Kapitel 39

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𝐌𝐄𝐑𝐋𝐈𝐀𝐇

Dankbar über Siennas Worte setze ich mich voller Tatendrang an den Schreibtisch und schlug das kleine Heftchen mit den Bildern auf, welches daneben lag.

Konzentriert befolgte ich alle Schritte nacheinander und hatte, nachdem zweiten Anlaufversuch das Video auf der Seite „YouTube" geöffnet.

Ich spielte es ab und machte dem Mann mittleren Alters, wie eine Kopie alles nach. Zu meinem überraschen funktionierte es ziemlich gut und komplikationslos.

Nach guten zwei Stunden schaltete ich den Computer ab und ließ das Handy auf dem Schreibtisch liegen. Inzwischen ist es 22:30 und meine Augen begannen sich schon automatisch zu schließen.

Das mit dem duschen gehen ließ ich für heute sein und stolzierte zur Kleiderschranktür, um mir etwas zum Schlafen rauszusuchen.

Die engen Lederklamotten und Kampfuniformen konnten mich in diesem Moment auch nicht mehr vom Hocker reißen, weswegen ich mir eine dunkelblaue Jogginghose und ein weißes T-Shirt, aus den Tiefen des Schrankes suchte.

Nach wenigen Minuten konnte ich mich aus meinen stinkenden Klamotten schälen, welche ich achtlos auf dem Boden liegen lag. Selbst meine Converse kickte ich mit dem Fuß nur so weit weg, dass ich morgen früh nicht darüber stolpern würde.

„Warum können meine Haare nicht einmal Knoten frei bleiben", murmelte ich in das fast dunkle Zimmer hinein und fuhr mit den Fingern genervt durch die größten Knäule in meiner Mähne.

Erschöpft ließ ich mich rückwärts in das weiche Kopfkissen fallen und schlug die große warme Decke über meinen Körper.

Ich wusste nicht, ob es richtig war, von Bauchgefühl zu entscheiden, ob ich die bessere Entscheidung getroffen hatte, aber mir blieb nichts anderes übrig, als dieses Gefühl von Geborgenheit zu akzeptieren.

_______

Um sechs Uhr morgens werde ich von dem Stimmengemurmel in der Zentrale geweckt, schaffe es aber alles ziemlich schnell auszublenden und mich nochmal aufs Ohr zu hauen.

„Aufstehen du Faultier! Wir haben einen strickten Zeitplan mit dir", trällert Sienna während sie die Holztür in mein Zimmer aufreißt.

Ich setze mich stöhnend auf und erkenne, dass die schon längst in einem der Lederoutfits steckt, die auch in meinem Schrank hängen. Selbst einen Waffengürtel hat sie um die Hüften geschlungen, als würde uns jederzeit jemand angreifen.

Ihr geflochtenes Haar wirft sie lässig nach hinten und macht sich an dem Schrank zu fassen.

„Geh duschen, Zähneputzen und den ganzen Kram. Ich suche dir deine Sachen raus", plappert Sienna ohne aufzusehen, verdeutlicht mir aber ihr Anliegen mit einer scheuchenden Handbewegung.

„Ich mache ja schon", stoße ich gähnend hervor und schlüpfe aus dem warmen Bett.

Die Badezimmer Tür ist direkt gegenüber von dem Bett und gleichzeitig auch neben meinem Schreibtisch.

Noch leicht wankend gehe ich darauf zu und öffne die Tür. Das Badezimmer ist wie erwartet ebenso wohnlich wie der Rest des Zimmers. Es ist mit beigen Fliesen ausgestattet und der Rest ist mit weißem Keramik gestaltet worden. Schmunzelnd nehme ich die Duftstäbchen und rosafarbenen Gräser in Augenschein.

Da die Dusche direkt neben der Tür ist, warte ich nicht lange ab, sondern entkleide mich direkt und gönne mir eine lange, warme Dusche.

Die Uhr über der Toilette zeigt mir, dass ich ungefähr eine halbe Stunde beschäftigt war mich sauber zu schrubben. Viel länger hätte ich auch nicht brauchen dürfen, denn während ich meine nun geföhnten Haare unter die Lupe nehme, tritt Sienna fast die Tür an.

„Zack Zack jetzt Merliah", faselt sie ungeduldig und ich schließe kurz darauf auf.

Sienna macht sich an meinem Handy zu schaffen, während ich mich anziehe und das Marmeladenbrötchen, in Kombination mit dem Orangensaft verschlinge.

Wobei der Orangensaft, mit frisch geputzten Zähnen, nicht gerade ein Festmahl auf der Zunge ist.

„Diese Klamotten sind bequemer als ich dachte, doch ich bin trotzdem der Meinung, meine Converse würden das Ganze besser abrunden, als klobige Boots", protestiere ich, mit den Händen in die Hüfte gestemmt.

Sienna zieht grinsend die Augenbrauen hoch.
„Und wenn dir etwas auf den Fuß fällt, dann findest du die Schmerzen natürlich toll"

Grummelnd gebe ich mich geschlagen und gehe Sienna gähnend hinterher.

Wir halten wieder an dem langen Tisch von gestern, an dem Katharina, Liam, Jack und eine weitere Frau bereits Platz genommen haben.

Sienna deutet mir, mich neben sie zu setzen und den Worten von Katharina zu lauschen. Das Wort „Mutter" kommt mir immer noch viel zu fremd vor, um es ihr gegenüber zu benutzen. Nicht mehr so unwahrscheinlich ist für mich jedoch der Fakt, dass sie wirklich meine leibliche Mutter ist.

„Es ist gefährdend, dass keiner von unseren Spionen bei den Whites Informationen findet. Wir kennen ihren nächsten Schritt nicht, doch Verbündete werden in jedem Fall nötig sein", erläutert sie und mir wird ganz flau im Magen.

Ihr Blick richtet sich auf Liam.

„Bitte kümmere dich darum, dass Evans informiert wird, dass ich gerne ein Meeting mit ihm arrangieren würde. Er ist unsere rechte Hand und sollte Bescheid wissen."

Völlig baff reiße ich die Augen auf und balle die Hände zu Fäusten, damit ich nicht auf der Stelle losbrülle.

Liam wagt den Blick auf mich zu richten und ich kann nicht anders, als ihm auf der Stelle meine Meinung zu geigen.

„Bist du irre? Weißt du eigentlich, was für eine scheiß Angst ich vor dem Kerl hatte? Und jetzt wird mir erzählt, er ist euer Verbündeter! Dass ich nicht lache. Bedankt habe ich mich auch noch, dass du mich beschützt hast."

Meine Stimme ist immer lauter geworden, weswegen nun alle Augen in Reichweite auf mich gerichtet sind. Ist mir reicht, sollen sie doch hören, was er abgezogen hat.

Jedoch wirkt der Rest der Meute nicht sauer, sondern scheint bei dem Anblick von Liams bleichem Gesicht eher einen Lachanfall unterdrücken zu müssen.

Die mir unbekannte Frau ist die erste, die sich nicht mehr zusammenreißen kann.

„Das hast du ihr erzählt?", bringt sie lachend hervor und schüttelt ihre braune Mähne.

„Du siehst aus, als hättest du ein Gespenst gesehen," fügt Sinna kichernd hinzu, „das ist das erste Mal, dass dir eine Frau so richtig Angst gemacht hat."

Selbst Katharina kann sich nicht mehr zusammenreißen und lacht herzlich mit allen mit, zum Ende schließe ich mich selber an. Ob inzwischen aus Überforderung oder nicht, es ist einfach lustig.

Nur Liam, der lacht nicht. Es sieht aus, als würde er am liebsten einen Tunnel graben und ganz schnell verschwinden.

You're my overdoseWo Geschichten leben. Entdecke jetzt