Neunzehntes Türchen

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Während ich erzählt hatte, hatte ich mir immer mal wieder etwas Obst in den Mund geschoben, oder auch mal einen Löffel Pudding. Mir wurde wirklich aufmerksam zugehört und das schätzte ich sehr. „ Du wirst nicht glauben, wie oft ich solche Fälle von hatte. Gut für dich ist, dass man dir helfen kann. Gerade deswegen tut dir der Abstand auch gut. Vielleicht noch nicht jetzt, aber im Lauf der Behandlung. Was du vor allem lernen musst ist Tim als Freund zu sehnen und deine Gefühle zu vergessen. Hört sich schmerzhaft an und das wird es auch sein. Aber danach wird es dir besser gehen. Gib dem ganzen und dir ein bisschen Zeit."

Und genau diese Zeit bekam ich hier auch. Die ersten Tage ging es mir grauenhaft und dreckig. Ich hatte zunehmend heim gewollt. Hatte mich in stundenlange Gespräche mit Tim retten wollen. Doch genau das war mir strengstens untersagt worden. Ich hatte es kaum mehr ausgehalten und war kurz davor gewesen abzubrechen. Etwas hatte mich dann aber doch motiviert weiter zu machen und es bis zum Ende durchzuziehen. Dieses etwas war ein Brief von Tim, den er hier her geschickt hatte. Ungefähr stand dort drin, dass er es vermisse mit mir zu reden und herum zu albern. Aber auch, dass meine Gefühle im Weg standen, um einfach normal weiter zu machen, wie früher. Er würde sich auf den Tag freuen, an dem er mich einfach als guten Freund in den Arm nehmen könne und wünschte mir ganz viel Kraft für das kommende. Ich solle zuversichtlich bleiben und nicht aufgeben. Danach hatte ich gekämpft und mich durchgebissen. Hatte stundenlange Gespräch mit meinem Psychologen und Ablenkung danach. Eigentlich war ich kaum mehr allein, außer nachts. Mit ein paar Leuten hier hatte ich mich sogar recht gut verstanden. Wir hatten alle irgendwo einen Knacks und das verband dann doch schon. Man erlebte jeden mal von der guten und der schlechten Seite. Am Ende nahm ich hier sehr viele neue und vor allem unterschiedliche Erfahrungen mit raus. Eine davon war, dass man sich an einen Psychologen halten sollte. Als meiner nämlich krankheitsbedingt nicht da war, wurde mir jemand anderes zugeteilt. Jung und noch ein wenig unerfahren. Wegen ihm wäre ich fast in die geschlossene Psychiatrie überwiesen worden. Ein Glück war das nicht passiert. Nach dieser kleinen Eskapade und einem weiteren sehr langen Gespräch war ich bei meinem Psychologen geblieben und nicht übergeben worden. Trotzdem hatte es mir einiges abverlangt da ruhig zu bleiben. Ich hatte mich danach auch erstmal wieder ein wenig zurückgezogen und Zeit für mich gebraucht. Denn auch wenn ich nicht überwiesen worden bin, machte es mir doch zu schaffen, dass andere meinten, ich sei ein Fall für die geschlossene. Doch auch diese Zweifel hatte ich gemeinsam mit dem Psychologen beseitigen können. Hier ging es mir so viel besser, als bei den anderen Psychologen. Ich hatte das Gefühl endlich verstanden zu werden und auch ernst genommen zu werden. Jedes noch so kleine Problem wurde besprochen. Ich fühlte mich tatsächlich wohl. Das wichtigste war aber nicht die Gespräche. Es war der Abstand zu Tim und das strickte nicht sehen, schreiben, telefonieren, was mir endlich half meine Gefühle langsam verblassen zu lassen. Ich konnte behaupten nicht mehr Herzklopfen zu bekommen, wenn ich an Tim dachte. Selbst bei all den nicht ganz freundschaftlichen Berührungen durchlief mich nicht mehr dieses kribbeln und ich erwischte mich manchmal, dass ich tagelang nicht an Tim dachte, außer in Gesprächen. Ich hätte nie erwartet das ein bisschen Abstand zu Tim und eine vertrauenswürdige Person reichen würden, um das alles in den Griff zu bekommen. Doch es hatte gereicht. Sogar so seit, dass ich nach vier Monaten am Ende dieses Kapitels stand. Das ich behaupten konnte Tim nicht mehr zu lieben. Jetzt hatte ich offiziell die Genehmigung wieder auszuziehen und mein Leben selbst in die Hand zu nehmen. Ich musste ein letztes Gespräch hinter mich bringen, meine Sachen packen und mich verabschieden. Irgendwo hatte ich die Zeit schon genossen. Von den ganzen anderen Leuten hatte ich mich gestern schon verabschiedet. Nur von meinem Psychologen wollte ich mich noch gesondert verabschieden. Das Gespräch hatte ich recht schnell hinter mich gebracht. Und jetzt wollte ich, da ich die Erlaubnis dazu hatte endlich mal wieder mit Tim telefonieren. Einfach nur mal seine Stimme hören und ihn vielleicht sogar bitten mich abzuholen und mir erstmal wieder unter die Arme zu greifen. Hoffentlich warf mich das nicht wieder zurück, aber ich musste diesen Schritt auf Tim zumachen. Sonst konnte ich unsere Freundschaft vergessen und das wollte ich auf keinen Fall. Tim sollte Teil meines Lebens sein. Ich wollte mit ihm gut gelaunte Abende im Ts verbringen, rumalbern und einfach Spaß haben. Ohne das irgendwas zwischen uns stand. Zwar durfte ich nur unter Aufsicht telefonieren, aber das war mir sowas von egal. Unter der Beobachtung der Rezeptionistin gab ich Tims Nummer ein und hielt mir den Hörer dann ans Ohr. „ Hallo Timolia hier?", meldete sich eine Stimme am anderen Ende der Leitung. Eine viel zu vertraute, ruhige und tiefe Stimme, die ich viel zu lange nicht mehr gehört hatte. Die ich einfach nur unendlich vermisst hatte. „ Hey Tim.", hauchte ich und war kurz davor in Tränen der Freude auszubrechen. Es war einfach zu lang her. „ Stegi. Oh Gott. Ich dachte, du hast mich auf den Mond geschossen. Sag wie geht's dir?", fragte Tim sofort sichtlich erleichtert und glücklich. Gott Stegi jetzt fang nicht an zu heulen. „ Ziemlich beschissen. Einerseits vermisse ich dich, andererseits hasse ich dich, weil du mir das angetan hast. Ich bin fast in der geschlossen gelandet wegen nem anderen Psychiater. Da wäre ich die nächsten zehn Jahre nicht rausgekommen."

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