Kapitel 28

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𝐌𝐄𝐑𝐋𝐈𝐀𝐇

„Wo warst du?", wird mir die erste Frage von Elijah gestellt und ich fühle mich sofort wie in einem Verhör.
Eigentlich kann ich aber gar nicht wissen, wie es sich anfühlt in einem Verhör zu sein, denn ich war noch nie in einem. Trotzdem stelle ich es mir genauso vor wie es gerade ist.
Alle Blicke durchbohren dich, von hinten, von vorne, ohne jegliches Schamgefühl. Sie warten gespannt auf deine Antwort und dir selber läuft ein kühler Schauer über den Rücken, der dich erzittern lässt.
Ja, so muss es sein. Es kann gar nicht anders.

„Ich habe mich in einem Raum eingeschlossen, weil ich etwas gehört habe. Die Angst hat gehandelt", gebe ich ihm schulterzuckend die gleiche Antwort, wie Eron vorhin.
Zusätzlich lasse ich meine Schultern hängen und lehne mich ein bisschen nach vorne, das wird mein verschrecktes Auftreten verstärken.
Elijah hört gar nicht auf mich anzustarren, wohingegen Jaxon immer noch keinen Blick an mich verschwendet. Wie er möchte.

Entschlossen entferne ich mich aus Jaxons Blickfeld. Soll er doch pausenlos die Uhr anstarren, ich werde bestimmt nicht wie eine Zielscheibe dazwischen stehen. Und da die Sitzplätze schon besetzt sind Lehne ich mich an die Wand, direkt neben Elijah. Natürlich mit einem gewissen Abstand, allerdings muss ich mich irgendwie in diese Runde einbringen.

Kurz überlege ich ob ich die Spekulation darüber anschneiden soll, wer wohl der unerwünschte Gast war. Meine Entscheidung steht recht schnell.
„Warum ging eigentlich dieser Alarm los?", schmeiße ich gespielt unwissend meine Frage in den Raum.
Edmund hatte sich wieder zurück an seinen Schreibtisch gesetzt nachdem er mich betrachtet hat, jetzt scheint ihm aber danach zu sein sich intensiv im Gespräch zu beteiligen.
„Ein unerwünschter Gast, nichts wildes", winkt er gleichgültig mit der Hand ab.
Er selber mag sich vielleicht von diesem Quatsch überzeugt haben, für mich klingt seine nervöse Stimmlage aber gar nicht danach.

Soweit ich beurteilen kann hat Edmund sich in der Zeit die ich schon bei ihm war, noch nie so verhaspelt.
„Aber so ein starker Alarm wird doch nicht für harmlose Dinge sein, oder?", meine ich beunruhigt. Meine geknickte Haltung gebe ich auf. Wenn ich mit dem diskutieren beginne muss ich schon fähig sein der Person richtig in die Augen zu sehen, ohne einen Krampf zu kriegen.
Deswegen lege ich meine Hände an die kühle Wand und lehne mich mit den Rücken daran, die Beine lasse ich überkreuzt.

Dass ich durchgängig von Lia, May und Elijah beobachtet werde, versuche ich gekonnt zu ignorieren. Was äußerst schwer ist, wenn ich sie aus dem Augenwinkel sehen kann, während ich Edmund ansehe. Ich frage mich ob die drei einfach nur dumm sind und denken sie sind unsichtbar, oder wirklich wollen, dass ich es bemerke. Im Moment kann ich mir irgendwie beides gut vorstellen.

Edmund zögert und nimmt sich Bedenkzeit, dabei lehnt er sich ebenfalls vorne an den Schreibtisch. Allerdings an die rechte Ecke, damit er sich gut mit mir unterhalten kann.
„Es ist jemand eingebrochen, wir vermuten jemand aus dem Untergrund. Sie werden herausgefunden haben dass du noch lebst, es wird sich rumsprechen", rückt er endlich mit der Wahrheit raus.
Oder sollte ich sagen mit seiner Version der Geschichte?

„Was werden wir tun?", stelle ich erneut eine Frage. Langsam komme ich mir wie eine Idiotin vor, da ich keine Ahnung von nichts zu haben scheine.
Doch mit dieser Frage scheine ich die Aufmerksamkeit von Jaxon ergattert zu haben, ich hätte gedacht er hat der Uhr schon einen Antrag gemacht.
Danach hätten sie geheiratet, es wären schöne Jaxon-Uhren Babys dabei rausgekommen und sie leben glücklich bis an ihr Lebensende. Weit weg von mir, verständlich.

Seine Antwort vermiest mir jedoch zunehmend diese Traumvorstellung.
„Was wir tun werden? Nichts werden wir tun! Du bist ein laufendes Problem Merliah, wir sollten dich loswerden", wie abgestochen hat er sich zu mir gedreht und wirft mir diese scheiße an den Kopf. Ich versuche es an mir vorbeiziehen zu lassen, aber da bin ich leider Gottes nicht der Typ für.

„Bist du bescheuert Jaxon? Soll ich dir dass das nächste mal auch sagen, wenn dich eine Horde von Menschen umbringen will? Gib mir ein paar Minuten, dann denk ich mir schonmal einen passenden Spruch aus, den ich dir mitgeben würde!", werfe ich ihm aufgebracht entgegen.
Während meines Ausrastens, habe ich unbewusst anfangen die Hände wie wild zur Unterstützung meiner Argumente zu benutzen.
Das scheint aber gar keine schlechte Idee gewesen zu sein, denn Jaxon starrt mich so fassungslos an, als wäre ich eines von seinen One-Night-Stand Mädchen, an dass er sich nicht erinnert.

„Die hat ein Knall, ich habs euch gesagt", findet mein gegenüber seinen Stolz wieder.
Ich bin schon voll gewappnet für Runde zwei, da grätsch uns May dazwischen.
„Lasst es bleiben, es hat keinen Sinn.
Wir sollten uns lieber darum kümmern die Schule abzusichern, die Gangs werden nicht zögern uns aufzusuchen. Sie nehmen sich was sie wollen, besonders Dinge mit einer hohen Summe an Kopfgeld", letzterer Satz scheint wohl an mich gerichtet, denn May nickt sichtbar für alle zu mir.

Ihre Worte machen mich stumm. Denn etwas, was die Frau von sich gegeben hat stimmt. Jemand scheint ein Kopfgeld auf mich gesetzt zu haben, nur kann ich nicht beweisen wer es war.
Es ist unmöglich jetzt noch irgendjemandem zu vertrauen, jeder verdammte Mensch könnte lügen. Oft habe ich das Gefühl alle Puzzle schon beisammen zu haben, mir fehlt nur noch die Anleitung um sie richtig zusammenzusetzen.

You're my overdoseWo Geschichten leben. Entdecke jetzt