Kapitel 29

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𝐌𝐄𝐑𝐋𝐈𝐀𝐇

„Ich werde jetzt gehen, es scheint keinen Sinn zu haben das Gespräch weiterzuführen. Aber ich hätte gerne bald noch ein privates Gespräch mit dir, Edmund", spreche ich den erwähnten an.
Mein Plan ist es ihn über die fehlende Technik in meinem Leben auszufragen, so werde ich an mehr Informationen kommen.
Wenn ich Glück habe verplappert er sich und serviert mir somit mein fertiges Puzzle auf dem Silbertablet.
Nur sollte ich mir vorher einen Grund überlegen warum genau ich ihn danach frage, sonst wird das ganze vermutlich Unruhe bei ihm auslösen.

„Geh nur Merliah. Es scheint wohl alles furchtbar stressig für dich gewesen zu sein", mischt Jaxon sich erneut ein, dabei ist die Ironie in seiner Stimme nicht zu überhören.
Ich habe es aber satt mich von ihm auf die Palme bringen zu lassen, es ist dass was er will.
„Da hast du recht Jaxon, ich werde mich wohl ein wenig hinlegen müssen. Sehr aufmerksam dass du das bemerkt hast", antworte ich möglichst gelassen und bewege mich mit schnellen Schritten auf ihn zu.

„Tu das", meint er und setzt so einen Schlafzimmer-Blick auf.
Eklig, wenn ich mir vorstelle, dass er alle Mädchen genauso angesehen hat, bevor er sie gefickt hat.
„Und?", unterbreche ich das Gespräch von mir und Jaxon und warte auf eine Antwort von Edmund. Er faltet die Hände zusammen und nickt mir bestätigend zu, während er sagt : „Natürlich Merliah, eine Verabredung wird möglich sein. Morgen früh um acht?"

„Sicher", bestätige ich ihm und verschwinden nach einem kurzen Blick zu Jaxon aus dem Büro. Es ist unheimlich wie schwummerig mir wird, sobald ich Jaxon in seine Augen sehe. Beinahe wollte ich denken dass es bei anderen Männern auch so war, aber ich hatte bisher keine Männer in meinem Leben.

Mit Nachdruck schließe ich die Tür zum Büro endgültig und entferne mich so schnell wie möglich davon. Furchtbare Kopfschmerzen prasseln auf mich ein, es ist schrecklich anstrengend dieses Pokerface beizubehalten.
Ich habe keine Ahnung wie lange ich es in diesem Zustand noch aushalten kann.
Sicherlich schaffe ich es noch länger, dass die Leute in meiner Umgebung nichts von meiner aktuellen Lage mitbekommen, aber ich weiß nicht wie lange ich es noch aushalte dieses wissen mit mir zu tragen.

Es ist schlimm.
Ich werde ohne Hilfe sterben und weiß nicht einmal wer mich tot sehen möchte.
Die ganze Zeit über hoffe ich, dass sich mein menschlicher Verstand einschaltet und ich einfach von diesem irren Ort abhaue. Aktuell fühlt sich alles nicht real an, ich kann nichts realisieren. Vom Gefühl her lebe ich immer noch in meinem alten Leben und das ganze hier ist nur ein schrecklicher Albtraum.
Ich möchte aufwachen oder wenigstens wissen wie ich mir helfen kann.

___________

Mittlerweile habe ich meinen Gedanken nicht weiter erlaubt mich zu belasten. Und weil das nicht so einfach geht, sitze ich nun auf einer der Bänke auf dem Schulhof. Mit den Beinen im Schneidersitz und das Kinn auf die rechte Hand gestützt lese ich Twilight. Dabei hoffe ich auf Ablenkung, was mehr oder weniger funktioniert.

Von einer Sekunde auf die andere fällt mir ein Brummen auf. Zuerst denke ich es kommt vom inneren des Gebäudes, aber als es nicht aufhört sehe ich in meinen Sachen nach. Die Taschen meiner Winterjacke sind bis auf ein paar Zugtickets leer und auch in meiner Hosentasche scheint nichts zu sein.
Die einzige Möglichkeit wäre noch mein Buch, es kommt mit ziemlich dämlich vor, wie ich es so an meinen Kopf halte, aber der Ton wird tatsächlich lauter.

Aufmerksam blättere ich das Buch durch und werde auf den letzten 200 Seiten fündig. Jemand hat in die Seiten ein eckiges Loch geschnitten und ein Handy platziert. Dieses brummt wie verrückt. Es leuchtet so ein grünes und rotes Symbol, jeweils mit einem Telefon. Und als Überschrift steht dort „drück auf den grünen Button".
Es verwirrt mich unheimlich.
Alles an dieser Situation ist einfach nur komisch und ich habe echt schiss einfach so ein Ding anzufassen.
Andererseits bleibt mir keine Wahl, denn es klingelt pausenlos. Zwischendurch verstummt es zwar für ein paar Sekunden, aber dann fängt alles wieder von vorne an.

„Okay Merliah, du kannst das, es ist nur so ein...etwas", spreche ich zu mir selbst, mit voller Überzeugung es „etwas" zu nennen.
Wie angegeben drücke ich auf das grüne Symbol und warte gespannt ab, während sich der Bildschirm verändert.
Eine Art Stoppuhr beginnt die Sekunden zu zählen und ich sehe jetzt ein rundes Bild mit einem Baum, als Überschrift steht immer noch das gleiche.

„Hallo Merliah, schön dass du es geschafft hast abzuheben", ertönt eine Frauenstimme und es fällt mir nicht gerade schwer sie einzuordnen.
„Sie?", meine ich verwundert und weiß nicht wie ich die Frau von vorhin betiteln soll.

Andererseits kommt mir das ganze etwas unheimlich vor.
Wie hatte sie so viel Zeit ein Loch in mein Buch zu schneiden? Sowas würde mir an ihrer Stelle nur einfallen, wenn ich schon seit Tagen darauf warten würde den nächsten Schritt zu wagen. Aber vielleicht ist genau das der Fall.

„Nenn mich noch bitte Kat, kurz für Katharina", kommt es aus dem Gerät.
Es scheint beinahe als hätte „Kat" meine Gedanken gelesen.
„Entschuldigung, aber was soll dass hier werden?", frage ich verwirrt in die Luft.
Für andere Menschen muss es aussehen als würde ich Selbstgespräche führen.
Ich bin schließlich auch noch nicht verrückt genug. Nicht, dass es schlecht wäre, viele Menschen tun das, ich selber auch. Jedoch stuft man es trotzdem gerne unter verrückt ein.

„Es dient dazu uns gegenseitig auf dem neusten Stand zu halten. So kannst du mit mir kommunizieren, ohne dass ich eine direkte Lüge erkennen würde. Du kannst dich so mit der Technik vertraut machen und mich in Notsituationen um Hilfe bitten", schlägt Katharina vor.
Sie spricht mit mir als wären wir schon lange die besten Freunde, wobei wohl eher das Gegenteil der Fall ist. Trotzdem bin ich angetan von der Idee Informationen auszutauschen. Vielleicht ist es mir möglich zwei fliegen mit einer Klatsche zu schlagen.

„Einverstanden", erwähne ich kurz nickend und gucke auf die Zeit der Stoppuhr.
Mittlerweile sind schon fünf Minuten und 34 Sekunden vergangen.
„Also, erzähl mir, was gibt es neues?", fragt sie ruhig nach, als wären wir bei einem entspannten Kaffee trinken zu Gange.

Kurz überlege ich ob ich sie in die Sache mit dem Kopfgeld einweihen soll, aber wie es bei unserem Gespräch geschienen hat weiß sie sowieso viel mehr als ich.
Deswegen lasse ich mich darauf ein.
„Ich war im Büro. Eine Klassenkameradin hat etwas von einem Kopfgeld erwähnt. Es ist auf mich gesetzt."

You're my overdoseWo Geschichten leben. Entdecke jetzt