leuchtenden Pentagramm-Schnalle festgehalten wurde. Der Stoff meines Outfits reflektierte die pinke und blaue Beleuchtung des Starcourts. 

Am Anfang der Sommerferien hatten Will und ich Outfits für Zombie Boy und Psychic Witch entworfen und wollten sie gemeinsam an Halloween (oder wenn uns danach war) tragen

Hoppla! Dieses Bild entspricht nicht unseren inhaltlichen Richtlinien. Um mit dem Veröffentlichen fortfahren zu können, entferne es bitte oder lade ein anderes Bild hoch.

Am Anfang der Sommerferien hatten Will und ich Outfits für Zombie Boy und Psychic Witch entworfen und wollten sie gemeinsam an Halloween (oder wenn uns danach war) tragen. Doch als ich mit meinen Schwestern zu Hause nach Verteidigungswaffen gesucht hatte, dachte ich mir, es wäre ein guter Moment für ein Debut von Psychic Witch.
Die schweren Schritte des Mind Flayers ließen die Erde beben und mich nach Halt suchen. Schnaufend sah ich hinter mir meine Schwestern stehen, auf Anweisungen wartend. Ich atmete tief durch und wand meinen Blick erneut zum Mind Flayer.
„Alex, Betsy! Ihr nehmt eine Schrotflinte und gebt Nancy, Steve, Jonathan, Will und Robin Deckung!"
Beide nickten entschlossen und machten sich sofort auf den Weg. Geschickt bahnten sie sich ihren Weg vorbei an dem Mind Flayer und leiteten die anderen an einen sichereren Platz. Dort bauten sie eine Schutzmauer und versteckten sich. Zufrieden nickte ich.
„Hailey, Gwen, ihr geht nach oben, zu den anderen Kids und kümmert euch um die Feuerwerkskörper.", leitete ich sie an und ließ golden-glitzernde Plattformen in der Luft erscheinen, über die sie mit Leichtigkeit die obere Plattform erreichen konnten.
Schließlich drehte ich mich um. „Cordelia, Francesca. Ihr nehmt die letzten beiden Schrotflinten und haltet mir den Rücken frei, in Ordnung?"
Entschlossen nickten sie mir zu und luden ihre Schrotflinten nach. Der schrille Schrei des fleischigen Mind Flayers ließ mein Blut in den Adern gefrieren und ich schluckte. Ich nahm meinen Mut zusammen und setzte zum Angriff an. Immer wieder traf ich ihn mit Steinbrocken, Feuer und Blitzen, doch er steckte es weg, als wäre es nichts. Schnaufend wich ich seinen Angriffen aus.
Plötzlich traf mich ein heftiger Schlag in die Flanke und feuerte mich gegen eine Säule. Sofort prallte ich ab und fiel zu Boden. Meine Ohren klingelten und die Geräusche der Schlacht waren nur dumpf im Hintergrund zu hören. Ich blinzelte mehrmals und schwer atmend, versuchte ich mich aufzurichten. Der Schlag in die Seite hatte ordentlich gesessen. Ich hustete noch einmal und spuckte dann das Blut aus meinem Mund. Für einen Moment verharrte ich auf den Knien und stützte mich mit den Armen am Boden ab. Wie konnte ich diesen Angriff nur übersehen?
Ein Ziehen, ein Kribbeln zog erneut durch meinen Nacken und meine Augen weiteten sich, als ich endlich erkannte, dass es nicht der Mind Flayer war, der, seit geraumer Zeit, seine Spielchen mit mir trieb. Ich hätte es wissen müssen.
Keuchend sah ich in die Richtung, in die mich mein Gefühl leitete und es war, als sähe ich in einen Spiegel.
Schief grinsend sah Evelyn mich an und amüsierte sich anschließend über meine Entsetzung. „Hast du mich vermisst, Schwesterherz?" 

Ich bin Dottie || Billy & Eddie Stranger Things FanfictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt