Kapitel 87

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Wir verbrachten die nächsten Stunden damit unsere Fotos von heute Vormittag zu entwickeln.

Und es passierte absolut gar nichts.

Im Gegenteil, Adrian war anscheinend extra darauf bedacht, mich noch nicht einmal zu berühren und es war in dieser winzigen Kammer ja schon fast ein Wunder, dass es ihm so gut gelang.

Wir hatten, wie letztes Mal auch schon, fast die meiste Zeit schweigend gearbeitet. Es kam mir fast schon so vor, als wären wir ein jahrelang eingespieltes Team.

Endlich hingen also die ganzen Fotos von den Leinen, die quer über das Zimmer gespannt waren und diese waren so voll, dass nicht ein Foto mehr daran Platz gehabt hätte.

Immer noch schweigend betrachteten Adrian und ich unser Werk. Es waren einige wirklich schöne Aufnahmen dabei. Ich liebte es, unsere Gesichter zu betrachten. So fröhlich, gelöst, frei.

Ein Bild war dabei, das mir besonders gut gefiel.

Darauf stand Adrian hinter mir und hatte einen Arm um meine Taille gelegt, mit dem er mich fest an sich zog. Seine Wange lag an meiner und ich lehnte mich an ihn. Mit der freien Hand hatte er die Kamera gehalten und das Foto gemacht, auf dem wir einfach nur um die Wette strahlten.

"Kann ich das mitnehmen?", fragte ich ganz leise, weil es irgendwie komisch war, die Stille zu durchbrechen und zeigte auf das Bild. Adrian lächelte und nahm es vorsichtig von der Leine.

"Pass nur auf, solang es noch nicht ganz trocken ist." Als er es mir in die ausgestreckte Hand legte, trafen seine Augen das erste Mal seit Stunden wieder direkt meine und ein Schauer jagte mir durch den Körper.

"Aber dann will ich das hier haben", sagte er dann und zeigte auf ein Bild. Ich fing laut an zu lachen.

"Ja, nimm nur." Auf dem Foto sahen Adrian und ich uns an und streckten uns gegenseitig grinsend die Zunge raus.

"Sobald sie trocken sind, kriegst du noch welche."

Ich nickte und sah ihn einfach nur an, da ich nicht wusste, was ich sagen soll. Zwischen uns baute sich wieder diese Spannung auf, diese magnetische Anziehungskraft. Ich hielt die Luft an, als Adrian seine Hand hob und mir kurz über die Wange strich und wagte schon zu hoffen...

Aber er zog sie schnell wieder zurück, so als wäre ihm gerade wieder eingefallen, was wir vereinbart hatten. Naja, eher was er beschlossen hatte.

Er ging an mir vorbei und hob den Stapel mit meinen Fotos vom letzten Mal auf, die wir vorher alle von den Leinen genommen hatten.

"Vergiss die nicht."

Das hieß dann wohl, dass ich jetzt gehen konnte.

Adrian brachte mich noch zur Tür und bevor er sie öffnete, drückte er mich noch einmal fest zum Abschied. Ich hielt noch in beiden Händen Fotos, sodass ich ihn noch nicht mal richtig umarmen konnte, aber gut, er war sowieso recht schnell wieder weg.

"Schlaf gut, Robyn."

Ich nickte, obwohl ich noch überhaupt nicht müde war. "Du auch."

Und dann machte ich mich auf den Weg zu mir nach Hause.

- - - - - - - - - -

Bei uns zu Hause war schon alles still und dunkel, also waren Mama und Papa schon im Bett. Leise ging ich in mein Zimmer, machte das Licht an und setzte mich auf mein Bett. Lange betrachtete ich das Bild von Adrian und mir, fuhr die Konturen seines Gesichtes nach, spürte fast, wie sich sein Arm um meine Taille angefühlt hatte, seine Brust an meinem Rücken, sein Atem an meinem Hals.

Gemächlich zog ich mir etwas bequemes an.

Und dann holte ich mir meinen Zeichenblock und einen Bleistift.

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Geschlagene vier Stunden später betrachtete ich mein fertiges Werk.

Meine erste Skizze hatte ich gleich einmal herausgerissen und weggeworfen, so unzufrieden war ich damit gewesen. Aber jetzt... Inzwischen war ich ziemlich zufrieden damit.

Genau wie bei dem Bild mit Ceil, wollte ich einfach die Stimmung genauso einfangen, wie ich sie erlebt hatte. Ich wollte, dass unsere Gesichter genauso glücklich aussahen, wie auf dem Bild und ihn immer an diesen unbeschwerten Nachmittag erinnerten.

Dieses Bild würde Adrians Abschiedsgeschenk werden.


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