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Als Julia am nächsten Morgen die Augen aufschlägt, sieht sie in die sanften braunen von Matteo. "Guten Morgen cara mia" - "Guten Morgen ... coccolare". Er grinst sie an, gibt ihr einen zärtlichen Kuss und steht dann auf. Coccolare - Kuschelbär - so hat sie ihn früher auch genannt. "Warum bist du schon angezogen?" Julias Blick gleitet über Matteo, der bis auf die Jacke bereits vollständig gekleidet ist. "Mein Flug geht in zwei Stunden, ich hab uns Frühstück geholt und du musst noch Rafael und Vito kennenlernen". Er geht ums Bett herum und zieht sie hoch, um sie sanft vor sich zu stellen. "Zieh dich an, Liebes, wir warten in der Küche". Ein kurzer Kuss, kaum mehr als ein Hauch, landet auf ihren Lippen, dann ist Matteo schon verschwunden.

Julia bleibt in der Küchentür stehen und schaut sich um. Matteo steht am Kühlschrank angelehnt, eine Tasse in der Hand und spricht mit Daniel, der mit zwei anderen Männern an ihrem kleinen Tisch sitzt. Matteo unterbricht sich, als er sie sieht und geht zu ihr. Er legt ihr einen Arm um die Hüfte, zieht sie neben sich und küsst ihre Schläfe. "Schatz, das sind Rafael und Vito". Er zeigt auf den jeweiligen Mann, die zwei sind wesentlich jünger als Matteo. "Guten Morgen!", sagt Julia leise, leicht eingeschüchtert von den beiden. Vito steht auf und reicht ihr die Hand. "Guten Morgen, Signora Julia". Vito ist ein Baum von Mann, größer als Matteo, der schon gut einen Kopf größer ist als Julia, und muskelbepackt. Da er nur ein T-Shirt trägt, bemerkt sie Tattoos an seinen Armen und auf der Brust, die bis hinauf in den Nacken laufen. Er ist definitiv ein Mann, den sie fürchten würde, wenn sie ihm nachts allein begegnet. Trotzdem lächelt sie ihn an, dann wird er von Rafael zur Seite gedrückt. Dieser ist das komplette Gegenteil von Vito - nur ein kleines bisschen größer als Julia, drahtig, mit einer Brille, die ihn als Nerd durchgehen liesse - wäre nicht sein fester Händedruck und sein wacher, aufmerksamer Blick. "Guten Morgen. Ist es in Ordnung, wenn wir uns duzen?" Verblüfft sieht Julia erst ihn, dann Matteo an. "Das kannst du selber entscheiden, Julia. Wir duzen uns alle, macht es einfacher. Aber wenn du lieber etwas Abstand willst, ist es auch okay" - "Gut, dann gern". Sie lächelt auch Rafael an, dann Daniel, der ihr zufrieden zunickt. Matteo schiebt sie zu einem Stuhl und gibt ihr dann eine Tasse Kaffee. Julia nippt kurz und stellt fest, dass er immer noch weiß, wie sie ihren Kaffee trinkt und ein warmes Gefühl durchflutet sie. "Gut?" - "Perfekt. Danke!" Matteo strahlt sie an, wendet sich dann aber wieder seinen Männern zu, während Julia sich ein Croissant nimmt, das sogar noch lauwarm ist. Matteo und Daniel reden die meisten Zeit, Rafael wirft immer wieder etwas ein und Vito steht mittlerweile am Fenster, immer die Straße draußen im Blick. Julia mustert ihn verstohlen, was er bemerkt und kurz zu ihr hinsieht. "Ich mach nur meine Arbeit, Chefin!" Matteo wird aufmerksam, als Julia aufsteht und sich neben Vito stellt. "Du beobachtest die Umgebung?" - "Si" - "Was siehst du?" Überrascht antwortet Vito. "Nun ... es ist eine relativ ruhige Straße, im Moment sind eher Familien mit Kindern unterwegs. Vermutlich auf dem Weg zu Schule oder Kita. Ein paar Möchtegern-Rocker auf ihren Mopeds. Im Haus gegenüber wohnt ein älteres Paar, dass immer erst gegen neun aufsteht, in deinem Haus bist du die älteste Bewohnerin" - "Ich dachte, du bist erst seit heute hier? Wieso weisst du so viel?" - "Nun, Daniel ist schon länger hier und hat mir einiges weitergegeben" - "Schon länger?" Verärgert dreht sie sich zu Matteo, der gerade zu ihr gehen will, jetzt aber stoppt. "Was?" - "Du hast mir Daniel nachgeschickt?" - "Nein ... das war Gio". Jetzt mischt sich Daniel ein. "Das stimmt so nicht! Julia ... das musste alles schnell gehen, ich bin dir auf eigene Faust gefolgt. Gio erfuhr es erst, als ich schon hier war und Matteo noch später. Ich bin dein Schatten, solange ich keine andere Anweisung habe, und darf auch selber solche Entscheidungen treffen. Wenn du auf jemanden sauer sein willst, dann auf mich!" Julia mustert Daniel lange, doch irgendwann nickt sie und Matteo schliesst sie erleichtert in die Arme. "Daran werde ich mich nie gewöhnen", murmelt sie, doch er widerspricht ihr. "Natürlich, Schatz, nach einer Weile wirst du gar nicht mehr merken, dass sie da sind!" Er wendet sich an seine Männer. "Fertig?" Unisono nicken die drei, räumen den Tisch ab und bevor Julia etwas sagen kann, ist ihre Küche sauber und aufgeräumt. "Julia ... Daniel bringt dich heute in die Klinik und bleibt dort, Vito fährt mich zum Flughafen und ist später für die Umgebung zuständig und Rafael bleibt hier. Das ist nicht verhandelbar", fügt er hinzu, als er bemerkt, dass sie widersprechen will. Er nimmt ihr Gesicht in seine Hände und sieht ihr fest in die Augen. "Es tut mir leid, Julia ... aber entweder du kommst mit mir und bist sicher in meinem Haus, oder du akzeptierst, was hier zu deinem Schutz getan wird. Eine andere Option gibt es nicht, cara mia!" - "Ich weiß", sagt sie leise, "trotzdem ist es komisch". Matteo lächelt und küsst sie sanft. "Na dann, los gehts!"
Er greift nach ihrer Hand und sie verlassen ihre Wohnung.

Vor der Haustür trennen sich ihre Wege, Daniel läuft zu seinem Wagen und Vito zu einem anderen. Matteo bleibt mit Julia dort stehen, er zieht sie an sich und versucht, sie abzuschirmen. "Was machst du?" - "Ich weiß nicht, irgendwas ist seltsam". Julia wirft einen Blick um ihn herum. "Findest du? Es ist alles wie immer ... du bist angespannt, vielleicht ..."
Julia kann den Satz nicht beenden, weil Matteo zuckt und in die Knie geht. Zeitverzögert nimmt sie einen Knall wahr ... und dann ist Daniel da, der sie nach unten drückt ... Vito, der sein Auto auf dem Gehweg parkt und Matteo von ihr wegzerrt ... Menschen, die schreien und wegrennen ... alles ist ein großes Durcheinander ... Daniel, der sie hochhebt und förmlich in den Wagen wirft, Matteo, der bereits im Auto ist und sie in Empfang nimmt und Rafael, der sofort Gas gibt und die beiden in Sicherheit bringt.

Cara MiaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt