Kapitel 12: Freak

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In unregelmäßigen Abständen landeten winzige, eisige Schneeflocken auf meinen Wangen und schmolzen sofort. Die Luft war frisch und angenehm, doch wenn man zu tief und zu schnell atmete, konnte sie schnell in der Lunge stechen. Der Schnee knirschte unter meinen Stiefeln, als ich, zusammen mit all meinen Schwestern, den Waldweg am See entlang marschierte. Mutter meinte, es würde uns guttun, wenn wir mal alle zusammen rausgingen. Und bis auf Cordelia und Francesca hielt es auch jeder für eine gute Idee. Ich spürte ihren genervten, schleppenden und widerwilligen Schritt, gefolgt von übertriebenen Seufzern und einem regelmäßigen „Das ist so ätzend", zu dem ich mir ein Augenrollen und verschränkte Arme vorstellen konnte. Doch versuchte ich, es weitestgehend zu ignorieren und ging, mit Alex eingehakt, voraus. Betsy und Mutter liefen hinter uns und unterhielten sich über ihren Aerobic Kurs, den sie seit Neuestem gemeinsam belegt hatten. Den Schluss bildeten Francesca und Cordelia, die sich über den neusten Klatsch und Tratsch der Schule unterhielten und es stellte sich heraus, dass Stacey wohl doch nicht schwanger war. Noch mal Glück gehabt. Denn mir stellte sich die Frage, von wem das Kind war... Billy oder Kyle? Schließlich hatte sie mit beiden recht kurz hintereinander geschlafen und das hätte Billy nun wirklich nicht gebrauchen können. Doch was mir bei diesem Spaziergang am meisten Freude bereitete, war es Hailey und Gwendolyn, den jüngsten Zwillingen, beim „Spielen" zuzuhören. Es war ihr erstes Jahr auf der High School und da war es schließlich uncool zu spielen, also nannten sie es „trainieren". Sie warfen Schnee, Äste und Steine umher. Wozu fragte man sich?
„Dottie... Dottie, schau mal!", rief Hailey außer Atem. „Also, ähm... naja, nicht schauen, sondern... ach, du wirst es schon merken!"
Sofort kam Gwendolyn, die wir meist Gwen nannten, angelaufen. „Schau mal, was wir können!"
Ich musste herzlich lachen und war gespannt, was die beiden schon wieder vorhatten. Ich konnte hören und spüren, wie sie mit ihren Armen in der Luft rumfuchtelten und so taten, als könnten sie die Elemente beherrschen. Alex, Betsy, Mutter und ich klatschten amüsiert.
„Vielleicht wäre es besser gewesen, ihr hättet die übernatürlichen Fähigkeiten.", bemerkte ich und grinste.
„Oh ja, das wäre es.", kommentierte Francesca ungefragt und schnaubte abfällig. Noch blieb Mutter still, doch ich wusste, Francesca würde später einen ordentlichen Einlauf bekommen. Ich ignorierte es und lächelte weiterhin. Hailey und Gwen liefen umher und ahmten mich weiterhin nach. Doch dann hielten sie inne.
„Dottie?", begann Gwendolyn und ich wusste ganz genau, worum sie mich bitten würde. „Sag mal... könntest du eventuell... naja, du weißt schon..."
Ich blieb still und grinste. Langsam ließ ich den Schnee wie weißen Feenstaub durch die Luft gleiten und die Zwillinge liefen ihm lachend hinterher. Ich konnte ihn spüren, in jeder Faser meines Körpers, mit jedem Atemzug und jedem Herzschlag. Ich konnte ihn kontrollieren und ihn allein mit meiner Gedankenkraft so formen, wie ich es mir vorstellte. Seit der Nacht der Demohunde, hatte ich intensiver trainiert. Zum einen, weil ich all meine Kräfte benötigen würde, um mein Augenlicht wiederherzustellen, was jedoch bisher kläglich gescheitert war, und zum anderen, damit ich meine Fähigkeiten Grenze weiter verschieben konnte. Diese Nacht hatte mir gezeigt, dass ich mein Training zu sehr auf die leichte Schulter genommen und meine Kräfte für selbstverständlich gehalten hatte. Ich hatte mich überschätzt und das war ein Fehler, den ich nicht bereit war, ein weiteres Mal zu begehen. Und weil Hailey und Gwen, zusammen mit Dustin und Will, meine größten Fans waren, kamen sie alle zusammen regelmäßig mit, um mir beim Training zuzusehen.
