Kapitel 4

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Ich war es, die klingelte. Wir standen da wie eine richtig schöne Bilderbuchfamilie. Mama, Papa und Tochter, alle schön gekleidet, der Vater mit einer Weinflasche in der Hand.

Es ertönte der gleiche Ton im Haus wie bei uns, als mein Finger den Klingelknopf los ließ. Kurz darauf waren erstaunlich leichte Schritte hinter der Tür zu hören. Sie wurde aufgemacht...und ich wäre fast ohnmächtig geworden. Eine sexy Blondine, die eine unglaubliche Ausstrahlung hatte, öffnete die Tür und strahlte uns an.

„Hi, ich bin Sandy. Herzlich Willkommen!" Ihr Gesicht wurde durch ihr breites Lächeln fast entzwei gerissen. Ich starrte sie an. Plötzlich hatte ich das Gefühl, dass ich kotzen musste. Ich fragte mich, wie um alles in der Welt ich so naiv sein konnte! Natürlich, NATÜRLICH war so ein brillanter Typ wie Adrian nicht Single! Dumm, dumm, dumm...einfach nur dumm! Ich war so enttäuscht, ich hätte heulen können.

Meine Mutter hatte auch erst überrascht reagiert, fing sich aber schnell wieder.

„Hi, ich bin Gaby. Das ist mein Mann John und das ist unsere Tochter Robyn."

Sandy strahlte immer noch, als sie uns hereinbat. 'Kein Wunder', dachte ich. 'Würde Adrian mir gehören, würde das Gefühl „Trauer" wahrscheinlich auch aus meinem Emotionswortschatz verschwinden.'

Im selben Moment erschien Adrian hinter ihr. Er begrüßte uns alle mit Wangenküsschen, was mich nur noch frustrierter machte. Wieso, WIESO musste diese wunderbare Schöpfung das tun!?

„Wie ich sehe habt ihr Sandy schon kennengelernt", meinte er und legte doch allen Ernstes seinen Arm um ihre Taille. Ich überlegte schnell welche Konsequenzen es haben würde, falls ich beiden die Augen ausstechen würde.

„Sie hilft mir grad ein bisschen beim Einrichten", fuhr Adrian fort, ohne auch nur den blassesten Schimmer zu haben, woran ich gerade dachte. Sein Glück.

____

Es war grauenvoll. Sie klebte die ganze Zeit förmlich an seiner Seite. Und er machte es auch nicht besser mit seinem ständigen: „Sandy, kannst du mir hier kurz helfen?" oder „Ich glaube die Nachbarn mögen dich!" Und dabei zwinkerte er ihr so zu, wie er es ein paar Stunden zuvor bei mir getan hatte.

Kurz gesagt: Der Nachmittag war das reinste Desaster.

Gegen meine deprimierte Stimmung tat ich das einzige, was ich nicht hätte tun sollen: Ich trank hier ein Gläschen Sekt und dort ein Gläschen Wein, dann ein, zwei (oder waren es drei?) Fläschchen Bier und ehe ich mich versah war ich so ein klein wenig angetrunken. Und je fortgeschrittener der Nachmittag wurde, umso besser fühlte ich mich. Ich sah Sandy und musste mir eingestehen, dass sie wirklich bezaubernd aussah und um ehrlich zu sein, machte sie zu meinem Bedauern auch keinen arroganten Eindruck. Vielleicht war sie wirklich die perfekte Freundin für den perfekten Adrian.

Oh mein Gott! Was war, wenn sie verheiratet waren?

Ich konnte nicht erklären warum, aber bei diesem Gedanken bekam ich einen Kicheranfall.

Meine Mutter sah mich besorgt an.

„Ist alles in Ordnung mit dir, Schatz?"

„Ja, ja, mir ist es noch nie besser gegangen, außer dass..." Abrupt hörte ich auf zu reden. Jetzt hätte ich mich auch noch beinahe bei meiner Mutter verplappert.

„Außer dass was?", hakte sie da aber auch schon nach.

„Außer dass mir noch ein Becks fehlt", fiel mir ein (komisch, wie kam ich denn auf den Gedanken Alkohol?). Ich ging in die Küche, machte den Kühlschrank auf und klaute ihm ein 'Becks Ice'. Gerade als ich die Tür förmlich zuschmetterte, kam Adrian in die Küche. In den Händen trug er zwei Teller, gefüllt mit eben fertig gewordenen Steaks und Würstchen.

„So, jetzt gibt's gleich die nächste Portion Essen", grinste Adrian. Ich versuchte einen interessierten Kommentar loszuwerden, da es aber nicht klappte, trank ich stattdessen die Hälfte meines Bieres.

„Schau sie dir an...", kam es dann stolz von Adrian. Ich wandte mich zu dem Essen, um es lobend zu begutachten, aber er drehte mich sanft in die andere Richtung.

„Nein, nein, ich meinte Sandy, nicht die Steaks." Seine Augen leuchteten, als er die Frau im Wohnzimmer betrachtete. „Ist sie nicht einfach fantastisch?"

Mein Lächeln wurde steif. Ich hatte das Gefühl, dass ich sie ein wenig verhasst anstarrte. Schnell trank ich den Rest vom Bier-Mix. Dann stöhnte ich ein verzweifeltes 'Ja'. Adrian lachte.

„Ich glaub, du trinkst ab jetzt nur noch Wasser", meinte er dann richtig brüderlich. Verdammt, er sollte doch nicht mein Bruder sein!

„Ach, ich muss nur was essen, dann geht's schon", antwortete ich ausweichend. Als ich jedoch bei dem Versuch die Küche zu verlassen volle Kanne gegen den Türrahmen knallte, wurde mir klar, dass ich vielleicht wirklich nur noch Wasser trinken sollte.

„Siehst du?", neckte mich Adrian, als er mich überholte und alle bat, auf den Umzugskartons Platz zu nehmen. Es hatte nämlich angefangen zu regnen, weshalb die viel behaglicher aussehenden Gartenmöbel leider nicht mehr in Frage kamen.

Wir versuchten, es uns immer zu zweit auf einem Karton bequem zu machen, dann ging es von den Sitzplätzen gerade auf. Es war zwar sehr eng, aber auch nicht vollends unbequem. Ich hatte immerhin Glück, dass sich Alex, die Tochter unserer Nachbarn, neben mich setzte. Sie war zwei Jahre jünger als ich, aber ich kam prima mit ihr zurecht.

Meine Eltern teilten ebenfalls einen Karton, aber Adrian und Sandy zu meiner großen Verwunderung nicht.

Das Wohnzimmer, jedenfalls sollte dieses Zimmer mal als solches fungieren, war mit den knapp zwanzig Leuten eindeutig überfüllt. Der Himmel draußen hatte eine bedrohliche Farbe angenommen und die ersten Blitze waren bereits hindurch gezuckt, gefolgt von dröhnendem Donner. Der Wind peitschte den Regen so stark umher, dass wir alle Fenster schließen mussten.

Die Luft im Inneren wurde schnell stickig und mir wurde schwindelig, wozu wahrscheinlich auch mein Alkoholpegel beitrug. Die Stimmen und das Gelächter um mich herum verschwammen immer mehr. Plötzlich sah mich Alex mit sorgenvoller Miene an.

„Alles in Ordnung mit dir, Robyn?", fragte sie mich.

Meine Stimme kam von irgendwo ganz weit weg, so kam es mir jedenfalls vor. Ich sagte, dass alles Bestens wäre und ich nur mal kurz an die frische Luft gehen würde.

Dann verließ ich leicht schwankend und mit unsicheren Schritten das Zimmer. Ich ging zur Haustür hinaus und setzte mich auf die Eingangstreppe. Der Regen knallte gegen mein Gesicht und meine nassen Haare wurden um meinen Kopf geschleudert, aber es machte mir nichts aus. Ich schaute mein Wasserglas an und schmunzelte. Ich hatte mir von diesem Nachmittag so viel versprochen, aber er war buchstäblich ins Wasser gefallen. Ich verspürte keinen Durst und schüttete den Inhalt meines Glases aus.

„Hey, das hab ich gesehen!"

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Na, was meint ihr? Hat Robyn ein biiischen zu viel intus? ;)

<3<3<3

Tyskerfie & HeyGuys77

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