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"Die Zähne ausbeißen? Soso ...", schmunzelt Julia. "Ich brauch keinen Kurs in Selbstverteidigung, Matteo" - "Oh doch, ganz sicher, darüber diskutier ich nicht!" - "Oh nein, darüber diskutiere ich nicht!" - "Julia!", grollt Matteo, doch Julia kontert mit einem strahlenden Lächeln. "Ich mache seit über zehn Jahren Krav Maga, ich denke, ich kann mich ganz gut verteidigen!" Sprachlos schaut er sie an. "Warum?", fragt er dann. "Ich habe mich einfach sicherer gefühlt in Berlin. Ich hatte oft Nachtdienst und nachts gibt es einfach Gestalten, die ... naja ... nicht sehr vertrauenswürdig sind. Es gab keinen speziellen Grund" - "Du überrascht mich", murmelt Matteo und zieht Julia an sich.

"Signore Conti?" Matteo dreht sich zur Terrassentür, in der eine etwas ältere Frau steht. "Das Essen wäre fertig, Signore. Wünschen Sie draußen zu speisen?" Matteo schaut fragend zu Julia. "Ja, es ist so schön hier draußen", sagt diese leise. "Ja, Rosa, wir bleiben hier". Mit einer leichten Verbeugung zieht sie sich zurück und kurz darauf wird der Tisch von ihr eingedeckt. "Ich hoffe, du hast Hunger?", fragt Matteo, zieht einen Stuhl zurück und lässt Julia darauf Platz nehmen. "Ja, ein bisschen" - "Ich habe etwas vorbereiten lassen ... isst du Fleisch?" - "Ich esse immer noch genauso wie früher, nur keine Muscheln und Garnelen oder so". Matteo strahlt Julia an. "Dann denke ich wird es dir schmecken. Magst du etwas Rotwein zum Essen?" - "Gern, aber höchstens ein halbes Glas" - "Wie früher". Er winkt einen Mann zu sich, der etwas abseits steht und bereits eine Karaffe bei sich hat. Er schenkt Matteo eine Kleinigkeit ein, der kurz probiert und ihm mit einem kurzen Nicken die Karaffe aus der Hand nimmt, um erst Julia und dann sich selber etwas einzuschenken. "Versuch mal, der ist von hier!" Julia folgt dem Mann, der wieder ins Haus verschwindet, mit den Augen. "Hast du überall Personal?" - "Hm? Ach so ... ja. Rosa und Pedro sind das ganze Jahr hier auf der Finca. Mauro, der Koch, ist immer da, wo ich grade bin" - "Wo sind deine Schatten?" - "Auf dem Gelände verteilt". Julia runzelt die Stirn. "Wie können sich zwei Männer verteilen?" Matteo lacht laut auf. "Liebes, es sind nicht nur Sandro und Daniel. Wenn ich nicht hier bin, bewachen acht Männer in zwei Schichten die Finca, im Moment sind es zweiunddreissig". Ungläubig reisst Julia ihre Augen auf. "Du scheinst sehr wichtig zu sein", meint sie dann, mehr an sich als an den Mann gerichtet, der ihr gegenübersitzt und sie liebevoll mustert. "Nein, es sind doppelt so viele als normal, weil wir beide zusammen hier sind. Julia ...", er greift nach ihren Händen, "ich kann mir vorstellen, dass das alles sehr verwirrend für dich sein muss ..." - "Einschüchternd trifft es eher", sagt Julia leise. "Aber es notwendig. Ich habe nicht so lange überlebt, weil ich nachlässig war" - "Und was ist, wenn wir ...", Julia stockt kurz, "... wenn ich zurück nach Berlin gehe?" - "Ich hoffe, dass du das nicht tust, deshalb habe ich mir ehrlich gesagt noch keine Gedanken darüber gemacht". Ihr Gespräch wird von Pedro unterbrochen, der gegrillte Antipasti und Bruschetta auf den Tisch stellt. "Buon appetito signor Conti e signora" - "Grazie, Pedro", lächelt Julia ihn an und erntet ein verschmitztes Lächeln, bevor er wieder davoneilt. "Du hast sie schon alle um den Finger gewickelt", bemerkt Matteo leise. "Was hab ich?", fragt Julia erstaunt. "Ja ... du bist einfach ... DU! Du verstellst dich nicht, bist freundlich, egal wer dir gegenüber ist. Weißt du, Maria war immer kalt und unpersönlich, besonders gegenüber den Angestellten. Sie hat immer raushängen lassen, dass sie was Besseres ist - oder es zumindest glaubte. Du allerdings bist einfach ... Mensch. Du siehst immer das Gute im Menschen, der vor dir steht. Gleichzeitig hattest du schon immer eine unglaubliche Menschenkenntnis" - "Mein Bauchgefühl ... ja, meistens kann ich mich darauf verlassen. Nur bei dir bin ich im Moment absolut nicht sicher". Matteo mustert sie lange, aber sie weicht seinem Blick aus. "Perché, caro?" Julia umfährt mit ihrem Zeigefinger den Rand ihres Glases und holt tief Luft, bevor sie ihn ansieht. "Matteo ... wir sind nicht mehr das Paar von früher. Jeder hat seine Höhen und Tiefen gelebt. Ich weiß nicht, wie das mit uns funktionieren soll. Du bist anders als damals ... kälter, distanzierter" - "Aber doch nicht zu dir?" - "Nein ... trotzdem ... der warme Teil von dir, der Teil, der mich immer mit dem Gefühl der Geborgenheit umgeben hat ... der fehlt. Der fehlt komplett. Du kommst mir vor wie dein Vater, wie ein Mann, der schon lange nicht mehr richtig lachen kann ..." - "Glaubst du wirklich, ich habe viel zu lachen in meinem Leben? Hm?" Wütend steht Matteo auf und entfernt sich vom Tisch. "Vielleicht soll es ja wirklich nicht sein, das mit uns. Daniel wird dich nach Hause fahren und du kannst wieder verschwinden, das kannst du ja so gut!" Julia hat Tränen in den Augen, als sie auch aufsteht. "Das war unfair, Matteo", sagt sie leise, "aber gut ... wo ist Daniel?" - "Vor dem Haus" - "Okay ... leb wohl". Julia wischt sich die Tränen vom Gesicht, während sie um die Finca geht und Daniel und Sandro neben einem Auto stehen sieht. "Fährst du mich bitte heim, Daniel?" Verwundert schauen die beiden sie an, Sandro geht einen Schritt zur Seite und spricht in ein Funkgerät, dann nickt er Daniel zu. Dieser öffnet Julia die hintere Tür, doch sie setzt sich auf den Beifahrersitz, bereit für die lange Fahrt nach Hause.

