Vergangenes 7

132 18 15
                                    

Wer das durchmachte, hatte echt nicht viel schönes in den letzten Jahren erlebt. Und dann waren da noch seine eigenen Eltern, die ihn so zerstörten. Die ihm den Grund gaben sich selbst aufzugeben, statt ihn zu stützen. Sie hatte ihn durch die Hölle gejagt. Sein Leben ruiniert und in Bruchstücken zurückgelassen. Ihm jegliche Chance auf eine normale, glückliche Kindheit verwehrt. In so jungen Jahren so viel durchzumachen war belastend und er hatte niemanden, der ihm half, mit dem er darüber reden konnte. Einen Psychologen hatte er wahrscheinlich auch nicht zu Rate gezogen. „ Sie haben viel kaputt gemacht. Sowohl um mich, als in mir. Ich konnte keine Hilfe mehr annehmen. Wollte nicht. Mir ging es grauenhaft. Bis ein ehemaliger Klassenkamerad mich dazu gezwungen hat zum Psychologen zu gehen. Ich hab wochenlang den Mund nicht aufbekommen. Gerade auch, weil er zu diesem Zeitpunkt weggezogen ist ins Ausland. Bis ich das erste mal vollkommen am Ende meiner Kräfte zusammengebrochen bin. Ich hab mir alles von der Seele geredet. Drei Stunden saß ich da alleine auf dem Boden, zusammengekauert wie ein Häufchen Elend und hab geredet. Alles schlimme aufgezählt, was mir zu schaffen macht. Eigentlich wollte ich nicht mehr hin. Schließlich kannte er mich jetzt und das hat mir Angst gemacht. Immerhin hatte er genügend Angriffsfläche bei mir. Ein paar Tage später hat er mich aus dem Unterricht rausgezogen und sich noch mal mit mir unterhalten. Er hat mit mir langsam meine Probleme aufgearbeitet. Jeden Tag nach der Schule, wenn ich denn da war. Danach fing das mit dem Mobbing an. Davor bin ich ein bisschen gehänselt worden. Seit sie allerdings wissen, dass ich beim Psychologen bin, sind sie handgreiflich geworden. Das mit meinen Eltern ist ne Geschichte für wann anders. Genauso die Probleme, die ich mit mir selbst hab. Versteh mich nicht falsch, ich bin dankbar für deine Hilfe, aber ich kann und will dir im Moment nicht alles anvertrauen. Das letzte Mal, dass ich das getan hab, wurde das sofort als große Angriffsfläche genutzt. Ich möchte nicht, dass es sich wiederholt." Während er erzählt hatte, hatte er ein paar Klamotten zusammengepackt und sein restliches Schulsach in seinem Rucksack verstaut. Ich hatte nur aufmerksam zugehört. Für keine Hilfe annehmen, depressiv und von Problemen geplagt, ging er mir gegenüber damit recht offen um. Gerade auch nachdem was er mir anvertraut hatte, wusste ich das sehr zu schätzen und würde sorgsam mit dem Wissen umgehen. Von dem was er mir erzählt hatte, würde anderen gegenüber kein Wort über meine Lippen gleiten. War das mindeste, was ich im Moment tun konnte. Da ich nicht sinnlos rum sitzen wollte, packte ich seine Klamotten ein. Der Schrank war so gut wie leer, als er fertig war. Viel war eh nicht drin gelegen. Unterwäsche, ein paar Jeans und Hoodies. Shirts fand ich keine. Zog er wohl wegen seinen Narben nicht an. Würde alles sicher nur noch schlimmer machen. Vom Bett angelte er noch etwas und stopfte es dann an der Seite rein. Was es war, konnte ich auf die Schnelle nicht erkennen. Ohne das er mich drum bitten musste, nahm ich seine Taschen und bot ihm dann stumm an, sich bei mir abzustützen. „ Danke. Es tut gut einfach mal keinen Kommentar zu bekommen. Weder Mitleid, noch Sorge, noch Tipps oder falsche Versprechungen. Behalt das bei." Wirklich gut klang er immer noch nicht. Ein bisschen schwach und kraftlos. Im nächsten Moment merkte ich es auch, als er neben mir zusammen klappte. Hastig umgriff ich ihn stärker und hielt ihm aufrecht. Wie hatten die ihn gehen lassen können? Er war definitiv nicht ansatzweise fit. „ Du gehst keinen Meter mehr. Meine Oma wird uns abholen. Ich will keinen Protest hören. Wenn ich merke, dass es dir schlechter geht, bring ich dich zurück ins Krankenhaus." Seine Finger klammerten sich fester an mich. Ich ließ ihn langsam zu Boden gleiten und lehnte ihn dann an die Wand. Da wir eh warten mussten, setzte ich mich neben ihn. Eigentlich hätte ich jetzt einen Arm um ihn gelegt, aber ich wollte ihn nicht zu sehr bedrängen. Er lehnte sich jedoch selbst gegen mich. Sein Kopf sank gegen meine Schulter und ich vermutete, dass er die Augen schloss. Ich holte mein Handy hervor und wählte die Nummer meiner Oma. Sie ging zum Glück sofort dran. „ Rafael Schatz was ist den los?", fragte sie wie immer gut gelaunt. Ihr konnte wirklich kaum einer die Laune verderben. „ Kannst du mich und nen Freund abholen?" Die Adresse musste ich mir dann noch geben lassen. Drauf geachtet hatte ich nämlich nicht. „ Ich sag deiner Mutter Bescheid. Die beiden sind vor zehn Minuten wieder heim gekommen." Heute schon? Naja sollte mir recht sein. Hauptsache jemand konnte uns abholen.

Keine zehn Minuten später hockten wir bei meiner Mutter im Auto auf der Rückbank. Elli gab sich wie immer alle Mühe sich nichts anmerken zu lassen. Solange ich ein Auge auf ihn hatte, war es mir auch egal, ob er seine Verletzungen vor anderen versteckte. Meine Mutter hatte ihn super herzlich aufgenommen und gleich super lieb behandelt. Das er allerdings ein paar Tage bleiben wollte, hatte ich ihr noch nicht gesagt. Und auch eine andere Problematik betreffend wollte ich sie noch um etwas bitten. „ Mama kann Eli erstmal bei uns bleiben? Er fühlt sich daheim nicht sonderlich wohl." War wohl noch milde ausgedrückt, so wie er rum geschubst und kommandiert wurde. Wollte ich ihr allerdings auch nicht gleich auf die Nase binden. „ Natürlich. Wenn du Stress mit deinen Eltern hast, kannst du ein paar Tage oder auch Wochen bleiben.", bot meine Mutter sofort an. Dafür liebte ich sie. Die wenigen Freunde, die ich hatte behandelte sie steht's fast wie eigene Kinder. Ganz leise hörte ich Eli ein:„ Für immer wär mir lieber.", murmeln. Und da kam mir eine Idee. Wieso eigentlich nicht. Wahrscheinlich überfiel ich ihn damit im Moment, genauso wie meine Mutter. Behielt daher die Idee erstmal nur im Hinterkopf. Man konnte sie später genauso gut umsetzen und an alle Details war jetzt eh noch nicht gedacht. Wenn Eli mitmachte, konnte ich ihm vielleicht aus diesem depressiven Strudel raushelfen. Zumindest mal für einen Moment. Schließlich wusste ich nicht, was da in den Tiefen noch alles schlummerte und an die Oberfläche gelangen konnte.

Minecraft WeekWo Geschichten leben. Entdecke jetzt