Haileys und Gwens Lachen erfüllte mich mit Freude. Ich liebte meine Schwestern. Ich liebte sie so sehr.
„Tze... Freak.", machte Francesca nur und Cordelia schnaubte abfällig.
Naja... manche liebte ich mehr als andere. Ich schluckte und bemühte mich, mir nichts anmerken zu lassen. Doch Alex entging nichts. Sie seufzte leise und zog mich, mit ihrem eingehakten Arm näher.
„Wir lieben dich, vergiss das nicht.", flüsterte sie mir liebevoll zu. „Und das ist weitaus mehr wert, als alles, was Francesca meint, dir nehmen zu müssen."
Ich lächelte etwas. „Danke. Ich liebe euch auch."
Eine Weile blieben Alex und ich still und genossen die frische Luft. Die Stille und Alex Zuneigung ließ mich an alte Zeiten zurückdenken. Früher waren wir oft draußen und haben mit meinen Kräften Unsinn angestellt. Da es in New Orleans nicht schneite, erschuf ich ihn einfach aus meiner Erinnerung an Skiurlaube heraus und wir spielten heimlich damit. Wir bauten Schneemänner und veranstalteten Schneeballschlachten in unserem eigenen Anwesen. Bei dem Gedanken daran, musste ich grinsen. Unsere Nachbarin, Mrs. Swindlehurst, hatte es durch ein Fenster gesehen und die Polizei gerufen. Jedoch wollte ich sie nicht wie eine verwirrte alte Frau dastehen lassen, sondern wie ein Missverständnis. Also verwandelte ich den gesamten Schnee in Papier, sodass die Schneebälle aus zerknülltem Papier bestanden und die Mauern aus angemaltem Pappkarton. Doch eines musste man dieser Frau lassen. Mrs. Swindlehurst wusste ganz genau, was sie gesehen hatte und hatte seitdem immer ein scharfes Auge auf uns geworfen.
In Erinnerung schwelgend, bemerkte ich zunächst nicht, wie Alex mich anstupste.
„Hey, Dottie!", sagte sie und ich blickte zu ihr. „Flipp jetzt nicht aus, aber da vorne scheint dich jemand zu erwarten."
Ich schluckte. Billy. Obwohl er von meinen Fähigkeiten wusste, ließ ich vor Schreck den fliegenden Schnee fallen. Mein Herz raste und mir wurde warm. Wir kamen näher und schließlich hörte ich Betsy und meine Mutter begeistert aufschreien.
„Hey Dusty! Hi Will!", rief Betsy und winkte ihnen energisch. Ich atmete erleichtert aus und sah Alex schließlich vorwurfsvoll an. Diese kicherte nur.
„Ich habe dir nie gesagt, wer auf dich wartet.", begründete sie schadenfroh. Schweigend schüttelte ich den Kopf und konnte nicht anders, als ebenfalls zu lachen. Auch Hailey und Gwen schlossen sich dem erfreuten Begrüßungskomitee an. Will und Dustin waren unter meinen Schwestern sehr beliebt. Die beiden waren einfach zu goldig.
„Hey, Ladies!", sagte Dustin fröhlich. „Wusst ich doch, dass ich euch hier finden würde."
Ich grinste. Dieser kleine Aufreißer. „Na, ihr zwei? Was führt euch hierher?"
„Naja, uns war langweilig, weil die anderen mit ihren Freundinnen beschäftigt sind. Also dachten wir, wir suchen nach euch.", erklärte Dustin und ging mit uns weiter. Er und Will hatten anscheinend ihre Fahrräder dabei und schoben sie. Die kleinen Zweige knackten unter ihren Rädern.
„Dottie?", begann Dustin schließlich zögernd. „Sag mal... kannst du vielleicht... du weißt schon..."
Ich grinste und erfüllte seinen Wunsch. Hailey und Gwen kicherten begeistert.

Ich bin Dottie || Billy & Eddie Stranger Things FanfictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt