Kapitel 30

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𝐌𝐄𝐑𝐋𝐈𝐀𝐇

Nach meiner Erläuterungen warte ich auf eine Antwort von Katharina.
Aber das Einzige was für ein paar Minuten zu hören ist, ist ihr angestrengtes Atmen, was mich langsam aber sicher irre macht.
„Antworte mir bitte.
Oder grummle wenigstens etwas vor dich hin, was irgendwie nach einer Zustimmung klingt.
Aber nicht dieses bescheuerte Atmen!", trage ich ihr mit den Augen zu Schlitzen verengt vor, schade dass sie das nicht sehen kann.
„Ich sehe gerade auf dem Computer nach ob es neues gibt, die Dinge treiben sich im
Darknet rum wie ein Lauffeuer", antwortet sie mir mit abwesender Stimmlage.

„Sollte mich das beunruhigen?", frage ich ehrlich und halte das Buch noch etwas höher an mein Gesicht, so dass ich mich jetzt komplett hinter ihm verstecke.
Hoffentlich wird keiner auf mich aufmerksam, das wäre vermutlich mein Abgrund.
„Kommt drauf an, es wurde dir jetzt sicherlich schon öfter gesagt, dass die Menschen im Untergrund skrupelloser sind als alle anderen", erwähnt sie.

„Ja", meine ich und pule an der rechten Ecke des Buchumschlags.

„Scheiße!"

„Was ist los?"

„Neue Informationen, über dich! Sie wurden vor fünf Sekunden veröffentlicht. Fuck", die energisch gewählte Wortwahl von Kat macht mir mehr Angst als sie sollte.

Ich kann mir vorstellen was passieren wird, wenn mein Standort oder andere Dinge ans Licht kommen. Aber gleichzeitig könnte ich alles unterschätzen. Es ist nicht meine Welt und das sollte sie auch nicht sein. Aber es war die Welt meines Vaters und ich habe die Qual die Gejagte zu sein.

„Gib mir eine Sekunde Merliah!"

Bevor ich mir eine Antwort zusammenreimen kann, die jetzt passend wäre, ist Katherina aufgrund der laut widerhallenden Schritte sicherlich schon verschwunden.
Die Zeit auf dem Handy zählt ständig weiter, es versetzt mich irgendwie in eine stressige Situation, der Stoppuhr dauerhaft zuzusehen wie die Zahlen größer werden.

Das Klingeln was die Pause ankündigt könnte wohl gerade nicht unpassender sein, denn ich habe keinerlei Schimmer davon was gerade passiert ist.
Ebenfalls bin ich gezwungen das Gespräch zu beenden, denn gerade kommt eine ziemlich motiviert aussehende May auf mich zu.

„Ich muss weg, sonst werde ich erwischt!", schreie ich so laut ich kann in das Handy.
Danach drücke ich den einzigen Knopf der gerade zu sehen ist und schlage das Buch mit voller Wucht zu.
„Gerade noch rechtzeitig", murmle ich, da sich keine zwei Sekunden später May neben mich auf die Bank schmeißt.

Es gibt mit einen klitzekleinen Déjà-vu Moment, von dem Augenblick als ich das Gerücht über Jaxon in die Welt gesetzt habe. Die Verbreitung davon ist soweit ich mitbekommen habe nicht sonderlich gut vorangekommen.
Aber naja, vielleicht will schon die ganze Zeit keiner mehr mit ihm Vögeln und ich kriege es einfach nur nicht mit.
Das würde zumindest seine scheiß Laune erklären, wobei die theoretisch so oder so an der Tagesordnung liegt.

„Hi!", meint May so laut, als hätte sie sich gerade angeschlichen und würde mich erschrecken wollen.
Ich widme nur einen einzigen Blick in ihr Gesicht, dass zu so einem Grinsen verzogen ist, dass man ihre Unsicherheit schon auf fünf Metern Entfernung erkennen könnte.
Stumm platziere ich das Buch auf meinem Schoß und bleibe mit den Händen darauf gelegt, angelehnt auf der Bank sitzen.
Das letzte was mir in diesem Moment Vergnügen bereiten würde ist mit May zu plaudern, die sich in diesem Raum gerade aufgeführt hat als hätte sie eine Persönlichkeitsstörung.

Eigentlich hätte ich sie alle für verrückt erklären müssen und den Notarzt rufen sollen. Besser noch die Polizei.

„Merliah", beginnt sie erneut und versucht ihre Hand auf meine zu legen.
Das lasse ich aber nicht mal im Traum zu und rutsche schnell ein wenig von ihr ab, so dass ihre Hand in der Luft verharrt.

Aus dem Augenwinkel kann ich beobachten wie sie die Hand zurückzieht und unruhig hin und her wippt. Unheimlich nervig sowas, macht einen verrückt.
Gleichzeitig frage ich mich, warum ich hier überhaupt schon wieder sitze und mir alles gefallen lasse.
Die wollen ihre Spielchen doch nur weiter mit mir treiben, nie wird es aufhören und ich werde immer das unwissenden Gör sein dass auf alles reinfällt.

Ja, vielleicht wird es so sein.
Aber ich werde nicht tatenlos rumsitzen und warten bis irgendjemand von diesen Arschkriechern den Mund aufbekommt, um mir die Wahrheit zu sagen.
Es reicht schon, dass ich mir dieser Tötungsnummer nicht bewusst werde, eigentlich müsste ich komplett am durchdrehen sein!
Es ist unmöglich so verdammt ruhig zu sein, wie bei einem Kartenspiel.

„Pass mal auf May!
Entweder du sagst mir was hier das große Geheimnis ist oder du kannst es vergessen je wieder ein Wort mit mir zu wechseln", mit bebenden Nasenflügeln spreche ich die Worte aus, die mir schon viel zu lange auf der Zunge liegen.
Kurz durchfährt mich ein wunderschönes Glücksgefühl, welches mir bestätigt, alles richtig gemacht zu haben.

Danach allerdings wird mir klar wie armselig meine Drohung geklungen haben muss.
„du kannst es vergessen je wieder ein Wort an mich zu richten" echt jetzt Merliah?
Ich hab das mit diesem Zeug echt nicht drauf, wie haben die sich das alle vorgestellt?
Dass ich mir aus dem Finger ziehen kann wie es im Untergrund abläuft, weil ich es angeblich in den Genen haben soll?
Kompletter Schwachsinn!

Zum Glück habe ich beschlossen meinen aufbrausenden Gedanken in diesem Moment ein Ende zu setzen, denn May zieht unsicher die Augenbrauen zusammen und ihre Lippen verschließen sich zu einem dünnen Strich.
Mit dem Körper zu ihr gerichtet sehe ich sie Erwartungsvoll an.
Dabei streifen meine Augen ihr heutiges Outfit. Offen gestanden gefallen mir die schwarzen Boots in Kombination mit der gleichfarbigen Strumpfhose und dem hell braunen Strickkleid.
Aber das steht jetzt sowieso nicht zur Debatte, eine nette Klamotten Auswahl kann mich wohl kaum davon überzeugen, dass sie doch ein guter Mensch ist.

You're my overdoseWo Geschichten leben. Entdecke jetzt