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Julia schlüpft gerade in eine bequeme Hose, als es an der Tür klingelt. "Ich geh schon", ruft Matteo und sie hört ihn ein paar Worte mit seinem Gegenüber wechseln. Sie wirft einen kurzen Blick in den Spiegel, sie ist nicht geschminkt oder besonders angezogen, aber sie hatte heute einen anstrengenden Tag und ihr ist überhaupt nicht danach, sich rauszuputzen. 'Egal', denkt sie sich und schlendert in die Küche. Als sie sieht, wie hübsch er den Tisch gedeckt hat - sogar ein paar Kerzen hat er gefunden - wandert ihr Blick über ihren Körper. "Du bist immer wunderschön", flüstert Matteo, der hinter ihr steht, ins Ohr. "Komm, lass uns essen". Er schiebt sie vorwärts und folgt ihr zum Tisch. "Ich habe keine Weingläser gefunden", meint er und hebt eine Flasche Rotwein hoch. "Naja ... ich habe keine" - "Keine Weingläser?" Verdutzt schaut Matteo sie an. "Gut, dann tuns auch andere" - "Mir bitte nicht, Matteo. Ich muss morgen früh raus" - "Stört es dich, wenn ich was trinke?" - "Natürlich nicht". Matteo nimmt ihr Essen aus den Behältern und füllt es auf die Teller um.  Als Julia ihm helfen will, stoppt er sie. "Lass dich einfach ein bisschen verwöhnen, tesoro". Als sie schließlich beide sitzen und essen, legt sich Stille über über sie. Immer wieder treffen sich ihre Blicke und irgendwann legt Julia ihr Besteck weg.

"Matteo ..." - "Ja?" Ernst schaut sie ihn an. "Ich möchte dir ein paar Fragen stellen" - "Nur zu!" Auch Matteo legt sein Besteck zur Seite, lehnt sich zurück und sieht sie abwartend an. Julia atmet tief ein. "Was würden deine Söhne sagen, wenn du eine neue Partnerin hättest?" - "Mal abgesehen davon, dass ich mein eigener Herr bin und mir niemand etwas zu sagen hat außer dir ... sie wissen von dir und sind überrascht, dass ihr 'alter Herr' seine Jugendliebe wieder gefunden hat. Sie gönnen es mir, Liebes. Luca meinte, ich bin zu jung, um allein zu bleiben und Alessio hofft, dass du mich dazu bringst, mich ganz aus dem Geschäft zurückzuziehen. Was meint Mira?" - "Sie weiß nichts von dir. Also, wir haben nicht darüber gesprochen. Sie ahnt was, aber ich hab ihre Fragen nicht beantwortet" - "Immer noch wie früher? Julia macht alles mit sich selber aus?" Liebevoll gleitet sein Blick über ihr Gesicht. "Ja", murmelt sie. "Macht nichts, ich hab dich auch damals aus der Reserve gelockt. Ich bin sicher, das funktioniert auch heute noch. Was noch?" - "Hm?" - "Welche Fragen hast du noch?" - "Kannst du das überhaupt? Dich zurückziehen?" - "Julia, ich hab dir gesagt, wo ich mit dir den Rest meines Lebens verbringen will. Ja, ich kann mich zurückziehen. Natürlich nicht von heute auf morgen, es braucht etwas Zeit, aber den Großteil des Geschäfte machen sowieso schon meine Söhne, es wäre nur noch eine Formsache" - "Was ist mit Mira ... müsste sie auch für die Familie arbeiten?" Ein Lächeln gleitet über Matteos Gesicht. "Nein. Mira ist in einer anderen Welt aufgewachsen, ich würde das nie von ihr verlangen. Sie wird unter meinem Schutz stehen, genau wie ihre zukünftige Familie, aber sie soll ihr Leben weiterführen, wie sie selber das will - vielleicht mit etwas mehr finanziellem Spielraum, wenn sie das annehmen will. Ich hätte nur gern, dass sie irgendwann erfährt, dass ich ihr Vater bin". Julia nickt nachdenklich. "Und ich? Was erwartest du von mir?" Matteo beugt sich über den Tisch und nimmt ihre Hände. "Ich erwarte nichts, cara mia. Du bist mein Anker, mein Licht, mein Halt, aber auch diejenige, die mich bremsen, mir den Kopf waschen kann ... ich möchte dir die Sterne vom Himmel holen, dich verwöhnen, dich einfach nur an meiner Seite haben. Das einzige, was ich von dir verlange - sollte ich irgendwann mal zu dir sagen 'Lauf!', dann läufst du, ohne mit mir zu diskutieren, egal ob ich mitlaufe oder nicht, egal, ob du es verstehst oder nicht, egal ob du meiner Meinung bist oder nicht. Kannst du mir das versprechen?" Ernst sieht er sie an und Julia nickt. "Bin ich in Gefahr?", will sie wissen. "Ich weiß es ehrlich gesagt nicht" - "Was?" - "Adamo, der Bruder von Maria, spioniert dein Haus in München aus. Keine Sorge, meine Männer haben ein Auge auf Mira und Max ... und solange ich nicht weiß, was er will, bleiben die auch dort. Ich habe keine Ahnung, warum er plötzlich auftaucht - wir hatten nach Marias Tod keinen Kontakt mehr. Luca und Alessio sind vorgewarnt, genau wie Gio, Daniel und Sandro". Matteo bemerkt, dass Julia anfängt zu zittern, steht auf und geht zu ihr, um sie in seine Arme zu ziehen. "Sono con te caro. Dir wird nichts passieren, das verspreche ich dir", flüstert er ihr ins Haar. Es dauert lange, aber dann legt sie endlich ihre Arme um ihn. Das erste Mal seit Jahren und sein Herz droht aus seiner Brust zu springen. Matteo zieht sie ganz eng an sich. "Er war bei uns", flüstert sie an seiner Brust und Matteo schiebt sie ein wenig weg, um ihr in die Augen sehen zu können. "Wer?" - "Dieser Adamo ... Marchese, oder? Er hat Mira seine Visitenkarte gegeben und gesagt, ich soll ihn anrufen. Es ginge um deine Familie ..." - "Wie bitte? Wann war das, Julia?" - "Vor ein paar Tagen ... nein, am  Tag, bevor ich zurück nach Berlin gefahren bin" - "Hast du ihn angerufen? Hast du die Karte hier?" - "Nein" - "Was nein?" - "Beides. Warum sollte ich ihn anrufen? Ich dachte, ich würde dich nie wieder sehen. Die Karte liegt in München in einer Kommode" - "Okay ... ich muss kurz telefonieren. Meinst du, Mira könnte die Karte abfotografieren?" Julia schaut auf die Uhr. "Wenn ich Glück habe, erwische ich sie noch, bevor sie zum Yoga geht. Ich versuchs". Matteo nickt und verlässt das Zimmer, während Julia die Nummer ihrer Tochter wählt und sie sofort am Telefon hat. Sie schickt ihr Vorder- und Rückseite der Visitenkarte. Die beiden Frauen reden nur kurz, denn Julia ist abgelenkt von Matteos Stimme, die verärgert vom Flur hereindringt. Sie geht zu ihm und zeigt ihm die Nachricht von Mira. Matteo bedeckt kurz sein Handy. "Gib mir ein paar Minuten, Liebes". Er küsst sie sanft, aber trotzdem bestimmt und deutet dann auf die Küchentür. "Okay", flüstert Julia und verschwindet wieder in der Küche.

Cara MiaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt