Kapitel 24

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𝐌𝐄𝐑𝐋𝐈𝐀𝐇

Der Nachmittag vergeht so schleppend, dass ich das Gefühl habe in einer langen Mathestunde festzusitzen. Schuld daran ist der Ausfall von den zwei Stunden Informatik, die ich eigentlich noch mit May zusammen gehabt hätte.
Nicht, dass ich etwas gegen entfall habe, aber es stellt sich doch schnell heraus dass man wenig in der Schule unternehmen kann.
May und ich haben unsere Zeit hauptsächlich damit verbracht andere Schüler zu beobachten und den Schulhof ungefähr zehnmal zu umrunden.
Kurz vor 16:00 Uhr haben wir uns verabschiedet, weil jeder von uns ein wenig Pause auf seinem Zimmer machen wollte.

Jetzt liege ich hier seit einer halben Stunde in meinem Bett und tue nichts.

Es wäre sicherlich schön Hexen zu können.
Dann könnte ich mir ganz einfach Möglichkeiten her zaubern um mich zu beschäftigen. Jedoch bin ich mir sicher das Hexerei ein Mythos ist und auch einer bleiben wird.

Die Zimmertür wird von außen stürmisch geöffnet, was mich dazu bringt misstrauisch meinen Körper aufzurichten. Dabei schiebe ich den Kopf etwas nach vorne um bessere Sicht zu haben und stütze meinen Oberkörper auf meinen Unterarmen ab.
Im Rahmen erscheint ein blondhaariger Mann. Er macht einen ziemlich verschreckten Eindruck auf mich, sowie seine großen Kulleraugen meine Gestalt Mustern.

„Alles klar?", frage ich ihn zaghaft und werfe die Beine komplett über die Bettkante um mich aufzurichten.
Der Mann muss ungefähr in meinem Alter sein, vielleicht auch ein paar Jährchen älter. Das kann ich durch seinen Bartwuchs nicht so genau beurteilen.
„Ja. Ich wollte zu Lia, ist sie da?", erklärt er mir mit piepsiger Stimme.
Seine Schultern fallen kraftlos nach vorne. Durch diese Haltung wirkt er auf mich so ungewöhnlich klein, was aber gar nicht sein kann da uns Größen mäßig sicherlich um die 20cm trennen.

„Nein, aber sie wird gleich da sein, nehme ich an", meine ich mit einem schwachen Lächeln.
Dieses ist weit davon entfernt meine Augen zu erreichen.
Unentschlossen bleibe ich vor meinem Bett stehen.
Nicht sicher ob ich den Kerl reinbitten soll oder ihn einfach wieder wegschicken sollte.
Aber ihn ein wenig auszufragen während er weiterhin im Türrahmen steht, scheint mir eine plausible Lösung zu sein.
So schaufele ich gleichzeitig ein paar Minuten mehr Zeit herbei, die Lia hat um hier aufzutauchen.

„Wie heißt du eigentlich? Gehst du auch auf die Schule?" spreche ich meine Gedanken laut aus und bewege mich mit großen Schritten in Richtung Tür.

So biete ich dem Mann gar nicht länger die Möglichkeit weiter in das Zimmer hinein zu treten.
„Ich bin Eron und wie du vielleicht erahnst bin ich ebenfalls Schüler auf diesem Internat", antwortet er mir so schnell, dass ich kurz davor bin ihn zu bitten seine Worte zu wiederholen.
„Ebenfalls?" Frage ich verwundert, als ich mir sicher bin seine Worte verstanden zu haben.
Mich lässt der Gedanke nicht kalt dass er mich anscheinend kennt. Vielleicht reagiere ich auch einfach nur über und seine Wortwahl war nur falsch.

„Ja", antwortet er und atmet dabei schniefend durch die Nase ein.
„Ich habe dich in Waffenkunde gesehen. Du hast dich neben May gesetzt. Deine Haare sind mir nicht mehr aus dem Kopf gegangen, ihnen ist es wahrscheinlich zu verdanken dass ich dich Wiederkenne", begründet Eron seine Antwort.
Er hat aufgehört hektisch zu sprechen, was es mir deutlich leichter macht mit ihm ein Gespräch zu führen.
„Ja, die sind sowas wie mein Markenzeichen, nehme ich an", sage ich und bleibe seitlich gegenüber der Badezimmer Tür stehen.
Ohne den Blick von Eron zu nehmen, schließe ich diese mit einer Hand und lehne mich kurz darauf schräg dagegen.

Er lächelt mir als Antwort schüchtern entgegen und eine unangenehme Stille breitet sich aus.
Keiner weiß was er sagen soll. Ich überlege krampfhaft was ich ihn fragen könnte, dabei ziehen sich meine Augenbrauen zusammen und durch Erzählungen von ehemaligen Klassenkameraden weiß ich, dass gerade die altbekannte Zornesfalte auf meiner Stirn prangt.
„Kennst du Lia schon lange?" frage ich schließlich einfach in die Stille hinein.
Dabei habe ich Glück dass meine Stimme nicht bricht, in Situationen die mich nervös machen ist das sonst immer der Fall.
„Geht so, wir...", setzt Eron an, doch er kommt nicht weit.

Denn plötzlich geht eine laute Sirene los, die beinahe meine Trommelfelle platzen lässt. Die ungemeine Lautstärke zwingt mich dazu die Hände auf meine Ohren zu pressen.
Dabei suche ich den Ursprung des rot blinkenden Lichtes, in das mein Zimmer gerade getaucht wird.
Mit heftigem Herzklopfen entdecke ich an der Zimmerdecke gleich neben der Lampe ein kleines Gerät, was ich vorher noch nie gesehen habe. Aber genau von dort scheint das Licht zu kommen.
Verängstigt drehe ich mich zurück zu Eron. Dieser steht wie erhofft immer noch im Türrahmen, ebenso wie ich mit den Händen auf die Ohren gepresst.

„Was ist das?!" rufe ich ihm entgegen und versuche mich selber durch langsames Atmen zu beruhigen.
Eron fährt mit seinen Augen prüfend den Gang entlang und wirkt plötzlich wie ausgewechselt.
Seine Haltung ist jetzt aufrecht und starr, gleicht beinahe der eines Bodyguarden.
Die Schüchternheit in seinem Gesicht ist wie weggeblasen, er hat jetzt etwas beängstigendes an sich.
„Wir müssen weg, es ist nicht sicher", fordert er mich mit fester Stimme auf.
Ich fühle mich beinahe wie eine Gefangene, während er mich aus dem Zimmer zieht und die Tür schließt.

Die ganze Situation ist so befremdlich, dass ich es nur innerlich auf die Reihe kriege mich gegen ihn zu Stämmen, aber mein Körper tut nichts.
Ich bin komplett starr. Wie eine Statur halte ich weiterhin die Hände an die Ohren gepresst und beiße mir mit den Zähnen leicht auf die Lippen, um ein automatisches Schreien zurückzuhalten.
„Es tut mir leid dich das zu fragen, aber hast du eine Persönlichkeitsstörung?" meine ich ernst und sehe ihn mit Nachdruck an, während er dabei ist mich ins Treppenhaus zu schieben.
„Was?" brüllt Eron als Antwort zurück.
Seine Tonlage ist dabei ziemlich hoch.
Er muss meine Frage wohl mehr als lächerlich finden.

„Weil du in mein Zimmer gestürmt kommst und aussahst wie ein verweister Welpe. Jetzt benimmst du dich als hätte ich dich frisch von der Army entführt!" schildere ich Eron entsetzt.

You're my overdoseWo Geschichten leben. Entdecke jetzt