Kapitel 20

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Ich kramte nach dem Schlüssel in meiner Tasche. Ich fischte ihn heraus und sperrte die Tür auf. Umständlich platzierte ich meine Tasche so, dass sie sich nicht wieder schloss, nahm meinen Koffer und meine verpackte Leinwand und stolperte damit in die Wohnung. Ich stellte alles ab, zog den Schlüssel aus dem Schloss und nahm auch meine Tasche.
Ich stöhnte und wollte mich gerade setzten, da klingelte schon wieder mein Telefon.
„Hey Leo, was gibt's?", fragte ich möglichst neutral.
„Eine lustige Geschichte: Ich wollte gerade meine Schwester besuchen, um ihr den neuesten Shit-"
Ich räusperte mich.
„Gut. Um ihr das Neueste von der Arbeit zu erzählen. Da sperre ich die Wohnungstür auf und sie ist nicht da. Ich klopfe bei ihrem komischen Nachbarn, der im Bademantel zu Tür kommt, doch der konnte mir auch nicht helfen."
Ich zog die Augenbrauen hoch.
„Dann fahre ich zu Luke, der mir komplett genervt erzählt, dass sie einfach schon wieder in London ist.", er lachte auf, „Kannst du dir das vorstellen?? Ohne sich zu verabschieden."
Ich seufzte.
„Also?", fragte er gereizt.
„Sorry, ich hab vergessen, dir Bescheid zu geben."
„Ja.", spuckte er aus, „Das hab ich gemerkt."
Ich wurde stutzig. „Warte, wie bist du in meine Wohnung gekommen?? Ich habe dir nie einen Schlüssel gegeben."
Jetzt räusperte er sich. „Das können wir wann anders besprechen oder?"
Ich rollte mit den Augen.
„Leo, ich muss jetzt wirklich hier weitermachen. Sasha kommt gleich noch vorbei, um mit mir meine Bilder zu überarbeiten und zu fixieren okay?"
Er blieb stumm.
„Hey, das war für mich genauso als du mich für Benno versetzt hast, um zum Tag der offenen Tür bei der Feuerwehr zu gehen."
„Hast ja recht."
Wir verabschiedeten uns von einander.
Ich schmiss mein Handy auf den großen Sessel neben mir und überlegte, welche der Werke wir überarbeiten sollten.
Am besten alle. Oder doch nicht?, fragte ich mich selbst.
Da klingelte es auch schon an der Tür.
Ich öffnete sie. „Hallo.", er zog mich in eine Umarmung, „Lange nicht gesehen."
Er grinste mich an.
„Also unter Künstlern an sich bist du schon ganz weit vorne, Clara.", gab er zu, „Nur bei Leuten, die sich nicht mit Kunst beschäftigen eben nicht."
Er lief an mir vorbei und zog seine Jacke aus.
„Naja, die meisten Künstler werden eh erst nach ihrem Tod berühmt."
„Sehr motivierend.", brummte ich.
Sasha zog sich auch seine Schuhe aus.
Er fühlte sich wie zuhause, was wohl auch daran lag, dass er öfter in meiner Wohnung in London war, als ich selbst.
Ich füllte gerade eine Kanne mit Wasser, als er fragte: „Womit fangen wir an?"
Er rieb sich tatkräftig die Hände und lies mir keine Chance zum antworten.
„Vielleicht machen wir heute fünf Werke fertig und morgen auch fünf. Dann haben wir schon fast ein Drittel geschafft.", schlug er vor.
Ich lachte. „Okay, das können wir so machen."
„Dann gib mal her die Kunstwerke. Ich hab sie ja auch noch nicht gesehen."
Ich zog zwei große, eine kleine Runde und zwei mittelgroße Leinwände hervor.
Sasha betrachtete jedes Bild ausgiebig von allen Seiten und aus jeder möglichen Perspektive.
„Mir gefällt das hier.", er deutete auf die größte der Leinwände, „Das hat sowas- sowas- ruhiges, aber auch aussagekräftiges."
Er legte es vor sich hin und betrachtete es nochmal ganz genau.
„Was für eine Bedeutung hat es?"
Ich sah auf das Bild. Ein junger Mann saß alleine in einem Café. Er hatte einen Stift in der Hand und vor ihm stand eine Tasse. Er blickte aus dem Fenster und beobachtete das rege Treiben auf der Straße.
„Er sieht so aus, als würde er etwas großes planen.", sagte ich, „Ob es für ihn allein groß ist oder für alle, das spielt keine Rolle. Es ist groß."
Sasha lächelte.
Mein Handy riss mich aus unserem Moment.
Schnell hob ich ab.
„Ja, Harry?", fragte ich.

Gegensätze ziehen sich an|| HSWo Geschichten leben. Entdecke jetzt