Sechzehntes Türchen

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Nachdem ich meinen Ausweis der Hülle entnommen hatte, schaltete ich es aus und legte es auf den Tisch. Ohne einen der beiden eines Blickes zu würdigen ging ich in mein Zimmer, kramte eine Sporttasche hervor. Gleich wurde sie mir jedoch abgenommen und auf spitze Gegenstände überprüft. Dann sparten sie sich wohl die Mühe nachher. Ich warf achtlos ein paar Klamotten aufs Bett, sowie noch ein paar persönliche Dinge und ein paar Bücher, um mich beschäftigt zu halten. Alles wurde Einzel überprüft und dann in die Tasche gelegt. Knapp zehn Minuten später war die Tasche mit dem wichtigsten gefüllt und meine Hände wieder in einen festen Griff genommen. Nur zur Sicherheit, wie man mir versicherte. In der Tür sah ich ein letztes Mal zu Tim. Der Grund, warum man mir das alles antat. Tim sah mich mit schmerz in den Augen an und ich sah, dass er kurz davor war zu weinen. „ Ich werd dich vermissen Stegi. Glaub ja nicht, dass du mir nie wichtig warst. Ich liebe dich trotzdem als Freund. Vergiss das nie." Danach viel die Tür ins Schloss. Leb wohl Tim, murmelte ich lautlos, bevor ich mich von dem Psychiater mitziehen ließ. Lustlos und innerlich zerfressen von Schmerz. Niemals hielt ich das durch. Ich vermisste ihn jetzt schon zu sehr. „ Machen wir uns doch gleich mal vertraut. Hans." „ Stegi Ende zwanzig, verschossen in meinen besten Freund Tim seit fünf Jahren oder so. Seit neustem hat er neu Freundin und das hilft meinen Gefühlen nicht gerade weiter. Wir haben früher  jeden Abend stundenlang telefoniert und tun es jetzt immer noch regelmäßig und ich könnte es nicht beenden, selbst wenn ich wollte. In Dummheit hab ich nach einem Messer gegriffen und meinem besten Freund damit schreckliche Angst gemacht. Ich hätte es vermutlich niemals getan, weil ich sonst ohne ihn wäre. Haben sie sonst noch fragen?" Spielten wir doch gleich mit offenen Karten. Verstecken musste ich davon eh nichts. Wollte ich auch nicht. Tim gehörte so offensichtlich zu meinem Leben, dass es weh tat. Früher oder später kam es eh raus. Aber ich wollte dem zumindest mal eine Chance geben. Tim zuliebe. „ Du bist sehr offen. Warum hast du dir nie selbst Hilfe gesucht?" Glaubte er allen ernstes, das hatte ich nicht schon versucht? Meiner Meinung nach war mein Psychologe total unfähig gewesen, oder er hatte schlichtweg keine Ahnung, was er da überhaupt tat. Denn soviel ich wusste, war sein Ansatz einer von vielen und nicht der Einzige, der existierte. Wenn hätte er mich überweisen müssen. Hatte er aber nicht getan. Der zweite ebensowenig. „ Hab ich. Vor zwei Jahren war ich ein halbes Jahr in Behandlung bei zwei verschiedenen Psychologen. Ich bin nicht dämlich, wie gesagt. Ich merke, dass er mir nicht gut tut. Aber ich wusste, dass wenn ich normal Leben will, ich ihn brauchen werde. Mein Therapeut hat mir andauernd geraten den Kontakt zu Tim abzubrechen. Nach dem zwanzigsten Mal, das macht alles nur schlimmer, hab ich die Sitzung einfach verlassen und bin da nie wieder aufgetaucht." Der Typ war einfach unfähig gewesen. Ich hatte ihm an die hundert Mal gesagt, dass ich eine Lösung suchte, bei der ich mit Tim befreundet bleiben konnte. Hatte ich eine bekommen? Nein. Er hatte mir immer und immer wieder geraten den Kontakt zu Tim abzubrechen. Das sei die einzige Lösung. So ein quatsch. „ Tim scheint dir echt wichtig zu sein. Hast du es schon mal mit Konfrontationstherapie versucht?", fragte der Psychologe, oder Hans nach einer kurzen Denkpause. „ Nach was sah das hier aus?" Ich hatte immer gehofft, dass ich einfach irgendwann begriff, dass Tim nicht mehr von mir wollte und meine Gefühle wieder verblassten, doch es war mit jedem mal schlimmer geworden. „ Nein so meinte ich es nicht. Offiziell unter psychologischer Begutachtung." Was brachte das den, wenn da ein Psychologe daneben saß und mich anschaute. „ Nein und ich weiß nicht, ob das was bringt. Ich kam klar, solange ich Tim an meiner Seite wissen konnte. Die Angst ihn zu verlieren, wird mein größter Gegner werden." Selbst wenn ich recht schnell wieder raus kam, unsere Freundschaft würde einen spürbaren Knacks haben. Wenn sie nicht sofort in die Brüche ging. Mir kamen schon wieder fast die Tränen. „ Wir kriegen das gemeinsam hin, das verspreche ich dir. Ich bin sicher, wir finden eine Lösung, bei der du und Tim Freunde bleiben können. Ganz ohne Gefühle. Und keine Angst, du kommst nicht in die geschlossene. Wir sind eine Art Hotel, wo Leute mit psychischen Problemen einziehen, dass wir sie notfalls den ganzen Tag überwachen können und das sie es nicht so weit haben. Du bekommst ein hübsches kleines Zimmer mit Balkon und du darfst stand jetzt auch besuch empfangen. Allerdings würde ich es aus therapeutischen Gründen erstmal vermeiden Tim herzuholen. Außer du hältst es gar nicht mehr aus." Das klag schon mal vielversprechender als bei meinem letzten Psychologen. Hoffentlich brachte es echt was und ich konnte meine Gefühle vergessen. So ganz gefiel es mir dann allerdings doch nicht. Für mich hörte sich das viel zu nett an. „ Ist das ein anderes Wort für geschlossene, damit ich keine Angst bekomme?" Möglich wär's und ich wusste, dass gerade Psychologen mit solchen Tricks arbeiteten, im Wohle der Patienten natürlich. Ich hätte aber lieber ne klare Antwort, um zu wissen, wo ich stand und wo es hinging. „ Nein Fälle für die geschlossene übergeben wir an eine andere Psychiatrie. Das ist wirklich keine geschlossene.", versicherte er mir. Und ich glaubte dem. Was anderes lieb mir eh nicht über. Tim wollte Abstand und das musste ich jetzt respektieren und die Therapie durchziehen. Ihm zuliebe.

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