"VERDAMMTE SCHEISSE!" Matteo wischt mit einer wilden Bewegung das Geschirr vom Tisch, dann setzt er sich auf den Boden, stützt seinen Kopf in die Hände und denkt nach. Hat er sie wirklich weggeschickt? Seine große Liebe ... nur weil sie aufmerksam war, ihn nach ein paar Tagen bereits durchschaut hatte? Weil sie ihm unter die Haut ging wie keine andere Frau? Wie konnte das so schief gehen? Er hebt den Kopf und schaut in die Ferne. Er ist kein Mann, der gleich aufgibt. Warum also hat er sie weggeschickt? War es wirklich so schlimm, was sie gesagt hat? Die Antwort weiß er sofort - ja ... und nein, weil es die Wahrheit ist. Ihr Verschwinden, die Verantwortung, die er hatte ... all das sorgte dafür, dass er seinem Vater immer  ähnlicher geworden ist. Was ihm jetzt allerdings noch klarer wird ... er braucht eine Frau wie Julia an seiner Seite, eine warmherzige Persönlichkeit, eine Frau, die sich traut, ihm die Wahrheit ins Gesicht zu sagen, eine Frau, die IHN sieht, bei der er einfach er selbst sein kann ... und er wird um sie kämpfen!

Cara MiaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt