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Als sie wieder in München gelandet sind, wird Matteo bereits dringlichst erwartet. Luca und Alessio warten schon am Flughafen. Julia steigt mit Daniel in einen Wagen, der sie zur Villa bringt, während Matteo mit seinen Söhnen und Sandro in einem anderen Auto in das Büro fährt, das über dem Club liegt.

Julia sieht Matteo in den nächsten Wochen so gut wie gar nicht. Er kommt spät abends und geht, bevor sie wach ist. Manchmal ist das Bett neben ihr sogar unberührt. Daniel und Vito leisten ihr Gesellschaft, die Villa ist streng bewacht und sie selber darf das Haus nicht verlassen. Julia lenkt sich viel mit lesen ab ... und mit backen. Mauro überlässt ihr gern die Küche und die Sicherheitsleute sind von ihren Kreationen begeistert.
Aber Julia macht sich Sorgen, große Sorgen und an diesem Nachmittag wandert sie unruhig durch die Villa, nicht mal Daniel kann sie ablenken. "Julia, beruhig dich. Es ist alles in Ordnung!" - "Nein ... Daniel, irgendwas stimmt absolut nicht" - "Du bist hier sicher" - "Es geht nicht um mich. Ich habe ..." Julia wird von Lärm in der Eingangshalle unterbrochen. "JULIA!" Erschrocken sieht sie zu Daniel, der nickt und gemeinsam mit ihr die Treppe nach unten läuft. "JULIA!", schreit Matteo, der blutverschmiert neben Alessio steht, den seine Männer im Esszimmer auf den großen Tisch gelegt haben. "Julia! Schnell, hilf ihm, bitte!" Panisch schaut er sie an. "Bist du verletzt?" - "Nein ... Ja, aber das kann warten. Hilf Alessio". Julia lässt ihren Blick schnell über Matteo wandern, aber er sieht kaum verletzt aus, also wendet sie sich zu Alessio. "Was ist passiert?" Alessio hat die Augen geschlossen und atmet schwer, Schweiß steht ihm auf der Stirn. "Er wurde niedergestochen, in die Brust", antwortet einer der Männer, die um sie herumstehen. "Okay ... Ich hoffe, ein Arzt ist unterwegs?" Ohne eine Antwort abzuwarten, gibt sie Anweisungen. "Daniel ... eine Schere und Alkohol ... Vito ... Verbandszeug ... Sandro ... frische Handtücher". Schnell läuft sie in die angrenzende Küche, um sich die Hände zu waschen, dann scheucht sie die herumstehenden Männer nach draußen. "Vito, sind Handschuhe da?" Wortlos reicht er ihr ein Paar, während Daniel mit der Schere bereits das Hemd von Alessio aufschneidet und soweit wie möglich beiseite schiebt. Ein kleiner Fluch kommt über Julias Lippen, als sie die unzähligen Stich- und Schnittwunden sieht. "HILF IHM, VERDAMMT NOCHMAL!" - "Matteo ... es ist nicht sehr hilfreich, wenn du mich anschreist. Lass mich einfach tun, was ich tun kann". Vorsichtig tupft sie das Blut von Alessios Oberkörper, viele Wunden sind nur oberflächlich, aber eine an seiner Flanke und eine weitere im Oberbauch gehen sehr tief. "Brauchst du was zum Nähen?", fragt Daniel. "Ich bin kein Arzt, ich darf das nicht. Die zwei sind sehr tief, das kann auch innerlich was verletzt haben.Ich versuche, die Blutung einzudämmen, mehr kann ich nicht tun. Habt ihr Schmerzmittel hier?" Vito reicht ihr wortlos eine aufgezogene Spritze. "Was ist das" - "Morphin" - "Das darf ich nicht spr..." - "SCHEISS DRAUF! GIB ES IHM! MEIN SOHN, MEINE VERANTWORTUNG".  Erschrocken schauen alle zu Matteo. "Ich bin sicher, du schaffst das" - "Das ist keine Frage des Könnens, sondern des Dürfens" - "Kannst du oder kannst du nicht?" - "Natürlich kann ..." - "Dann tu es!" Sandro geht dazwischen. "Julia, der Arzt ist gleich hier, maximal noch zehn Minuten. Wir alle hier haben gehört, was Matteo gesagt hat. Es ist deine Entscheidung, wir stehen hinter dir". Julia zögert noch kurz, dann nimmt sie die Spritze aus Vitos Hand und verabreicht Alessio das Mittel intravenös, was ihn bereits kurze Zeit später etwas ruhiger atmen lässt. Sie legt einen Druckverband an und versorgt die kleineren Wunden, bis der Arzt hinter ihr steht. "Sie sind gut, Julia, aber jetzt übernehme ich. Assistieren Sie mir?" Julia wirft einen Blick zu Matteo, der bleich an der Wand steht, und der Blick des Arztes folgt ihrem. "Gehen Sie! Vito, hilf mir!" Julia sieht den Arzt an, der zu Matteo nickt, und geht dann zu Matteo. "Komm, ich will dich ansehen!" Kurz sträubt er sich, doch dann lässt er sich mitziehen.
In der Küche drückt sie ihn auf einen Stuhl, zieht die Handschuhe aus und wäscht sich die Hände, bevor sie vor Matteo in die Hocke geht und Augenkontakt sucht. "Bist du verletzt?", fragt sie sanft. Matteo zieht sein Hemd aus und Julia sieht sofort die Stichwunde am Arm, die sie desinfiziert und verbindet. "Sonst noch irgendwo?" - "Ausser mein verletzter Stolz? Nein", schnaubt er bitter. "Wird er durchkommen?" - "Ich denke schon, aber die Frage stellst du besser dem Arzt ... was ist passiert?" Lange starrt er Julia an, die seinem Blick standhält. "Ein Hinterhalt. Weisst du noch, die zwei Männer, die verschwunden waren? Wir konnten sie befreien, wurden aber überrumpelt" - "Wo ist Luca?" - "Der war vor der Halle. Ihm ist nichts passiert". Matteo seufzt. "Ich bin zu alt für sowas. Ich will das nicht mehr". Er beugt sich nach vorne und schließt Julia fest in die Arme. Die Anspannung lässt nach und Matteo atmet tief durch. "Entschuldige bitte, dass ich vorher so ausgerastet bin". Julia lächelt ihn an. "Wenn es um Mira geht, werde ich zur Furie. Mach dir keine Gedanken darüber, ich verstehe das. Du solltest duschen und dich umziehen" - "Aber Alessio ..." - "Ist in guten Händen. Ich hole dich, wenn irgendwas ist, okay?"   Nach kurzem Überlegen steht Matteo auf und zieht sie mit hoch. Er will sie gerade küssen, da stürzt Luca ins Zimmer und sie schrecken auseinander. "Papa! Dir gehts gut!" Er umarmt seinen Vater, dann schaut er zu Julia. "Wieso bist du voller Blut? ... Wo ist Alessio?" - "Robert ist bei ihm", antwortet Matteo leise. "Wie schlimm?" Matteo sieht zu Julia. "Viele Stichwunden, die eher oberflächlich sind. Nur zwei waren tiefer, aber ich denke, euer Arzt ist auch ohne Krankenhaus so gut, dass Alessio das übersteht" - "Ja, nachdem gute Vorarbeit geleistet wurde!" Matteo, Julia und Luca drehen sich in die Richtung, aus der dieser Satz kam. Dort steht Robert, der Arzt, der Julia mustert. "Du bist gut, wo hast du das gelernt?" - "Ich bin ... war ... Krankenschwester in der Notaufnahme in Berlin" - "Top! Eine Frau, die die Ruhe bewahrt und routiniert arbeiten kann". Er wendet sich zu Matteo und Luca. "Alessio gehts gut. Er wurde nach oben gebracht und soll sich ruhig halten. Bei Bedarf gebt ihr ihm Schmerzmittel, Julia hat hiermit meine Erlaubnis, sie über den Zugang, den ich gelegt habe, zu geben. Matteo, soll ich mir deine Wunde ansehen?" - "Nein, das passt so". Der Arzt nickt und verlässt das Haus. Luca dreht sich zu Julia und Matteo. "Ich glaube, ihr habt beide eine Dusche nötig. Ich geh zu Alessio". Ungläubig schaut Julia ihm hinterher, Matteo aber schmunzelt und zieht sie zu sich. "Es gibt nichts, was ich jetzt lieber täte. Lass uns duschen gehen, cara mia".

Cara MiaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt